Große Paul-Klee-Retrospektive in Paris

Die Persiflage zieht sich wie ein roter Faden durch sein Werk

Ausschnitt aus dem Bild "Haupt und Nebenwege" aus dem Jahr 1929 von Paul Klee, das zur Zeit im Pariser Centre Pompidou in der Ausstellung "L‘Ironie à l’oeuvre" zu sehen ist
Ausschnitt aus dem Bild "Haupt und Nebenwege" aus dem Jahr 1929 von Paul Klee, das zur Zeit im Pariser Centre Pompidou in der Ausstellung "L‘Ironie à l’oeuvre" zu sehen ist © © MaxPPP / Annie Viannet / picture alliance / dpa
Von Burkhard Birke |
Nach mehreren Jahrzehnten widmet Paris dem bedeutenden Künstler der Moderne, Paul Klee, wieder eine Retrospektive. "L'Ironie à l’oeuvre" - Ironie am Werk, heißt die Schau, die im Centre Pompidou zu sehen ist.
Ein Geometrieheft geschmückt mit drolligen Fratzen: Schon sehr früh entdeckte Paul Klee seine Liebe zur Graphik, zu Karikatur und Satire. Sein Motto: Die Schönheit zu würdigen, indem er ihre Feinde abbildete.
"Die Ironie war für ihn ein Zugang zur Schönheit, weil der direkte Zugang das Zeichnen und Malen einer schönen Landschaft oder von Helden, wie man es in der Vergangenheit getan hat, für Klee nicht mehr möglich war. Es war für ihn auch nicht mehr zeitgemäß."
Wie ein roter Faden ziehen sich denn Persiflage und das Satirische durch die in sieben Etappen dargestellten Schaffensphasen Klees: Ironie am Werk taufte Kuratorin Angela Lampe vom Centre Pompidou die 230 Ausstellungsstücke umfassende Retrospektive. Held mit Flügeln: Eine Zeichnung eines verunstalteten flügeltragenden römischen Helden oder weiblicher Akt, Gesäß tierartig herausragend und monumental selbstbewusst, als Aquarell mit Kreide: Auch bei den Titeln seiner ersten Kreationen sparte Paul Klee nicht mit Sarkasmus. Immer wieder begegnen einem in die Höhe gestreckte Hinterteile oder Strichmännchen: Die Konfrontation mit Technik und Mechanik sowie seine Erfahrungen bei der Luftwaffe aus dem Ersten Weltkrieg verarbeitete er auf seine Weise. Angela Lampe:
"Die Flugzeuge werden zu Vögeln oder die Vögel werden zu Flugzeugen. Und diese Fusion, dass der lebendige Mechanismus zu einem mechanischen mutiert, ist der Beginn einer großen Auseinandersetzung mit diesem Puppenkörper, mit diesem mechanischen Körper, der ihn also bis Ende der Zwanziger Jahre antreibt."

Klee griff die verschiedensten Stilrichtungen auf

Und vor allem auch seine Zeit am Bauhaus prägte. Klee lehrte in Weimar und später in Dessau. Wie lange dauert es, bis eine Maschine gebären kann? Das fragte Klee einmal ironisch. Sein Genie gebar damals eine Reihe von Gips-, eher an Kasperlefiguren erinnernde kleine Plastiken, darunter ein Selbstporträt, die in Paris seine farbenprächtigen kubistisch inspirierten Bilder nach seiner Tunesienreise 1914 ergänzen. Kubismus, aber auch Expressionismus, Konstruktivismus, Primitivismus und Surrealismus: Wie kaum ein anderer Künstler griff Klee die verschiedensten Stilrichtungen auf seine, die ironische Art auf.
"Man kann sich einfach erfreuen am Reichtum der Motive, an den kleinen Details, die also immer wieder zauberhaft eingeführt sind, vielleicht auch das Format, dass man einen sehr intimen Charakter mit ihm hat. Und dann immer wieder diese kleinen kindlichen Köpfe. Punkt, Komma, Strich – fertig ist das Mondgesicht – dieser kindliche Ansatz, der von Klee natürlich vollkommen reflektiert wird, aber der es vielleicht einfach macht sich daran zu erfreuen."

Zwei Bilder, die Walter Benjamin gehörten, erstmals zusammen

Nur für zwei Monate darf sich der Besucher auch an einer Leihgabe des Israelmuseums erfreuen: "Angelus Novus" ist ein nur 32 auf 24 Zentimeter großes Aquarell mit Ölpause. Dargestellt ist ein Engel, der laut Walter Benjamin, dem Erfinder der Aura in der Kunst, aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Erstmalig ist das Bild seit den 30er-Jahren im Dialog mit der "Vorführung des Wunders" zu sehen, einem Bild, das früher ebenfalls Benjamin gehörte. Zweifelsohne ein Höhepunkt der Ausstellung neben den Werken, die vom zwiespältigen Verhältnis des Malers zu seinem Zeitgenossen Pablo Picasso geprägt sind. Kuratorin Angela Lampe:
"Bei Klee kann man feststellen, wie diese Begegnung mit Picasso einen neuen Maßstab mit sich bringt, das heißt seine Formate werden größer und man findet immer mehr diese Frauenfiguren, die typisch sind für Picasso und die jetzt auch bei Klee auftauchen in einem großen Format und man sieht wie er die Körper zerteilt, wie die Augen sich verdoppeln, wie die Nase nach links abdriftet, also man sieht diese ganzen Idiome, die Picasso erfunden hat, und die jetzt bei Klee auftauchen, Ich würde auch nicht sagen, das ist imitiert, es wird parodiert, es wird einfach noch kritischer nach dem Besuch von Picasso."
Picasso hatte den bereits schwer von Sklerodermie, der harten Haut-Krankheit befallenen Klee 1937 in Bern drei Stunden warten lassen. Pünktlichkeit war offenbar nicht unbedingt eine Tugend des Spaniers.
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