Großer Kulturschaffender, aber schrecklicher Intellektueller
Die kroatische Autorin Dubravka Ugresic hat Peter Handke als großen Schriftsteller bezeichnet und gleichzeitig heftig kritisiert. Im Deutschlandradio Kultur sagte sie, mit seinen Sympathiebekundungen gegenüber Serbiens Ex-Diktator Slobodan Milosevic habe Handke all diejenigen verletzt, die sich gegen Milosevic engagiert hatten. Zugleich unterstütze Handke mit seinen Äußerungen Kriminelle, die serbische Mafia und Nationalisten.
Lesen Sie im Folgenden Auszüge aus dem Interview mit Dubravka Ugresic:
Albath: Heimatverlust, Emigration und die Notwendigkeit der Erinnerung - darum geht es in dem jüngsten Roman "Das Ministerium der Schmerzen" der kroatischen Schriftstellerin Dubravka Ugresic. Wegen ihrer kritischen Haltung zu Kroatien wurde sie Anfang der 90er Jahre Opfer einer Hetzkampagne: man beschimpfte sie in Zeitungen als "Hexe" und Nestbeschmutzerin. Dabei hatte man ihr kurz zuvor noch den wichtigsten jugoslawischen Literaturpreis überreicht. 1993 verließ Ugresic den Balkan. Seitdem ist sie viel unterwegs, war in Berlin und den USA und ist inzwischen in Amsterdam Zuhause. In diesem Sommer hat Dubravka Ugresic die Samuel-Fischer-Gastprofessur an der Freien Universität Berlin inne.
Frau Ugresic, in den vergangenen Wochen war in deutschen Feuilletons wieder viel vom Balkankrieg die Rede, denn es gab großen Streit um Peter Handke und die letztendlich gescheiterte Vergabe des Düsseldorfer Heinrich-Heine-Preises. Vor einigen Tagen verteidigte Peter Handke im Interview mit dem russischen Fernsehen und mit der kroatischen Zeitschrift Globus noch einmal den serbischen Ex-Präsidenten Milosevic mit den Worten, er habe von den Massakern in Srebrenica nichts gewusst und trage keine Verantwortung.
Sie haben Milosevic vor dem Den Haager Tribunal erlebt. Wie nehmen Sie diese Äußerungen Handkes zu Milosevic und Ex-Jugoslawien wahr? Ärgert Sie diese Parteinahme?
Ugresic: Da muss ich zunächst einmal sagen, dass ich Peter Handke als großen Kulturschaffenden zu würdigen wissen würde und dass Peter Handke ein großer Kulturschaffender ist, dem natürlich an sich keine Preise aberkannt werden sollten, dem sie nicht verwehrt werden sollten, dem die wichtige Position nicht verwehrt werden sollte, die er inne hat.
Aber als politischer Kommentator, als politischer Denker und Intellektueller ist er einfach nur schrecklich, und das, was er uns angetan hat mit seinen Äußerungen, kann man wirklich als eine Art von Verbrechen begreifen. Man muss sehen, dass seine Äußerungen über Serbien eigentlich einer Art groß-feudalistischer Haltung entspringen, einer Art kolonialem Denken mit dem er das wilde, primitive Serbien stützt.
Ich verstehe es eventuell so, dass Peter Handke mit seinen Äußerungen gegen den Mainstream in Deutschland, gegen den Mainstream der deutschen Intellektuellen angehen wollte. Er wollte eventuell mit dieser Geste sich gegen die Kulturschaffenden richten, die ja hauptsächlich einer anderen Meinung sind in Deutschland. Er will eventuell gegen die deutschen Medien, gegen die deutsche Intellektuellen-Szene, von denen ja der allergrößte Teil gegen Milosevic eingestellt war und ist...
Gleichzeitig ist das, was er getan hat, eine schlimme Verletzung für all diejenigen gewesen, die sich seit Jahren gegen das Regime Milosevic engagiert hatten, gegen all diejenigen, die täglich freiwillig gegen ihn auf die Straße gegangen sind. Nun richtet sich also Peter Handke mit seinen Aktionen gegen diese Menschen, die so lange schon gekämpft haben im Kampf gegen Milosevic, und damit unterstützt er gleichzeitig Kriminelle in Serbien, damit unterstützt er die serbische Mafia und alle Nationalisten und all diejenigen, die wirklich rückwärtsgewandt denken in Serbien.
Allerdings muss man auf der anderen Seite ja auch sehen, dass Peter Handke hier kein sehr großes Risiko eingeht, er spielt ein kleines Spiel, es ist kein selbstmörderisches Spiel, dass er hier spielt, denn Milosevic war ja im Grunde schon tot, als er nach Den Haag überstellt wurde. Und die Aktionen, die Peter Handke hier durchgeführt hat, die zeigen, dass er nicht so tapfer ist, wie er sich vielleicht selber gerne darstellen möchte.
Wenn er ein wirkliches Risiko hätte eingehen wollen, dann hätte er ganz andere Gesten folgen lassen können. Er hat sich schließlich nicht für Bin Laden ausgesprochen oder für die Zerstörung der Twin Towers in New York, er hat also keine großen Gesten hier folgen lassen, es sieht nach einer kleinen Geste aus, mit der er aber in großem Umfang die Gefühle aller Intellektuellen in Serbien und im ehemaligen Jugoslawien verletzt hat, die sich gegen das Regime von Milosevic engagiert haben.
Peter Handke ist eigentlich gar kein Sonderfall, eigentlich ist er nur eine Metapher für das Verhalten vieler Intellektueller im ehemaligen Jugoslawien, aber auch im Ausland. Im Grunde ist es eine kurze Geschichte der Scham und der Kompromisse der Politik und der Politiker.
Sie können das vollständige Interview mit Dubravka Ugresic für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Player hören.
Albath: Heimatverlust, Emigration und die Notwendigkeit der Erinnerung - darum geht es in dem jüngsten Roman "Das Ministerium der Schmerzen" der kroatischen Schriftstellerin Dubravka Ugresic. Wegen ihrer kritischen Haltung zu Kroatien wurde sie Anfang der 90er Jahre Opfer einer Hetzkampagne: man beschimpfte sie in Zeitungen als "Hexe" und Nestbeschmutzerin. Dabei hatte man ihr kurz zuvor noch den wichtigsten jugoslawischen Literaturpreis überreicht. 1993 verließ Ugresic den Balkan. Seitdem ist sie viel unterwegs, war in Berlin und den USA und ist inzwischen in Amsterdam Zuhause. In diesem Sommer hat Dubravka Ugresic die Samuel-Fischer-Gastprofessur an der Freien Universität Berlin inne.
Frau Ugresic, in den vergangenen Wochen war in deutschen Feuilletons wieder viel vom Balkankrieg die Rede, denn es gab großen Streit um Peter Handke und die letztendlich gescheiterte Vergabe des Düsseldorfer Heinrich-Heine-Preises. Vor einigen Tagen verteidigte Peter Handke im Interview mit dem russischen Fernsehen und mit der kroatischen Zeitschrift Globus noch einmal den serbischen Ex-Präsidenten Milosevic mit den Worten, er habe von den Massakern in Srebrenica nichts gewusst und trage keine Verantwortung.
Sie haben Milosevic vor dem Den Haager Tribunal erlebt. Wie nehmen Sie diese Äußerungen Handkes zu Milosevic und Ex-Jugoslawien wahr? Ärgert Sie diese Parteinahme?
Ugresic: Da muss ich zunächst einmal sagen, dass ich Peter Handke als großen Kulturschaffenden zu würdigen wissen würde und dass Peter Handke ein großer Kulturschaffender ist, dem natürlich an sich keine Preise aberkannt werden sollten, dem sie nicht verwehrt werden sollten, dem die wichtige Position nicht verwehrt werden sollte, die er inne hat.
Aber als politischer Kommentator, als politischer Denker und Intellektueller ist er einfach nur schrecklich, und das, was er uns angetan hat mit seinen Äußerungen, kann man wirklich als eine Art von Verbrechen begreifen. Man muss sehen, dass seine Äußerungen über Serbien eigentlich einer Art groß-feudalistischer Haltung entspringen, einer Art kolonialem Denken mit dem er das wilde, primitive Serbien stützt.
Ich verstehe es eventuell so, dass Peter Handke mit seinen Äußerungen gegen den Mainstream in Deutschland, gegen den Mainstream der deutschen Intellektuellen angehen wollte. Er wollte eventuell mit dieser Geste sich gegen die Kulturschaffenden richten, die ja hauptsächlich einer anderen Meinung sind in Deutschland. Er will eventuell gegen die deutschen Medien, gegen die deutsche Intellektuellen-Szene, von denen ja der allergrößte Teil gegen Milosevic eingestellt war und ist...
Gleichzeitig ist das, was er getan hat, eine schlimme Verletzung für all diejenigen gewesen, die sich seit Jahren gegen das Regime Milosevic engagiert hatten, gegen all diejenigen, die täglich freiwillig gegen ihn auf die Straße gegangen sind. Nun richtet sich also Peter Handke mit seinen Aktionen gegen diese Menschen, die so lange schon gekämpft haben im Kampf gegen Milosevic, und damit unterstützt er gleichzeitig Kriminelle in Serbien, damit unterstützt er die serbische Mafia und alle Nationalisten und all diejenigen, die wirklich rückwärtsgewandt denken in Serbien.
Allerdings muss man auf der anderen Seite ja auch sehen, dass Peter Handke hier kein sehr großes Risiko eingeht, er spielt ein kleines Spiel, es ist kein selbstmörderisches Spiel, dass er hier spielt, denn Milosevic war ja im Grunde schon tot, als er nach Den Haag überstellt wurde. Und die Aktionen, die Peter Handke hier durchgeführt hat, die zeigen, dass er nicht so tapfer ist, wie er sich vielleicht selber gerne darstellen möchte.
Wenn er ein wirkliches Risiko hätte eingehen wollen, dann hätte er ganz andere Gesten folgen lassen können. Er hat sich schließlich nicht für Bin Laden ausgesprochen oder für die Zerstörung der Twin Towers in New York, er hat also keine großen Gesten hier folgen lassen, es sieht nach einer kleinen Geste aus, mit der er aber in großem Umfang die Gefühle aller Intellektuellen in Serbien und im ehemaligen Jugoslawien verletzt hat, die sich gegen das Regime von Milosevic engagiert haben.
Peter Handke ist eigentlich gar kein Sonderfall, eigentlich ist er nur eine Metapher für das Verhalten vieler Intellektueller im ehemaligen Jugoslawien, aber auch im Ausland. Im Grunde ist es eine kurze Geschichte der Scham und der Kompromisse der Politik und der Politiker.
Sie können das vollständige Interview mit Dubravka Ugresic für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Player hören.