Was von der Kohle geblieben ist
Margaret Thatcher gilt als Totengräberin der britischen Kohleindustrie, trat sie doch den streikenden Arbeitern Jahren als "Eiserne Lady" entgegen. Was ist von den einst so stolzen Kohle-Kumpels geblieben? Und welche Rolle spielt Kohle heute im britischen Energiemix?
"Welcome to Big Pit …"
Im National Coal Museum von Wales, im früheren Bergwerk "Big Pit", begrüßt John Herbert die Besucher – und fährt mit ihnen in einem ruckelnden Aufzug 90 Meter unter Tage, dorthin, wo jahrzehntelang Kumpel geschuftet haben. Ohne Tageslicht, in 12-Stunden-Schichten, stets der Explosionsgefahr ausgesetzt. Angefangen hat John unter Tage mit 16 Jahren – harte Arbeit, die er aber geliebt hat.
Heute ist John 54, sieht aber deutlich älter aus. Vor dem Ersten Weltkrieg arbeiten eine Million Menschen in den britischen Kohle-Bergwerken, und die Jahresproduktion liegt bei fast 300 Millionen Tonnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird die Industrie verstaatlicht, was ihren beinahe vollständigen Niedergang in den folgenden Jahrzehnten jedoch nicht aufhalten kann.
Das sagt Dieter Helm, Professor für Energiepolitik an der Uni Oxford. Die Bergwerke auf der Insel sind nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben, zu teuer die Produktion, zu billig die Kohle aus dem Ausland. Auch der "miner’s strike" – der legendäre Ausstand der Bergleute Mitte der 80er-Jahre – kann weitere Zechenschließungen letztlich nicht verhindern:
Im erbitterten Disput mit Margaret Thatcher siegt am Ende die konservative Regierungschefin. Inzwischen haben günstige Importe längst die heimische Produktion überflügelt. Der Kohle-Anteil am britischen Strom-Mix schwankt, 2014 sind es immer noch 30 Prozent – zu viel, findet Energieforscher Helm:
"Wer die globale Erwärmung begrenzen will, der muss damit anfangen, aus der Kohle auszusteigen – weil die Branche aus mehreren Gründen schmutzig ist: der CO2-Ausstoß, die Methangas-Lecks, die Wasserverschmutzung, der Transport der Kohle und schließlich die Verbrennung in den Kraftwerken."
Noch einige Dutzend Tagebauten
Übrig geblieben vom einstigen "King Coal" ist ein einziges noch aktives Kohle-Bergwerk in Nord-England, das aber voraussichtlich zum Jahresende dicht gemacht wird. Daneben gibt es – im Land verstreut – noch einige Dutzend Tagebauten, sagt Ceri Thompson vom Waliser Kohle-Museum:
"Natürlich will heute niemand mehr neben einem Tagebau wohnen, wegen des Drecks und wegen der Sorge vor Erdrutschen. Aber alle wollen ihre Computer benutzen, alle wollen Häuser bauen, alle brauchen also Energie – und die muss ja irgendwo herkommen."
Gestritten wird auch auf der Insel darüber, wer dafür aufkommt, mit den Hinterlassenschaften des großflächigen Kohle-Abbaus umzugehen – und etwa die ehemaligen Tagebauten zu renaturieren. Am Ende werde es darauf hinauslaufen, dass nicht der jeweilige Betreiber, sondern der Staat die Zeche zahlt – das prophezeit Paul Ekins, Professor für Ressourcen- und Umweltpolitik am University College London:
"UK Coal ist die größte verbliebene Privatfirma, der es aber immer schlechter geht. Irgendwann ist sie womöglich pleite, und es ist unklar, wer dann die Kosten übernimmt. Vermutlich die Regierung, aber die wird womöglich die Grube nur sichern und ansonsten alles so lassen wie es ist."
Eine Renaissance der britischen Kohle-Industrie ist so gut wie ausgeschlossen. Museumsmann Ceri hat selbst 16 Jahre lang unter Tage geschuftet, was für seine Gesundheit gewiss nicht gut war:
Aber die Kameradschaft der Kumpel, unten im Stollen, die war einzigartig, sagt Ceri noch heute. Der "Miner"-Mythos in Großbritannien lebt weiter.