"Großmeister der die Gäste erübrigenden Frage"
Werner Höfer, der heute 100 Jahre geworden wäre, prägte mit seinem Internationalen Frühschoppen lange Zeit den Stil politischer Talkshows im Fernsehen. Heute jedoch führten ähnliche Formate in der ARD und auf Phoenix nur noch ein Nischendasein, sagt der TV-Produzent Friedrich Küppersbusch.
Christine Watty: Was für ein Verständnis von Nachkriegs- und Bildungsbürgerdeutschland eines gemütlichen Sonntages! Ab 1953 nämlich hieß es da gegen Mittag erst mal: Ab vor die Glotze und "Internationalen Frühschoppen" schauen, bevor dann das sonntägliche Festmahl auf den Tisch kam! Gastgeber im Fernsehen: Werner Höfer. Heute wäre er 100 Jahre alt geworden.
Und auf seinen Umgang mit seiner Vergangenheit und damit auch das Ende seiner Karriere kommen wir noch. Zunächst aber wollen wir uns mit dem Medienexperten und Journalisten Friedrich Küppersbusch noch mal an den Tresen des "Internationalen Frühschoppen" setzen! Es ist ein bisschen früh für Frühschoppen und uns fehlen natürlich – und so wäre das auch noch in drei Stunden – Aschenbecher und Weiswein fürs Gespräch. Aber versetzen wir uns beziehungsweise Sie, Herr Küppersbusch, doch noch mal in die "Frühschoppen"-Zeit: An was erinnern Sie sich, wenn Sie an den "Internationalen Frühschoppen" mit Werner Höfer denken?
Friedrich Küppersbusch: Also, dass es ganz unklug war, meine schrecklichen Fieberschübe, die ich als Kind manchmal hatte, sonntagmittags zu kriegen, weil Dr. Grimmetbauer 24 Stunden an sieben Tagen Hausbesuche machte und das ganze Viertel wusste: außer Sonntagmittag zwölf Uhr. Das heißt, ich kannte das Format sozusagen pränatal, das wusste man überall schon, "Frühschoppen" war so gesetzt und war ja auch direkt nach der Messe. Also die Idee: Nach dem Gottesdienst gehen die Herren der Schöpfung – Frauen … heute redet man von Julia Dingwort-Nusseck und den Journalistinnen, Kolleginnen, die da waren, tatsächlich waren das Kittelschürzenständer, die trugen diesen Weißwein da rein und hatten nicht zu stören –, die Männer gingen in die Kneipe und schwadronierten. Und das gab es dann eben auch ja im Grunde schon vor meiner Geburt seit den frühen 50er-Jahren, erst im Radio und dann auch sehr schnell im Fernsehen.
Watty: Wir finden ja aus heutiger Sicht schräg und avantgardistisch, dass da Leute sitzen und die reden über Politik und die trinken und rauchen.
Küppersbusch: Ja.
Watty: Aus der damaligen Sicht, was war denn daran das revolutionäre oder moderne Ding an diesem "Internationalen Frühschoppen"?
Küppersbusch: Das Internationale in der Tat. Also, das Vorbild war NBC News in den Vereinigten Staaten seit den 40er-Jahren bereits, auch eine Radiosendung, "Meet the Press", wo eben ein wichtiger Entscheider, ein Politiker eingeladen war, mit führenden Journalisten zu diskutieren. Das Format gibt es in der Tat heute noch. Das ist dann inzwischen bei NBC das älteste Fernsehformat der Welt. Und Werner Höfers Ansatz war, oder der Kollegen vom NWDR damals, war der zu sagen, lass uns mal, nun gerade uns Deutsche nicht so wichtig nehmen, lass uns einen internationalen Gesprächskreis daraus machen.
Deswegen ist es sicherlich kein Zufall, dass die berühmteste Ausgabe vom "Frühschoppen" nicht von Werner Höfer, sondern von Loriot moderiert ist, wo es um die Nudel als Bindeglied der EWG geht, die europäische Teigwarenkrise. Das wird ja heute von Volksbühnen als Schwank in der Stadthalle nachgespielt. Es war sehr viel europäischer, als wir auch heute im Journalismus leider inzwischen wieder geworden sind. Damals war Deutschland, was diese journalistische Haltung angeht, vielleicht ein bisschen demütiger, ein bisschen mehr auf die Nachbarn orientiert – logischerweise in der Epoche.
Watty: Welche Rolle hat denn damit auch Werner Höfers "Internationaler Frühschoppen" für die politische Bildung der frühen Bundesrepublik gespielt? War das eine demokratische Institution, wie man dann später auch noch gesagt hat, eine frühe Form der modernen Gesprächskultur, die quasi dieses Format gezeigt hat?
Küppersbusch: Den Nachbarn zuhören, das war eine Botschaft, die man vorher, bis 45, in Deutschland nicht kannte, logisch. Die Gesprächskultur von Werner Höfer … Er war halt schon ein Großmeister der die Gäste erübrigenden Frage. Der konnte wie auch Günter Gaus in seiner Weise, er konnte so kluge Fragen stellen, die so viel konnte, dass man so, hoffentlich stört jetzt nicht jemand mit einer Antwort. Eine typische Höfer-Wendung war: Meine Herren, ich weiß, Sie sind befreundet, dann streiten Sie ruhig weiter. Also der Gentleman, später sagte man, der Herrenreiter, der so am lodernden Kaminfeuer sagte, na ja, ein bisschen Schattenfechten dürft ihr hier machen, es ist keine Boxbude. Das unterscheidet sich sicherlich heute, wenn Moderatoren denken, also, wenn die sich nicht gleich anschreien, dann habe ich eine schlechte Quote. Das war Höfers Denken da nicht.
Watty: Aber dann ging es also um eine Form der Gesprächskultur. Aber war das auch wirklich inhaltlich gehaltvoll? Man hat ja Höfer auch immer vorgeworfen eben, dass er viel zu viel redet und dass er dann sich auch wirklich schnell einmischt, wenn zwei Leute miteinander ins Gespräch kommen und womöglich auch anfangen zu diskutieren. Hat man denn auch wirklich Inhalte vermittelt bekommen oder war es dann schon Show auch?
Und auf seinen Umgang mit seiner Vergangenheit und damit auch das Ende seiner Karriere kommen wir noch. Zunächst aber wollen wir uns mit dem Medienexperten und Journalisten Friedrich Küppersbusch noch mal an den Tresen des "Internationalen Frühschoppen" setzen! Es ist ein bisschen früh für Frühschoppen und uns fehlen natürlich – und so wäre das auch noch in drei Stunden – Aschenbecher und Weiswein fürs Gespräch. Aber versetzen wir uns beziehungsweise Sie, Herr Küppersbusch, doch noch mal in die "Frühschoppen"-Zeit: An was erinnern Sie sich, wenn Sie an den "Internationalen Frühschoppen" mit Werner Höfer denken?
Friedrich Küppersbusch: Also, dass es ganz unklug war, meine schrecklichen Fieberschübe, die ich als Kind manchmal hatte, sonntagmittags zu kriegen, weil Dr. Grimmetbauer 24 Stunden an sieben Tagen Hausbesuche machte und das ganze Viertel wusste: außer Sonntagmittag zwölf Uhr. Das heißt, ich kannte das Format sozusagen pränatal, das wusste man überall schon, "Frühschoppen" war so gesetzt und war ja auch direkt nach der Messe. Also die Idee: Nach dem Gottesdienst gehen die Herren der Schöpfung – Frauen … heute redet man von Julia Dingwort-Nusseck und den Journalistinnen, Kolleginnen, die da waren, tatsächlich waren das Kittelschürzenständer, die trugen diesen Weißwein da rein und hatten nicht zu stören –, die Männer gingen in die Kneipe und schwadronierten. Und das gab es dann eben auch ja im Grunde schon vor meiner Geburt seit den frühen 50er-Jahren, erst im Radio und dann auch sehr schnell im Fernsehen.
Watty: Wir finden ja aus heutiger Sicht schräg und avantgardistisch, dass da Leute sitzen und die reden über Politik und die trinken und rauchen.
Küppersbusch: Ja.
Watty: Aus der damaligen Sicht, was war denn daran das revolutionäre oder moderne Ding an diesem "Internationalen Frühschoppen"?
Küppersbusch: Das Internationale in der Tat. Also, das Vorbild war NBC News in den Vereinigten Staaten seit den 40er-Jahren bereits, auch eine Radiosendung, "Meet the Press", wo eben ein wichtiger Entscheider, ein Politiker eingeladen war, mit führenden Journalisten zu diskutieren. Das Format gibt es in der Tat heute noch. Das ist dann inzwischen bei NBC das älteste Fernsehformat der Welt. Und Werner Höfers Ansatz war, oder der Kollegen vom NWDR damals, war der zu sagen, lass uns mal, nun gerade uns Deutsche nicht so wichtig nehmen, lass uns einen internationalen Gesprächskreis daraus machen.
Deswegen ist es sicherlich kein Zufall, dass die berühmteste Ausgabe vom "Frühschoppen" nicht von Werner Höfer, sondern von Loriot moderiert ist, wo es um die Nudel als Bindeglied der EWG geht, die europäische Teigwarenkrise. Das wird ja heute von Volksbühnen als Schwank in der Stadthalle nachgespielt. Es war sehr viel europäischer, als wir auch heute im Journalismus leider inzwischen wieder geworden sind. Damals war Deutschland, was diese journalistische Haltung angeht, vielleicht ein bisschen demütiger, ein bisschen mehr auf die Nachbarn orientiert – logischerweise in der Epoche.
Watty: Welche Rolle hat denn damit auch Werner Höfers "Internationaler Frühschoppen" für die politische Bildung der frühen Bundesrepublik gespielt? War das eine demokratische Institution, wie man dann später auch noch gesagt hat, eine frühe Form der modernen Gesprächskultur, die quasi dieses Format gezeigt hat?
Küppersbusch: Den Nachbarn zuhören, das war eine Botschaft, die man vorher, bis 45, in Deutschland nicht kannte, logisch. Die Gesprächskultur von Werner Höfer … Er war halt schon ein Großmeister der die Gäste erübrigenden Frage. Der konnte wie auch Günter Gaus in seiner Weise, er konnte so kluge Fragen stellen, die so viel konnte, dass man so, hoffentlich stört jetzt nicht jemand mit einer Antwort. Eine typische Höfer-Wendung war: Meine Herren, ich weiß, Sie sind befreundet, dann streiten Sie ruhig weiter. Also der Gentleman, später sagte man, der Herrenreiter, der so am lodernden Kaminfeuer sagte, na ja, ein bisschen Schattenfechten dürft ihr hier machen, es ist keine Boxbude. Das unterscheidet sich sicherlich heute, wenn Moderatoren denken, also, wenn die sich nicht gleich anschreien, dann habe ich eine schlechte Quote. Das war Höfers Denken da nicht.
Watty: Aber dann ging es also um eine Form der Gesprächskultur. Aber war das auch wirklich inhaltlich gehaltvoll? Man hat ja Höfer auch immer vorgeworfen eben, dass er viel zu viel redet und dass er dann sich auch wirklich schnell einmischt, wenn zwei Leute miteinander ins Gespräch kommen und womöglich auch anfangen zu diskutieren. Hat man denn auch wirklich Inhalte vermittelt bekommen oder war es dann schon Show auch?
"Gestus der Ertüchtigung zum Gespräch"
Küppersbusch: Es war sicherlich Show, es waren Journalisten, die ja auch immer sozusagen eine Referenz zu Hause hatten und sich dachten, also, ich muss eigentlich diesen Deutschen mal erklären, wie amerikanische Politik funktioniert oder was eigentlich der Gaullismus ist oder wie das Ganze aus der englischen Sicht aussieht, was ihr da mit Europa mit eurer Montanunion und was weiß ich, was damals die Themen waren, vorhattet. Also, es war ein autoritäres Format. Es hatte schon so ein bisschen diesen Gestus der Ertüchtigung zum Gespräch, doch, würde ich sagen, ja.
Watty: Wie bewerten Sie eigentlich Werner Höfers Abgang dann 1987? Wir haben ihn vorhin schon in einem kurzen O-Ton gehört, wo er sich noch mal dagegen verwehrt, als sogenannter Schreibtischtäter in Erinnerung zu bleiben. War das böses Nachtreten in dem Augenblick, in dem sein Stern sank, weil seine Runde immer verstaubter wurde, oder war es auch seine eigene Schuld, weil er einfach mit seiner Vergangenheit nicht offen umgegangen ist?
Küppersbusch: Also, die Enthüllung, dass Werner Höfer übrigens als Freiberufler Nazi-verherrlichende Artikel geschrieben hat, die war Anfang der 60er-Jahre schon mal übergekommen. Das war die Zeit, als man auch sagte, na ja, wenn Kiesinger, der spätere Bundeskanzler, als NSDAP-Funktionär im Außenministerium kritisiert wird oder wenn kritisiert wird, dass Lübke Baracken für Zwangsarbeiter gebaut hat, dann stammt das alles von der Stasi und das glauben wir nicht.
Und darunter war Höfer Anfang der 60er weggetaucht, dass auch da gesagt wurde, das kommt vom Norden, von der SED, das glauben wir nicht. Und nun unternahm der "Spiegel" eine Recherche und wies eben nach, dieser Artikel, in dem ein Künstler dafür beschimpft wird, dass er ‚43 Zweifel am Endsieg geäußert hat, und dass dieser Künstler zu Recht hingerichtet worden sei, dieser Artikel ist von Höfer. Und wie man später herauskriegte: Viele andere in der gleichen Schmiertonlage auch.
Und da hat Höfer gesagt, na ja, das ist mir reinredigiert worden oder ich weiß ja gar nicht, ob ich diesen ermordeten oder von den Nazis erschossenen Karl-Robert Kreiten gemeint habe, das weiß ich gar nicht mehr. Man hat dann später, der heutige Chef des Grimme-Instituts, Kollege Kammann, hat da ausführlich drüber gearbeitet, die Familie des ermordeten Pianisten hat Forschungen anstellen lassen, man hat noch viel mehr schlimme Artikel gefunden.
Nur, der Umstand, dass Höfer im Freiberuf diesen Dreck geschrieben hat und im Hauptberuf im Rüstungsministerium als Referent gearbeitet hat, das finde ich heute so frappant. Also, der war an führender Stelle als Referent von Speer für den totalen Krieg mitverantwortlich. Das fand niemand ein Hindernis, ihn da den Vorzeigediskursdemokraten geben zu lassen. Das, ja, komme ich heute noch nicht mit klar.
Watty: Wie bewerten Sie eigentlich Werner Höfers Abgang dann 1987? Wir haben ihn vorhin schon in einem kurzen O-Ton gehört, wo er sich noch mal dagegen verwehrt, als sogenannter Schreibtischtäter in Erinnerung zu bleiben. War das böses Nachtreten in dem Augenblick, in dem sein Stern sank, weil seine Runde immer verstaubter wurde, oder war es auch seine eigene Schuld, weil er einfach mit seiner Vergangenheit nicht offen umgegangen ist?
Küppersbusch: Also, die Enthüllung, dass Werner Höfer übrigens als Freiberufler Nazi-verherrlichende Artikel geschrieben hat, die war Anfang der 60er-Jahre schon mal übergekommen. Das war die Zeit, als man auch sagte, na ja, wenn Kiesinger, der spätere Bundeskanzler, als NSDAP-Funktionär im Außenministerium kritisiert wird oder wenn kritisiert wird, dass Lübke Baracken für Zwangsarbeiter gebaut hat, dann stammt das alles von der Stasi und das glauben wir nicht.
Und darunter war Höfer Anfang der 60er weggetaucht, dass auch da gesagt wurde, das kommt vom Norden, von der SED, das glauben wir nicht. Und nun unternahm der "Spiegel" eine Recherche und wies eben nach, dieser Artikel, in dem ein Künstler dafür beschimpft wird, dass er ‚43 Zweifel am Endsieg geäußert hat, und dass dieser Künstler zu Recht hingerichtet worden sei, dieser Artikel ist von Höfer. Und wie man später herauskriegte: Viele andere in der gleichen Schmiertonlage auch.
Und da hat Höfer gesagt, na ja, das ist mir reinredigiert worden oder ich weiß ja gar nicht, ob ich diesen ermordeten oder von den Nazis erschossenen Karl-Robert Kreiten gemeint habe, das weiß ich gar nicht mehr. Man hat dann später, der heutige Chef des Grimme-Instituts, Kollege Kammann, hat da ausführlich drüber gearbeitet, die Familie des ermordeten Pianisten hat Forschungen anstellen lassen, man hat noch viel mehr schlimme Artikel gefunden.
Nur, der Umstand, dass Höfer im Freiberuf diesen Dreck geschrieben hat und im Hauptberuf im Rüstungsministerium als Referent gearbeitet hat, das finde ich heute so frappant. Also, der war an führender Stelle als Referent von Speer für den totalen Krieg mitverantwortlich. Das fand niemand ein Hindernis, ihn da den Vorzeigediskursdemokraten geben zu lassen. Das, ja, komme ich heute noch nicht mit klar.
"Rückverhöferung des Fernsehens"
Watty: Im Deutschlandradio Kultur geht es mit dem Journalisten Friedrich Küppersbusch um den "Internationalen Frühschoppen", heute vor 100 Jahren wurde dessen Moderator Werner Höfer geboren. Die voraussehbare Frage natürlich in diesem Zusammenhang, wenn man das Thema auf heute transferiert: Wo sind denn die Originale, die Typen wie Werner Höfer im Fernsehen geblieben? Wir sehnen uns ja alle danach. Brauchen wir nicht eine vernünftigere Politik-Talkshow heute? Ich meine, was wir heute sehen, da gibt es vielleicht auch mal Streit, aber es ist alles schon sehr runtergebrochen und floskelhaft und natürlich flippt keiner mehr aus. Fehlt uns nicht so was?
Küppersbusch: Ja. Die Meinungsforscher, die uns, wenn wir politische Gesprächssendungen herstellen, beraten, sagen, die Politikverdrossenheit ist in Politikverachtung übergegangen. Und wenn man sich genau die Gästeauswahl von Jauch bis Illner und zurück anschaut, dann ist es zunehmend so, dass der Journalist gern genommen wird. Also, es ist eine Rückverhöferung des Fernsehens, denn der Journalist haut eine Meinung raus, dafür wird er eingeladen, dafür wird sein Blatt letztlich gekauft. Also, da ist der mündige Bürger inzwischen … Ich weiß nicht, Walter Sittler hat eine Meinung zu Stuttgart 21, zu Kindererziehung, zur Gesamtschulfrage, dem glaubt man eher. Und da ist dann, ja, eine gewisse Rückverhöferung da, man lädt wieder lieber den Journalisten ein, der haut dann eine thesenhafte Meinung raus und dann kann man jubeln, der muss es ja hinterher nicht umsetzen. Bisschen wohlfeil gegenüber den Politikern natürlich.
Watty: Aber würden Sie sich heute Nachfolger für so eine Art des "Frühschoppens" vorstellen können? Wenn man sagt, okay, man möchte eben genau von dieser Rückverhöferung, wie Sie es gerade so schön genannt haben, weg, zumindest wenn es wirklich alle betrifft, Schauspieler, Musiker, Journalisten, und alle sich jetzt äußern können: Gäbe es überhaupt eine Möglichkeit, so eine Art des "Presseclubs", des "Internationalen Frühschoppens" noch mal zu kreieren?
Küppersbusch: Also, es gibt ja das Format sogar mit dem internationalen Akzent noch bei Phoenix, und ansonsten eben als eher innerdeutsches Ereignis in der ARD, kann man auch immer noch gut hören oder sehen, ist nur jetzt Special Interest, ist keine nationale Instanz mehr. Das ist halt vorbei. Ich glaube, so, wie viel später nach Höfer man mit dem Label Taskshow im Grunde das dann offiziell erfunden hat, was Höfer schon längst machte, so gibt es heute auch viele zeitkritische Bewegbildangebote, deren Zeit jetzt ist. Also, ich glaube nicht, um Brecht zu persiflieren, ich bin ein noch größerer Feind der Talkshows, ich will andere Talkshows, sondern es reicht irgendwann mal. Also, für meinen persönlichen Bedarf reicht es und ich glaube, das Fernsehen wird das dokumentarische Bild noch viel mehr wiederentdecken als bisher. Das, also, wenn Sie jetzt nach einem Trend fragen, wäre das mein Tipp.
Watty: Danke schön an Friedrich Küppersbusch. Und wir erinnerten an den "Internationalen Frühschoppen", sein erster Moderator, muss man sagen, Werner Höfer, der wäre heute 100 Jahre alt geworden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Küppersbusch: Ja. Die Meinungsforscher, die uns, wenn wir politische Gesprächssendungen herstellen, beraten, sagen, die Politikverdrossenheit ist in Politikverachtung übergegangen. Und wenn man sich genau die Gästeauswahl von Jauch bis Illner und zurück anschaut, dann ist es zunehmend so, dass der Journalist gern genommen wird. Also, es ist eine Rückverhöferung des Fernsehens, denn der Journalist haut eine Meinung raus, dafür wird er eingeladen, dafür wird sein Blatt letztlich gekauft. Also, da ist der mündige Bürger inzwischen … Ich weiß nicht, Walter Sittler hat eine Meinung zu Stuttgart 21, zu Kindererziehung, zur Gesamtschulfrage, dem glaubt man eher. Und da ist dann, ja, eine gewisse Rückverhöferung da, man lädt wieder lieber den Journalisten ein, der haut dann eine thesenhafte Meinung raus und dann kann man jubeln, der muss es ja hinterher nicht umsetzen. Bisschen wohlfeil gegenüber den Politikern natürlich.
Watty: Aber würden Sie sich heute Nachfolger für so eine Art des "Frühschoppens" vorstellen können? Wenn man sagt, okay, man möchte eben genau von dieser Rückverhöferung, wie Sie es gerade so schön genannt haben, weg, zumindest wenn es wirklich alle betrifft, Schauspieler, Musiker, Journalisten, und alle sich jetzt äußern können: Gäbe es überhaupt eine Möglichkeit, so eine Art des "Presseclubs", des "Internationalen Frühschoppens" noch mal zu kreieren?
Küppersbusch: Also, es gibt ja das Format sogar mit dem internationalen Akzent noch bei Phoenix, und ansonsten eben als eher innerdeutsches Ereignis in der ARD, kann man auch immer noch gut hören oder sehen, ist nur jetzt Special Interest, ist keine nationale Instanz mehr. Das ist halt vorbei. Ich glaube, so, wie viel später nach Höfer man mit dem Label Taskshow im Grunde das dann offiziell erfunden hat, was Höfer schon längst machte, so gibt es heute auch viele zeitkritische Bewegbildangebote, deren Zeit jetzt ist. Also, ich glaube nicht, um Brecht zu persiflieren, ich bin ein noch größerer Feind der Talkshows, ich will andere Talkshows, sondern es reicht irgendwann mal. Also, für meinen persönlichen Bedarf reicht es und ich glaube, das Fernsehen wird das dokumentarische Bild noch viel mehr wiederentdecken als bisher. Das, also, wenn Sie jetzt nach einem Trend fragen, wäre das mein Tipp.
Watty: Danke schön an Friedrich Küppersbusch. Und wir erinnerten an den "Internationalen Frühschoppen", sein erster Moderator, muss man sagen, Werner Höfer, der wäre heute 100 Jahre alt geworden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.