Zehntausende protestieren gegen TTIP
Zehntausende Menschen demonstrieren in Hannover gegen TTIP, einen Tag vor dem Besuch von US-Präsident Barack Obama. Die Gegner des Handelsabkommens bangen um Umwelt- und Sozialstandards – und kritisieren die geheimen Verhandlungen zwischen den USA und der EU.
Angeführt von einem Treckerkonvoi waren die TTIP-Gegner friedlich durch die Stadt gezogen. Bei der zentralen Kundgebung auf dem Opernplatz schätzten die Polizei rund 40.000, die Veranstalter 90.000 Teilnehmer. Aufgerufen zum Protest hat ein breites gesellschaftliches Bündnis aus Gewerkschaften, Organisationen wie Attac und Campact, Umweltverbänden und Bürgerinitiativen. In ihrer "bunten Bewegung" gebe es keinen Platz für Rechtspopulisten mit dumpfen Anti-Amerika-Parolen, betonen die Organisatoren.
Ökologische und soziale Standards in Gefahr
Die Demonstranten eint das Gefühl, übergangen zu werden. Sie sehen Demokratie, Arbeitnehmerrechte, Umwelt- und soziale Standards in Gefahr, lehnen TTIP ebenso ab wie das bereits ausgehandelte Abkommen CETA zwischen der EU und Kanada.
In Hannover ganz vorne mit dabei: prominente Grünen-Politiker wie die Bundesvorsitzende Simone Peter:
"Ich rufe dem amerikanischen Präsidenten zu, dass wir für Abkommen sind – aber wir wollen transparente, faire, demokratische Verfahren, die nicht durch Schiedsgerichte demokratische Verfahren aushebeln können, die auch die Interessen des globalen Südens mit aufnehmen!"
TTIP-Befürworter versprechen mehr Wachstum, mehr Arbeitsplätze auf beiden Kontinenten, wenn durch den Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen die größte Freihandelszone der Welt mit 800 Millionen Konsumenten entsteht. Das Abkommen mit den USA biete eine große Chance für die Europäer, "auch Standards weltweit zu definieren", sagte Bundeskanzlerin Merkel in ihrem wöchentlichen Internet-Podcast. Vorwürfe mangelnder Transparenz wies die Kanzlerin zurück, zwar hätten die Partner einander Vertraulichkeit zugesichert um die Verhandlungen nicht zu gefährden - doch verschwiegen werde nichts.
Zunehmender Widerstand gegen TTIP
Wachsenden Widerstand gegen TTIP und bereits seit 20 Jahren in Kraft befindliche Abkommen wie NAFTA gibt es auch in den Vereinigten Staaten. Lori Wallach spricht für die einflussreiche Verbraucherschutzorganisation public citizen:
"Wir haben begriffen, dass es bei diesen Abkommen nicht um Freihandel geht, womit wir kein Problem hätten, sondern um Angriffe durch die Hintertür auf den wichtigsten Mechanismus zum Schutz der Verbraucher und der Umwelt. Und sie drücken die Löhne, weil sie die Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer erleichtern. Wegen dieser Erfahrungen gehen immer mehr Amerikaner im US-Vorwahlkampf auf die Straße und sagen: 'Genug damit!' TTIP ist nichts, was Freunde einander antun sollten!"
US-Präsident Obama kommt morgen in die Stadt, um auf der Hannover Messe für TTIP zu werben. Die Zeit drängt, denn Obama wird nur noch bis Ende des Jahres Präsident der Vereinigten Staaten sein – und seine möglichen Nachfolger haben das Thema TTIP weit unten auf die Agenda gesetzt. An das Gewissen Obamas appellieren aber auch viele der Menschen, die in Hannover protestieren.