Grüne wollen breite Bund-Länder-Kooperation im Bildungsbereich
Die Grünen fordern eine Kooperation von Bund und Ländern im Bildungsbereich, die über die von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) vorgeschlagene Förderung von Hochschulen hinausgeht. Bundestagsfraktionschefin Renate Künast kritisierte Schavans Vorschlag für eine Änderung des Grundgesetzes.
André Hatting: Vor sechs Jahren hatte sich die Große Koalition überlegt, wie man die deutschen Unis besser macht. Und Annette Schavan, damals schon Bundesbildungsministerin, hatte folgende Idee: den Konkurrenzdruck erhöhen. Wenn sich der Bund vollständig raushält aus der Bildungspolitik, also auch keinen Cent mehr beisteuert, dann müssen die Länder verstärkt um Studenten kämpfen. Das Projekt heißt Kooperationsverbot. Bundesbildungsministerin Schavan will das Verbot jetzt aber lockern.
Die Opposition sieht aber keinen Fehler im System, für sie ist das System der Fehler. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen stellt heute dem Bundestag einen eigenen Antrag vor. Vorsitzende der Fraktion ist Renate Künast und die begrüße ich jetzt am Telefon, guten Morgen, Frau Künast!
Renate Künast: Guten Morgen!
Hatting: Was Schavan will, haben wir jetzt hier gerade gehört. Was wollen Sie?
Künast: Na ja, um mal bei Frau Schavan noch klar zu sagen: Sie hat ja gesagt: interessante Initiativen, im Gesetzentwurf steht sogar: von herausragender Bedeutung. Das kann am Ende und soll am Ende bei ihr die Fortsetzung der Eliteinitiativen sein, dann sichert sie zum Beispiel die Charité als international bekannte dann am Ende Universitätsklinik ab, aber in der Breite der Wissenschaft nutzt das nichts. Sie will nur Einzelnes rauspicken und eben im Bereich der Wissenschaft. Und wir als Grüne sagen, diese Föderalismusreform im Jahr 2006 war falsch und jetzt braucht es bessere Bildung für alle.
Und die fängt dann eben in der Schule ab. Unser Vorschlag sagt, wir brauchen eine Grundgesetzänderung, die sicherstellt, dass Bund und Länder mal zusammenarbeiten können, um ein leistungsfähiges Bildungswesen zu haben, um zum Beispiel Ganztagsschulen zu unterstützen mit Essen, mit Sozialarbeit, Finanzierung. Unseres geht in die Breite für die ganze Schule, um allen Bundesländern zu helfen, und da sagen wir, ein Reformkonvent, der eine Verfassungsänderung zwischen Bund und Ländern vereinbart, um diese Breite zu finanzieren.
Hatting: Interessanterweise sind ja nicht nur die unionsgeführten Länder dagegen, sogar Ihr Parteikollege Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, sagt, Zitat: "Ich trete anders als viele meiner Partei hier klar für das Subsidiaritätsprinzip ein" - heißt übersetzt: Der Bund soll sich gefälligst raushalten.
Künast: Na, ich habe mit Winfried Kretschmann schon lange darüber geredet. Eines ist ja klar: Unser Vorschlag sagt an der Stelle nicht, dass der Bund die Bildungszuständigkeit wieder übernimmt, sondern sagt, Bund und Länder könnten dann Vereinbarungen treffen über Finanzierung. Winfried Kretschmann hat durchaus recht, wenn es um die Frage geht, dass man ganz grundsätzlich die Verteilung der Finanzen zwischen Bund und Ländern verändern muss, damit die Länder dieser Aufgabe - leistungsfähige Bildung für alle Kinder - auch nachkommen können. Aber solange es dazu keine Vereinbarung gibt und auf der anderen Seite zum Beispiel CDU und FDP so tun, als seien sie bereit, den Ländern über eine Änderung des Kooperationsverbotes unter die Arme zu greifen, sagen wir logischerweise: Bitte, Frau Schavan, oder bitte, Frau Merkel, das wollen wir dann jetzt auch sehen. Und das muss ich mal sagen: Für mich ist es nicht akzeptabel, dass Schavan so tut, als würde sie den Ländern bei der Bildung helfen, aber tatsächlich macht sie einen Vorschlag, der Rosinenpickerei bedeutet. Also, einzelne herausragende Institute werden dann finanziert, aber davon hat das Kind von Otto Normalverbraucher gar nichts!
Hatting: Wenn es um die Schulen geht. Frau Künast, wie soll das dann in der Praxis aussehen: Die Länder und Kommunen planen, Bund muss zahlen?
Künast: Na ja, das würde so aussehen, dass die Zuständigkeit für die Bildung und die Planung natürlich bei den Ländern bleibt, das kann man gar nicht mehr zurückdrehen, dass es aber möglich ist, dass zwischen Bund und Ländern Vereinbarungen getroffen werden können, das können ...
Hatting: ... finanzielle, vor allem?
Künast: Finanzielle, es geht nur um finanzielle Vereinbarungen, weil wir die Bildungszuständigkeit - da bin ich ganz mit Winfried Kretschmann - nicht wieder zurückdrehen werden. Es hieße, Bund und Länder schließen Vereinbarungen ab, indem sie zum Beispiel sagen, wir zahlen für x Jahre, damit Leistungsfähigkeit über Ganztagsschulen hergestellt wird, Gelder für ... Ja, jetzt können die Länder sagen, wofür, wir könnten zum Beispiel einen Sozialarbeiteranteil übernehmen, die brauchen sie ja zum Beispiel, um nachmittags mit Hortbetreuung und so einen Ganztagsschulbetrieb aufrechtzuerhalten. Dann können da Finanzmittel auf die Länder verteilt werden, sodass sie besser anfangen können, diesen Nachmittagsbetrieb auch herzustellen. Die Vereinbarung wird aber zwischen beiden geschlossen, das heißt, die Länder entscheiden eben auch - sonst kommt es nicht zustande -, was wir finanzieren.
Hatting: Es gibt ein Beispiel eines drastischen Zentralismus, nämlich Frankreich. Da ist es so, dass die 15-jährigen Franzosen bei der aktuellen PISA-Studie ähnlich schlecht abgeschnitten haben wie ihre deutschen Nachbarn. Was sagt uns das?
Künast: Ich weiß nicht, warum es in Frankreich so war, wir wissen nur, warum es in Deutschland so war, nämlich wenig individuelle Förderung und Betreuung. Deshalb will ich ja auch gar nicht ein zentrales Schulsystem schaffen, sondern die Länder haben ja, und alle Bildungspolitiker, wo immer, schon klare Vorstellungen darüber, was eine qualitativ gute Bildung ist. Das ist nämlich eine, die durchaus viel Zeit anbietet, dahinter steckt auch die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit der Eltern natürlich, die den Kindern aber einzeln auch Angebote der Förderung machen kann. Das ist ja in Skandinavien auch gerade der Hit, dass nachmittags Leute mit denen zusammen Schularbeiten machen, die einzelne Stärken suchen, die Kinder unterstützen und die Kinder auch in manchen Fächern weiter sein können, während sie in anderen Unterstützung kriegen. Wollen wir alles qualitativ verbessern. Und deshalb geht es nicht um Zentralismus, sondern um eine Vereinbarung angesichts des Rohstoffs der Zukunft und der großen Gerechtigkeitsfrage, die wir in Deutschland haben, weil wir so schlecht sind mit der Schule in Deutschland, dass eben Bund und Länder eine Vereinbarung treffen: Über x Jahre helfen wir den Ländern finanziell, aber die Länder können auch sagen, was sie brauchen.
Hatting: Frau Künast, Grundgesetzänderungen sind ja nun keine Bagatellen. Warum lehnen Sie es so vehement ab, zunächst einmal das Verbot nur für die Wissenschaft und Forschung zu kippen? Es könnte ja ein erster Schritt sein?
Künast: Na ja, es ist aber nicht der erste Schritt an der entscheidenden Stelle. Also, Sie fangen, wenn Sie eine Reise antreten, auch nicht beim zehnten Schritt an. Lassen Sie uns mal den ersten und zweiten machen, und der erste und zweite Schritt beginnt in der Grundschule. Wenn Kinder in die Schule kommen, muss es mehr Möglichkeit geben vor Ort, und das haben Sie quer durch die Republik: die Defizite bei der Schule, wo viele sagen, zu wenig Personal, wir machen Ganztagsbetrieb ohne Mittagessen. Das geht nicht, das schaffen die Kinder nicht. Und der Unterschied ist: Wir fangen in der Grundschule an, mit einem guten, qualitativ besseren Angebot. Das wollen wir mitfinanzieren. Frau Schavan tut so, als würde sie Qualitätsverbesserung machen, aber wenn Sie genau hingucken: Projekte in der Wissenschaft und Forschung von herausragender Bedeutung - so steht es in ihrem Gesetzentwurf drin -, von herausragender Bedeutung, da sage ich: Da kommt am Ende eben raus, dass sie sich einzelne Institute rauspickt und die finanziert. Das ist aber wie die Exzellenzinitiative: Jedes Kind, das in Deutschland in die Schule geht, soll eine gute Schule kriegen, da müssen wir anfangen.
Hatting: Und deswegen fordert Bündnis 90/Die Grünen: Weg mit dem Kooperationsverbot! - Ich habe mit deren Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Renate Künast, gesprochen. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Künast!
Künast: Ich danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Die Opposition sieht aber keinen Fehler im System, für sie ist das System der Fehler. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen stellt heute dem Bundestag einen eigenen Antrag vor. Vorsitzende der Fraktion ist Renate Künast und die begrüße ich jetzt am Telefon, guten Morgen, Frau Künast!
Renate Künast: Guten Morgen!
Hatting: Was Schavan will, haben wir jetzt hier gerade gehört. Was wollen Sie?
Künast: Na ja, um mal bei Frau Schavan noch klar zu sagen: Sie hat ja gesagt: interessante Initiativen, im Gesetzentwurf steht sogar: von herausragender Bedeutung. Das kann am Ende und soll am Ende bei ihr die Fortsetzung der Eliteinitiativen sein, dann sichert sie zum Beispiel die Charité als international bekannte dann am Ende Universitätsklinik ab, aber in der Breite der Wissenschaft nutzt das nichts. Sie will nur Einzelnes rauspicken und eben im Bereich der Wissenschaft. Und wir als Grüne sagen, diese Föderalismusreform im Jahr 2006 war falsch und jetzt braucht es bessere Bildung für alle.
Und die fängt dann eben in der Schule ab. Unser Vorschlag sagt, wir brauchen eine Grundgesetzänderung, die sicherstellt, dass Bund und Länder mal zusammenarbeiten können, um ein leistungsfähiges Bildungswesen zu haben, um zum Beispiel Ganztagsschulen zu unterstützen mit Essen, mit Sozialarbeit, Finanzierung. Unseres geht in die Breite für die ganze Schule, um allen Bundesländern zu helfen, und da sagen wir, ein Reformkonvent, der eine Verfassungsänderung zwischen Bund und Ländern vereinbart, um diese Breite zu finanzieren.
Hatting: Interessanterweise sind ja nicht nur die unionsgeführten Länder dagegen, sogar Ihr Parteikollege Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, sagt, Zitat: "Ich trete anders als viele meiner Partei hier klar für das Subsidiaritätsprinzip ein" - heißt übersetzt: Der Bund soll sich gefälligst raushalten.
Künast: Na, ich habe mit Winfried Kretschmann schon lange darüber geredet. Eines ist ja klar: Unser Vorschlag sagt an der Stelle nicht, dass der Bund die Bildungszuständigkeit wieder übernimmt, sondern sagt, Bund und Länder könnten dann Vereinbarungen treffen über Finanzierung. Winfried Kretschmann hat durchaus recht, wenn es um die Frage geht, dass man ganz grundsätzlich die Verteilung der Finanzen zwischen Bund und Ländern verändern muss, damit die Länder dieser Aufgabe - leistungsfähige Bildung für alle Kinder - auch nachkommen können. Aber solange es dazu keine Vereinbarung gibt und auf der anderen Seite zum Beispiel CDU und FDP so tun, als seien sie bereit, den Ländern über eine Änderung des Kooperationsverbotes unter die Arme zu greifen, sagen wir logischerweise: Bitte, Frau Schavan, oder bitte, Frau Merkel, das wollen wir dann jetzt auch sehen. Und das muss ich mal sagen: Für mich ist es nicht akzeptabel, dass Schavan so tut, als würde sie den Ländern bei der Bildung helfen, aber tatsächlich macht sie einen Vorschlag, der Rosinenpickerei bedeutet. Also, einzelne herausragende Institute werden dann finanziert, aber davon hat das Kind von Otto Normalverbraucher gar nichts!
Hatting: Wenn es um die Schulen geht. Frau Künast, wie soll das dann in der Praxis aussehen: Die Länder und Kommunen planen, Bund muss zahlen?
Künast: Na ja, das würde so aussehen, dass die Zuständigkeit für die Bildung und die Planung natürlich bei den Ländern bleibt, das kann man gar nicht mehr zurückdrehen, dass es aber möglich ist, dass zwischen Bund und Ländern Vereinbarungen getroffen werden können, das können ...
Hatting: ... finanzielle, vor allem?
Künast: Finanzielle, es geht nur um finanzielle Vereinbarungen, weil wir die Bildungszuständigkeit - da bin ich ganz mit Winfried Kretschmann - nicht wieder zurückdrehen werden. Es hieße, Bund und Länder schließen Vereinbarungen ab, indem sie zum Beispiel sagen, wir zahlen für x Jahre, damit Leistungsfähigkeit über Ganztagsschulen hergestellt wird, Gelder für ... Ja, jetzt können die Länder sagen, wofür, wir könnten zum Beispiel einen Sozialarbeiteranteil übernehmen, die brauchen sie ja zum Beispiel, um nachmittags mit Hortbetreuung und so einen Ganztagsschulbetrieb aufrechtzuerhalten. Dann können da Finanzmittel auf die Länder verteilt werden, sodass sie besser anfangen können, diesen Nachmittagsbetrieb auch herzustellen. Die Vereinbarung wird aber zwischen beiden geschlossen, das heißt, die Länder entscheiden eben auch - sonst kommt es nicht zustande -, was wir finanzieren.
Hatting: Es gibt ein Beispiel eines drastischen Zentralismus, nämlich Frankreich. Da ist es so, dass die 15-jährigen Franzosen bei der aktuellen PISA-Studie ähnlich schlecht abgeschnitten haben wie ihre deutschen Nachbarn. Was sagt uns das?
Künast: Ich weiß nicht, warum es in Frankreich so war, wir wissen nur, warum es in Deutschland so war, nämlich wenig individuelle Förderung und Betreuung. Deshalb will ich ja auch gar nicht ein zentrales Schulsystem schaffen, sondern die Länder haben ja, und alle Bildungspolitiker, wo immer, schon klare Vorstellungen darüber, was eine qualitativ gute Bildung ist. Das ist nämlich eine, die durchaus viel Zeit anbietet, dahinter steckt auch die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit der Eltern natürlich, die den Kindern aber einzeln auch Angebote der Förderung machen kann. Das ist ja in Skandinavien auch gerade der Hit, dass nachmittags Leute mit denen zusammen Schularbeiten machen, die einzelne Stärken suchen, die Kinder unterstützen und die Kinder auch in manchen Fächern weiter sein können, während sie in anderen Unterstützung kriegen. Wollen wir alles qualitativ verbessern. Und deshalb geht es nicht um Zentralismus, sondern um eine Vereinbarung angesichts des Rohstoffs der Zukunft und der großen Gerechtigkeitsfrage, die wir in Deutschland haben, weil wir so schlecht sind mit der Schule in Deutschland, dass eben Bund und Länder eine Vereinbarung treffen: Über x Jahre helfen wir den Ländern finanziell, aber die Länder können auch sagen, was sie brauchen.
Hatting: Frau Künast, Grundgesetzänderungen sind ja nun keine Bagatellen. Warum lehnen Sie es so vehement ab, zunächst einmal das Verbot nur für die Wissenschaft und Forschung zu kippen? Es könnte ja ein erster Schritt sein?
Künast: Na ja, es ist aber nicht der erste Schritt an der entscheidenden Stelle. Also, Sie fangen, wenn Sie eine Reise antreten, auch nicht beim zehnten Schritt an. Lassen Sie uns mal den ersten und zweiten machen, und der erste und zweite Schritt beginnt in der Grundschule. Wenn Kinder in die Schule kommen, muss es mehr Möglichkeit geben vor Ort, und das haben Sie quer durch die Republik: die Defizite bei der Schule, wo viele sagen, zu wenig Personal, wir machen Ganztagsbetrieb ohne Mittagessen. Das geht nicht, das schaffen die Kinder nicht. Und der Unterschied ist: Wir fangen in der Grundschule an, mit einem guten, qualitativ besseren Angebot. Das wollen wir mitfinanzieren. Frau Schavan tut so, als würde sie Qualitätsverbesserung machen, aber wenn Sie genau hingucken: Projekte in der Wissenschaft und Forschung von herausragender Bedeutung - so steht es in ihrem Gesetzentwurf drin -, von herausragender Bedeutung, da sage ich: Da kommt am Ende eben raus, dass sie sich einzelne Institute rauspickt und die finanziert. Das ist aber wie die Exzellenzinitiative: Jedes Kind, das in Deutschland in die Schule geht, soll eine gute Schule kriegen, da müssen wir anfangen.
Hatting: Und deswegen fordert Bündnis 90/Die Grünen: Weg mit dem Kooperationsverbot! - Ich habe mit deren Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Renate Künast, gesprochen. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Künast!
Künast: Ich danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.