Großer Künstler und hoher Diplomat

Von Anette Schneider |
Peter Paul Rubens. Hauptvertreter des flämischen Barocks, war nicht nur gut verdienender und beliebter Maler, sondern auch erfolgreicher Diplomat. Das Von der Heydt-Museum Wuppertal nähert sich seinem Schaffen mit einer großen Bilderschau.
Es herrscht Krieg im Von Der Heydt Museum: An den Wänden des langen Flures, der zu den Ausstellungsräumen führt, schlagen Landsknechte Bauern die Köpfe ab, rädern sie, hängen sie an Bäumen auf. Die Szenen stammen aus Jacques Callots Grafik-Folge "Die Schrecken des Krieges". An der linken Wand sieht man sie ins Riesige vergrößert, auf der rechten Seite hängen die kleinformatigen Originale.

Callot, Zeitgenosse von Rubens, schilderte den Dreißigjährigen Krieg, und damit den Kampf von Adel und gegenreformatorischer Kirche gegen das aufstrebende, zumeist protestantische Bürgertum auf atemraubende Weise, und in aller realistischen Brutalität. Dieser großartige Auftakt bildet gleichsam die Basis, von der aus sich die Ausstellung Rubens nähert. Museums- und Ausstellungsleiter Gerhard Finkh:

"Er war ja nicht nur der weltbedeutendste Künstler. Sondern er war ein Diplomat von hohen Graden. Er hat immer wieder versucht, Frieden herzustellen, zum Beispiel zwischen den südlichen und den nördlichen Niederlanden. Oder zwischen Frankreich und Spanien. Und geglückt ist es ihm, einen Frieden zwischen Spanien und England herzustellen."

So versammelt die chronologisch aufgebaute Ausstellung Ölskizzen, Grafiken und Gemälde aus allen Schaffensjahren. Ausführliche Raum- und Bildtexte liefern historische Zusammenhänge, bieten Werkinterpretationen an, und erzählen vom Leben des 1577 geborenen und 1640 gestorbenen Malers, der zu den reichsten seiner Zeit gehörte:

"Er hat das große Wohlwollen des spanischen Stadthalters in Brüssel. Die machen ihn zu ihrem Hofmaler. Er wird von den Steuern befreit, kann eine große Werkstatt leiten, zum Teil bis zu 100 Mitarbeiter in der Werkstatt, und so kann er jetzt also groß Aufspielen."

Die Ausstellung führt das vor: Trotz Krieg und Elend steht man im ersten Saal plötzlich vor drei raumhohen Fassaden der Rubenschen Palazzi, in denen er Herzöge und Könige empfing. Dazwischen hängt ein skeptisch in die Welt blickendes Selbstporträt, sowie geistige Vorbilder: Unter der Knute der vernunftfeindlichen Gegenreformation setzte Rubens vor allem auf den Stoizismus Senecas, so Gerhard Finkh.

"Ihn hat besonders interessiert die antike Philosophie der Spätzeit, in der die ersten Philosophen überlegt haben, ob es überhaupt einen Gott oder Götter gibt. ... Und vor diesem humanistischen Hintergrund, der von vielen Leuten in Antwerpen geteilt wurde, - da waren sehr viele Reiche, Intellektuelle, die ihn da gestützt haben, - vor diesem Hintergrund wagt er sich auf die politische Bühne."

Natürlich malte er auch ihre Vertreter: Auf herrschaftlichem Format sieht man die spanischen Statthalter, die wichtigsten Kirchenvertreter, die führenden Feldherren. Sie bildeten Rubens gesellschaftliches Umfeld. Ihren ästhetischen Vorstellungen folgend, schuf er für Bilder mit Allegorien, mythologischen und christlichen Themen.

Die Allegorie "Krieg und Frieden", die während seiner Friedensverhandlungen in England entstand, bildet das Zentrum der Ausstellung. Zwar handelt es sich nur um eine Kopie des Kampfes zwischen Mars und Minerva, doch veranschaulichen Ölskizzen und Grafiken die Entstehung des Bildes. Und in Briefen berichtet Rubens von den Gesprächen zwischen ihm und dem König;

"Diese Gespräche sind begleitet von Malerei. Also: Rubens fängt an, malt da mal ‘ne schöne nackte Frau - und der König sagt: "Oh, das ist ja interessant schon mal". Aber dann kommt eben zu dieser nackten Frau, die sich dann als Venus herausstellt, der Kriegsgott Mars hinzu, also die Bedrohung. Und dann kommt die Minerva, die den Kriegsgott fern hält. Und Rubens sagt: "Wenn jetzt Friede wäre, wenn diese ... Venus hier jetzt sitzen könnte ganz in Ruhe, dann könnten da die Kinder spielen. Und dann malt er die Kinder dazu, die da spielen."

Sehr abgehoben von der Wirklichkeit ist das, und sehr elitär - so wie es die Auftraggeber und Adressaten der Bilder waren. Zu denen gehörte auch die katholische Kirche. Vielen gilt Rubens deshalb als Maler der Gegenreformation. Gerhard Finkh dagegen meint, Rubens hätte seine Bilder oft durch Verweise auf die Antike rational geerdet:

"Zum Beispiel baut er in den bethleheminischen Kindermord die Laokoon-Gruppe. Also eine heidnische Gruppe wird da plötzlich zum Gemetzel im kirchlichen Zusammenhang. ... Das sind schon so diplomatische und rhetorische Tricks die er nutzt, um diese religiöse Wut irgendwie zu besänftigen, oder zu moderieren. Das ist unglaublich spannend. Aber das ist natürlich genau auch der Punkt, wo Rubens am Schwierigsten ist. Das muss man ehrlicherweise auch gestehen. Das jetzt genau auseinander zu klauben in den Bildern ist kompliziert."

Das war es - ganz bewusst - schon zu Rubens Zeiten. Schließlich richteten sich Rubens Bilder an die herrschende Elite: Nur sie konnte die Personage aus Mythologie, Antike und Christentum, sowie die in ihr enthaltenen Anspielungen auf politische Zeitgenossen entschlüsseln. So verdeutlicht die engagierte Ausstellung vor allem, wie weit entfernt all dies vom Leid der Bevölkerung war. Denn wenn man sie verlässt, steht man wieder inmitten des Kriegsgemetzels Jacques Callots'. Und plötzlich weiß man sehr genau, weshalb die Herrscher Rubens zu ihrem bestbezahltesten Maler machten - und nicht einen wie den Franzosen, der zeigte, wie es wirklich war.
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