Grosz war "Gruia"

Von Ludger Fittkau |
Als Folge seiner Enttarnung wurde der 63 Jahre alte rumäniendeutsche Schriftsteller Peter Grosz von der Leitung der Oppenheimer Theater-Festspiele entbunden. Grosz hatte die "Aktionsgruppe Banat" ausspioniert, die von Herta Müllers Ex-Mann Richard Wagner mitbegründet wurde.
Nun also auch Peter Grosz. Sein Deckname bei der berüchtigten rumänischen Geheimpolizei "Securitate" war "Gruia". Der 63 Jahre alte Rumäniendeutsche, der bei Mainz lebt, ist nach dem Lyriker Werner Söllner innerhalb weniger Monate der zweite Fall eines als Securitate-Spitzel enttarnten Schriftstellers. Ausspioniert hat Peter Grosz wie Söllner die "Aktionsgruppe Banat" – die von Herta Müllers Ex-Mann Richard Wagner mitbegründet wurde. Richard Wagner hatte in seiner Securitate-Akte einen Bericht des Spitzels "Gruia" alias Peter Grosz über eine Lesung der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller aus dem Jahre 1976 gefunden.

Vor wenigen Tagen wurde Peter Grosz als Leiter der Theater-Festspiele Oppenheim am Rhein abgesetzt. Die Stadt Oppenheim kämpft nun darum, die Festspiele 2010 auch ohne Grosz noch durchführen zu können.

Die schöne Kleinstadt Oppenheim am Rhein nennt sich die "Wein- und Festspielstadt". Den Wein kann Oppenheim keiner nehmen, mit den Theater-Festspielen, die seit 20 Jahren im Spätsommer auf verschiedenen spektakulären Bühnen im Stadtgebiet stattfinden, ist das eine andere Sache. Nachdem der als Securitate-Spitzel enttarnte Schriftsteller und Lehrer Peter Grosz am vergangenen Mittwoch vom Oppenheimer Stadtparlament als ehrenamtlicher Leiter der Oppenheimer Festspiele abgesetzt wurde, hatte Grosz im SWR etwas voreilig bereits das Ende der Festspiele für 2010 verkündet:

"Die Festspiele werden in diesem Jahr nicht mehr stattfinden, das heißt, auch diese Schuld wird man mir auf den Rücken laden."

Peter Grosz selbst sieht sich offenbar als Opfer der Verhältnisse, nicht als Täter. Seine Spitzeldienste für die Securitate entschuldigt er damit, dass die Securitate ihn unter Druck gesetzt habe. Und auch in den vergangenen Jahrzehnten ist es Peter Grosz in seiner neuen Heimat Rheinland-Pfalz offenbar hervorragend gelungen, sich als Verfolgter des rumänischen Ceausescu-Regimes zu stilisieren. So zumindest sah ihn Siegfried Gauch, der Literaturreferent des Landes Rheinland-Pfalz:

"Peter Grosz kenne ich seit seiner Ausreise aus Rumänien, also seit 1977. Er hat natürlich gesprochen über die Gefährdung der Autoren dort, über seine Autorengruppe. Darüber, wie oft er zur Securitate vorgeladen worden war, verhört wurde. Aber konkretere Details haben wir gar nicht besprochen gehabt. Ich war auch gar nicht daran interessiert und habe auch gar nicht darüber nachgedacht, ob es da Möglichkeiten geben konnte, dass Autoren, die Repressionen erlitten haben, vielleicht auch schuldig geworden wären."

Ein 19 Monate währender Gefängnisaufenthalt soll zu den Repressionen gehören, die Peter Grosz in Rumänien durchlitten hat. Der Schriftsteller Richard Wagner, den Grosz bespitzelt hat, äußert Zweifel an diesem Gefängnisaufenthalt. Richard Wagner, der Ex-Ehemann der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, bezeichnet Grosz öffentlich als "Märchenerzähler".

Peter Grosz, der als Lehrer in Oppenheim arbeitet, war heute für "Fazit" für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Befragen konnten wir ihn deshalb auch nicht zu weiteren Vorwürfen, die das SWR-Kulturmagazin "Landesart" am Wochenende veröffentlicht hatte. Es geht um die Bespitzelung des heute in Berlin lebenden Schriftstellers William Totok. Demzufolge hat Peter Grosz in einem Bericht an die Securitate im Jahr 1974 einem Gedicht William Totoks "Irredentismus" bescheinigt, darunter wurde damals eine staatsfeindliche Haltung verstanden. Auf sogenannte "irredentistische Handlungen" stand im Rumänien Ceausescus damals eine Haftstrafe von 15 bis 20 Jahren, aber auch die Todesstrafe konnte verhängt werden.

Gegenüber dem Oppenheimer Bürgermeister Marcus Held hatte Peter Grosz seine Tätigkeit für die Securitate vor Kurzem noch wie folgt gerechtfertigt:

"Dass er in einer Notstandssituation damals war und die Schriftstellerkollegen damals nicht dem Regime aussetzen wollte, sondern dass er den Kollegen hat helfen wollen mit den Berichten."

Wenn das wirklich so gewesen sei, hätte Peter Grosz diese Zwangslage mit künstlerischen Mitteln bearbeiten können, glaubt Oppenheims Bürgermeister Marcus Held. Auch die Festspielbühnen seiner Stadt hätten ihm dafür offengestanden:

"Ich glaube, gerade als Künstler und gerade als künstlerischer Leiter wäre es seine Aufgabe gewesen, diese Themen aufzugreifen und möglicherweise auch künstlerisch und literarisch darzustellen und dem zu begegnen, gerade um die Vergangenheit aufzuarbeiten. Das ist sicherlich der Hauptvorwurf, den ich ihm persönlich auch mache."

Nachdem sich Grosz auch bei der Stadtratssitzung in der vergangenen Woche völlig uneinsichtig gezeigt hätte, so der Bürgermeister, sei seine Abberufung als Leiter der traditionsreichen Oppenheimer Theater-Festspiele unumgänglich gewesen.

Peter Grosz hat unterdessen angekündigt, mit Schülerinnen und Schülern der Schule, an der er als Lehrer arbeitet, in Oppenheim ein eigenes Festival auf die Beine zu stellen. Schüler des Oppenheimer Katharinen-Gymnasiums hatten sich während der Stadtratssitzung, in der Grosz als Festivalleiter abgesetzt wurde, demonstrativ auf seine Seite gestellt. Peter Grosz inszeniert sich nun als beliebter Lehrer, der wieder von der Obrigkeit verfolgt wird.

Das Bildungsministerium Rheinland-Pfalz prüft nämlich, ob man dienstrechtlich gegen den uneinsichtigen Peter Grosz vorgehen kann. Dazu der Mainzer Bildungsstaatssekretär Michael Ebling:

"Wir haben nach erster Prüfung zumindest festzustellen, dass die Einstellungsvoraussetzungen damals vorgelegen haben. Es war damals auch noch üblich, eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz zu stellen, wenn man Beamter eines Landes wird, dieses ist wohl geschehen."

Die Behörden prüfen jedoch weiter. Während der enttarnte Securitate-Spitzel Peter Grosz jetzt also noch um seinen Lehrerjob bangen muss, kämpft Oppenheims Bürgermeister Marcus Held nun um die Festspiele im Sommer. Ein neuer künstlerischer Leiter wird nicht berufen, teilte Held heute mit. Man werde versuchen, dass Festival aus dem Rathaus heraus zu organisieren.
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