Großer Künstler mit Bodenhaftung
Am 8. Februar 1935 starb der deutsche Maler Max Liebermann im 88. Lebensjahr. Damit war nicht nur der letzte Vertreter des deutschen Impressionismus, sondern auch der letzte Grand Seigneur des glanzvollen "Dreigestirns der Kunst" des wilhelminischen Berlin von der Bildfläche verschwunden. Die Kulturbarbarei der Nationalsozialisten konnte ihren Lauf nehmen. In Max Liebermann verbanden sich deutsche Arbeitsdisziplin und Nüchternheit mit internationaler Eleganz und mit einem Hauch französischen Dandytums, jüdische Weltoffenheit mit preußischer Sachlichkeit und deftigem Berliner Humor. Der Impressionist Liebermann hinterließ unverwechselbare Bilder seiner Epoche, streng komponiert aus Beobachtung und Inspiration, reinem Licht und funkelnder Farbe.
"Ohne Stürme ist mein Leben dahin gegangen, wenigstens ohne äußerlich sichtbare. Mein Leben ist und war Mühe und Arbeit, und ich glaube, dass ich mit meinem Pfunde gewuchert habe."
So schrieb Max Liebermann 1911 an den Leiter der Bremer Kunsthalle Gustav Pauli. Der 64-jährige hatte damals den Zenit des Ruhms erreicht. Zusammen mit den Malerfürsten Max Slevogt und Lovis Corinth gehörte er zum leuchtenden Dreigestirn der Berliner Kunst und leitete die "Berliner Secession".
"Kunst kommt von Können und nicht von Wollen. Sonst hieße sie Wunst!"
Dieses Wort gehört zu den bekanntesten Bonmots des preußischen Juden Liebermann. 1847 als Sohn eines Berliner Kattun-Fabrikanten geboren, stieß sein jugendlicher Wunsch Maler zu werden, im Elternhaus auf Ratlosigkeit. Dennoch verfolgte Max seine Idee beharrlich gegen alle Widerstände. Freilich waren die ersten Kritiken niederschmetternd. Die "Berliner Illustrierte" 1886:
"Naturalisten wie Herr Liebermann wenden sich von dem, was jeden natürlichen Menschen erfreut, ab und mit desto größerer Hingabe dem Widrigen und Hässlichen zu, dem wir im Leben so gern aus dem Weg gehen ..."
Was war es, dem die wilhelminische Gesellschaft "so gern aus dem Wege gehen" wollte? Dies wird schon klar, wenn man die Titel von Liebermanns Gemälden aufzählt, die seinen Ruhm in Deutschland und Frankreich begründeten:
"Gänse-Rupferinnen, Schusterwerkstatt, Altmännerhaus, Amsterdamer Waisenmädchen, Netzeflickerinnen, Flachsscheuer, Am Backofen, Frau mit Ziege ..."
Liebermann sah nicht nur das "Hässliche" der sozialen Unterschiede, es zog ihn hin zur Einfachheit der Arbeiter, Handwerker und Bauern. Dabei war er nie ein sogenannter engagierter Künstler. Es ging ihm immer auch ums Hohe, Genialische. Doch der wahrhaft große Künstler sollte gefälligst ein guter Handwerker sein und nie die Bodenhaftung verlieren:
"Jedes Genie wird als Virtuose in seiner Kunst geboren. Seine Fantasie entzündet sich erst an den spezifischen Ausdrucksmitteln der Kunst, und zwar desto mehr, je naiver er ist, je größer das ihm von der Natur in die Wiege gelegte Geschenk ist."
Ein einziges Mal nur war er im Gelobten Land der Malerei, in Italien, doch schon in Venedig machte er kehrt. Stattdessen fuhr er fast alljährlich nach Holland. Darauf angesprochen, pflegte er lakonisch zu erwidern:
"Italien? - Nee, det ist mir zu pittoresk."
Der Impressionist Liebermann arbeitete in einem verglasten Atelier am Brandenburger Tor. Er zog der bräunlichen akademischen Malkultur eine frische, luftige, weiche Farbbehandlung vor. Und auch ganz oben angekommen, blieb er kritisch. 1897, zum 50. Geburtstag, wurde er hoch geehrt, für seine eher am französischen Stil orientierte Malerei erhielt er eine Große Preußische Medaille. Doch als er ein Jahr später vorschlug, Käthe Kollwitz für ihren revolutionären Zyklus "Der Weberaufstand" eine goldene Medaille zu geben, lehnte der Kaiser ab.
Auch antisemitische Anfeindungen gab es. Immer wieder wurde er verunglimpft als "Vertreter des spezifischen Judengeistes von Berlin", mit dem "französischen Erbfeind im Bunde". Dabei verstand sich Liebermann als deutscher, insbesondere als Urberliner Maler. Anlässlich eines Vortrags zu den Berliner Goethe-Feiern im Jahre 1932 widersprach er Goethes Klage, dass in Preußen Poesie durch Geschichte und das Allgemein-Menschliche durchs Vaterländische verdrängt werde.
"Mich sollte es freuen, wenn wir einen charakteristischen Kunstsinn besäßen, durch welchen wir Deutsche dahin kommen, Kunstwerke hervorzubringen, in welchen man uns selbst sähe."
1933 erhielt Liebermann Arbeitsverbot; die Preußische Akademie der Künste beschloss, keine Werke jüdischer Künstler mehr auszustellen. Darauf erklärte er seinen Austritt aus der Akademie. Sein Kommentar auf die Nationalsozialisten:
"Ick kann jar nich soville fressen, wie ick kotzen könnte."
Ab da gehörte es zum guten deutschen Ton, jemanden wie Liebermann zu meiden. Als er am 8. Februar 1935 starb, folgten nur wenige Getreue seinem Sarg.
So schrieb Max Liebermann 1911 an den Leiter der Bremer Kunsthalle Gustav Pauli. Der 64-jährige hatte damals den Zenit des Ruhms erreicht. Zusammen mit den Malerfürsten Max Slevogt und Lovis Corinth gehörte er zum leuchtenden Dreigestirn der Berliner Kunst und leitete die "Berliner Secession".
"Kunst kommt von Können und nicht von Wollen. Sonst hieße sie Wunst!"
Dieses Wort gehört zu den bekanntesten Bonmots des preußischen Juden Liebermann. 1847 als Sohn eines Berliner Kattun-Fabrikanten geboren, stieß sein jugendlicher Wunsch Maler zu werden, im Elternhaus auf Ratlosigkeit. Dennoch verfolgte Max seine Idee beharrlich gegen alle Widerstände. Freilich waren die ersten Kritiken niederschmetternd. Die "Berliner Illustrierte" 1886:
"Naturalisten wie Herr Liebermann wenden sich von dem, was jeden natürlichen Menschen erfreut, ab und mit desto größerer Hingabe dem Widrigen und Hässlichen zu, dem wir im Leben so gern aus dem Weg gehen ..."
Was war es, dem die wilhelminische Gesellschaft "so gern aus dem Wege gehen" wollte? Dies wird schon klar, wenn man die Titel von Liebermanns Gemälden aufzählt, die seinen Ruhm in Deutschland und Frankreich begründeten:
"Gänse-Rupferinnen, Schusterwerkstatt, Altmännerhaus, Amsterdamer Waisenmädchen, Netzeflickerinnen, Flachsscheuer, Am Backofen, Frau mit Ziege ..."
Liebermann sah nicht nur das "Hässliche" der sozialen Unterschiede, es zog ihn hin zur Einfachheit der Arbeiter, Handwerker und Bauern. Dabei war er nie ein sogenannter engagierter Künstler. Es ging ihm immer auch ums Hohe, Genialische. Doch der wahrhaft große Künstler sollte gefälligst ein guter Handwerker sein und nie die Bodenhaftung verlieren:
"Jedes Genie wird als Virtuose in seiner Kunst geboren. Seine Fantasie entzündet sich erst an den spezifischen Ausdrucksmitteln der Kunst, und zwar desto mehr, je naiver er ist, je größer das ihm von der Natur in die Wiege gelegte Geschenk ist."
Ein einziges Mal nur war er im Gelobten Land der Malerei, in Italien, doch schon in Venedig machte er kehrt. Stattdessen fuhr er fast alljährlich nach Holland. Darauf angesprochen, pflegte er lakonisch zu erwidern:
"Italien? - Nee, det ist mir zu pittoresk."
Der Impressionist Liebermann arbeitete in einem verglasten Atelier am Brandenburger Tor. Er zog der bräunlichen akademischen Malkultur eine frische, luftige, weiche Farbbehandlung vor. Und auch ganz oben angekommen, blieb er kritisch. 1897, zum 50. Geburtstag, wurde er hoch geehrt, für seine eher am französischen Stil orientierte Malerei erhielt er eine Große Preußische Medaille. Doch als er ein Jahr später vorschlug, Käthe Kollwitz für ihren revolutionären Zyklus "Der Weberaufstand" eine goldene Medaille zu geben, lehnte der Kaiser ab.
Auch antisemitische Anfeindungen gab es. Immer wieder wurde er verunglimpft als "Vertreter des spezifischen Judengeistes von Berlin", mit dem "französischen Erbfeind im Bunde". Dabei verstand sich Liebermann als deutscher, insbesondere als Urberliner Maler. Anlässlich eines Vortrags zu den Berliner Goethe-Feiern im Jahre 1932 widersprach er Goethes Klage, dass in Preußen Poesie durch Geschichte und das Allgemein-Menschliche durchs Vaterländische verdrängt werde.
"Mich sollte es freuen, wenn wir einen charakteristischen Kunstsinn besäßen, durch welchen wir Deutsche dahin kommen, Kunstwerke hervorzubringen, in welchen man uns selbst sähe."
1933 erhielt Liebermann Arbeitsverbot; die Preußische Akademie der Künste beschloss, keine Werke jüdischer Künstler mehr auszustellen. Darauf erklärte er seinen Austritt aus der Akademie. Sein Kommentar auf die Nationalsozialisten:
"Ick kann jar nich soville fressen, wie ick kotzen könnte."
Ab da gehörte es zum guten deutschen Ton, jemanden wie Liebermann zu meiden. Als er am 8. Februar 1935 starb, folgten nur wenige Getreue seinem Sarg.