Paragraf 175 im Kinofilm "Große Freiheit"
"Große Freiheit" erzählt von einem Mann, der wegen seiner Homosexualität erst von den Nationalsozialisten und dann von den Alliierten eingesperrt wird. © Freibeuterfilm / Rohfilm
"Der Nährboden der Homophobie ist immer noch groß"
08:23 Minuten
Ein Strafgesetz brachte bis weit in die Nachkriegszeit hinein Homosexuelle ins Gefängnis. Der Film "Große Freiheit" erzählt davon. Die Gesellschaft sei heute zwar diverser, sagt Regisseur Sebastian Meise, aber noch immer sei ein Outing nicht einfach.
Hans Hoffmann liebt Männer. Während des Krieges wird Hoffmann, gespielt von Franz Rogowski, wegen seiner Homosexualität von den Nationalsozialisten ins Konzentrationslager gesperrt. Kaum von den Alliierten befreit, wird er wegen seiner sexuellen Orientierung erneut verhaftet.
Im repressiven Nachkriegsdeutschland landet Hans dann immer wieder im Gefängnis: Der berüchtigte Paragraf 175, der erst 1994 aus dem Strafgesetzbuch getilgt wurde, macht all seine Hoffnungen auf ein Leben in Freiheit zunichte. Im Gefängnis trifft er auf Viktor (Georg Friedrich), einen verurteilten Mörder. Aus gegenseitiger Abscheu entsteht ausgerechnet mit ihm über die Jahre eine Liebe.
Das Gefängnis als Metapher seines Lebens
Diese Geschichte erzählt der bei den Filmfestspielen in Cannes preisgekrönte Film „Große Freiheit“ des österreichischen Regisseurs Sebastian Meise. Er habe ursprünglich gar nicht vorgehabt, einen Film zu drehen, der über große Strecken im Gefängnis spielt, sagt Meise. Doch sei dies im Film nun sehr passend:
„Es ist eine Metapher auf Hans' ganzes Leben, denn er wird ja ständig verfolgt: In dem Augenblick, in dem er das Gefängnis verlassen hat, ist er ja schon wieder illegal, denn er kann ja gar nicht aufhören, zu sein, was er ist.“
Auf Geschichten wie die von Hans ist der Regisseur zuhauf gestoßen, als er für seinen Film recherchierte: Schwule hätten in Alliierten-Gefängnissen ihre Reststrafe absitzen müssen, weil Amerikaner und Briten in ihren Ländern ähnliche Gesetze gehabt hätten, somit sei die Verurteilung durch die Nazis in ihren Augen rechtens gewesen, berichtet der Regisseur.
Die gesellschaftliche Ächtung dauerte fort
In der Nachkriegsgesellschaft sei es „absolut konsensfähig“ gewesen, männliche Homosexualität als Straftat zu betrachten. Immer wieder seien Versuche gescheitert, den Paragrafen 175 aus dem Gesetzbuch streichen zu lassen.
Doch auch nach Abschaffung des Paragrafen habe die gesellschaftliche Ächtung von Homosexualität fortbestanden, sagt Meise. „Heute in der Schule sein Coming-out zu haben und zu sagen, man ist schwul, ist immer noch nicht so einfach.“ Zwar sei die Gesellschaft heute diverser, und es habe sich viel geändert. „Und trotzdem ist an der Basis der Nährboden der Homophobie immer noch sehr, sehr groß.“