Neue Gesichter der Netzpolitik
Einige Zuständigkeiten sind im neuen Bundeskabinett umverteilt worden, auch die Netzpolitik. Dorothee Bär wird als Staatssekretärin für sie zuständig sein, doch viele Akteure werden sich in ihrem Fachthema einmischen.
In der neuen Bundesregierung wird die Digitalpolitik aufgewertet – und doch bleibt sie zerfasert. Prominent genannt wird sie als Teil des bisherigen Verkehrsministeriums: dessen neuer Chef Alexander Dobrindt, CSU, wird offiziell Minister für Verkehr und Digitale Infrastruktur. Das bedeutet übersetzt, dass er sich in erster Linie darum kümmern soll, dass die Deutschen schnelle Zugänge für das Netz bekommen.
Zuständig dafür ist tatsächlich aber nicht Dobrindt, sondern seine neue Staatssekretärin Dorothee Bär (CSU). Sie ist ein politisches Ziehkind des CSU-Chefs Horst Seehofers und mit der Digitalpolitik durchaus vertraut. Anders als die Innenpolitiker ihrer Partei sprach sie sich zum Beispiel gegen die Vorratsdatenspeicherung aus. Sie gehörte auch zu den Koalitionsverhandlern, die sich um die digitalen Themen kümmern sollten, sagte zum Abschluss:
"Also, in der Unterarbeitsgruppe "Digitale Agenda" ist nie jemand aufgestanden und hat den Saal verlassen – unter dem Absingen schmutziger Lieder. Wir haben uns von Anfang an gut verstanden, auf einer professionellen Ebene. Es gab weder, dass wir uns umarmt haben und es Ringelpiez mit Anfassen gab, noch dass wir uns nicht verstanden hätten und es Komplikationen gegeben hätte. Das war eine angenehme Atmosphäre."
Gute Laune also unter den meist jungen Verhandlern, zu denen auch der neue CDU-Generalsekretär Peter Tauber gehörte. Allerdings mit einigen Abstrichen: Konkret wollten die Verhandler 1 Milliarde Euro aus Bundesmitteln für den Breitbandausbau bereitstellen, doch das Vorhaben fiel dem Sparzwang zum Opfer. Wie nun ein Internetausbau ohne Finanzmittel bewerkstelligt werden soll, dürfte eine der Herausforderungen für Digitalverkehrsminister Alexander Dobrindt und seine Staatssekretärin Dorothee Bär werden.
Die Verhandlungspartnerin auf Seite der Sozialdemokraten war Brigitte Zypries, frühere Justizministerin. Sie soll sich nun unter Sigmar Gabriel im Wirtschaftsministerium speziell um die Belange der Internetwirtschaft kümmern. Zypries ist im Netz bekannt, nicht zuletzt durch einen kleinen Ausrutscher im Jahr 2007. Kinderreporter des ARD-Morgenmagazins fragten Zypries, die kurz zuvor mit dafür gesorgt hatte, dass die umstrittene Vorratsdatenspeicherung eingeführt wurde:
"Nennen Sie doch mal ein paar Browser, die es gibt?"
"Browser, was sind denn jetzt noch mal Browser?"
Hoffen auf Thomas de Maiziére
Inzwischen ist Zypries deutlich netzaffiner geworden, unter anderem saß sie in der vergangenen Legislaturperiode für die Sozialdemokraten in der Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft. Allerdings: als Wirtschaftsfachfrau fiel sie bislang nicht auf. In ihrer neuen Rolle wird sie sich erst noch beweisen müssen.
Während in allen Ressorts digitale Aspekte eine Rolle spielen, gibt es ein Ministerium, das für besonders viele digitale Belange zuständig ist: das Innenministerium. Dorthin kehrt Thomas de Maizière zurück, der sich in seiner ersten Amtszeit als Innenminister ganz besonders für diese Themen interessierte, anders als sein unglücklicher Amtsnachfolger Hans Peter Friedrich.
De Maiziére veranstaltete 2010 eine ganze Reihe von Gesprächen, zu denen er sich die Creme de la Creme der deutschen Netzdiskussion einlud und in kleinem Rahmen über Datenschutz und Datensicherheit, zur Regulierung des Netzes und zur Rolle des Staates diskutierte. Hieran kann der CDU-Politiker de Maiziére anknüpfen, genau wie an die meisten Strukturen im eigenen Haus, die Hans-Peter Friedrich nur wenig antastete. Die Themen sind alle eher noch wichtiger geworden.
Auch Justizminister Heiko Maas ist zuständig
Ebenfalls spannend dürfte ein vierter, irgendwie zuständiger Bereich sein: das Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz. Während bislang der Verbraucherschutz eher als Randzuständigkeit des Agrarministeriums belächelt wurde, ist er nun vermutlich besser aufgehoben. Der kommende Minister Heiko Maas hat Deutschlands obersten Verbraucherschützer Gerd Billen zum Staatssekretär benannt, kein ausgesprochener Digitalaficionado, aber mit den Problemen der digitalen Welt doch durchaus vertraut. Auch für das umstrittene Urheberrecht ist das Justizministerium zuständig, hier wird sich Heiko Maas auch mit der neuen Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, der CDU-Kulturpolitikerin Monika Grütters einigen müssen.
Es ist also kaum zu verheimlichen: die Digitalpolitik der neuen Regierung, sie ist ein bunter Strauß an Zuständigkeiten. Noch während der Koalitionsverhandlungen sagte Brigitte Zypries:
"Wir haben uns heute darauf verständigt, dass wir einen Hauptausschuss einrichten wollen für das Thema 'Digitale Agenda', weil uns bewusst ist, dass die Digitalisierung aller Lebensbereiche wirklich umfassend ist. Wir meinen deshalb, dass das Parlament die entsprechende Arbeit auch hinreichend abbilden soll."
Doch nun wird es kein eigenständiges Digitalministerium geben, und damit wohl auch keinen entsprechenden Digitalausschuss. Viele Köche rühren also zusammen an der Digitalpolitik und, ob das Ergebnis mundet, wird nicht zuletzt davon abhängen, ob die Akteure miteinander sprechen. Ob digital oder ganz analog, das ist dabei zweitrangig: die Chance, dem Zukunftsthema digitales einen eindeutigen Kopf zuzuordnen, ist bereits verschenkt worden.