CDU-Rechte wollen "beweisen, dass es sie noch gibt"
Wegen fehlender Rechtsgrundlage droht dem Deutschen Institut für Menschenrechte die Herabstufung durch die UNO. Doch Union und SPD können sich nicht auf ein Gesetz einigen, weil Teile der Union sich querstellen. Für den Grünen-Politiker Tom Koenigs "eine internationale Blamage".
Seit 2001 gibt es in Deutschland ein "Institut für Menschenrechte", das als nationale Menschenrechtsinstitution zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte durch Deutschland im In- und Ausland beitragen soll. Noch ist es mit A-Status bei den Vereinten Nationen akkreditiert. Doch der droht dem DIMR jetzt entzogen zu werden: Denn ihm fehlt nach wie vor die gesetzliche Grundlage. Ein entsprechender Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) wird von Teilen der Union blockiert.
Inhaltliche Differenzen spielen keine Rolle
Tom Koenigs, menschenrechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, wirft der Bundesregierung mangelndes Interesse an diesem Thema vor: Die Kanzlerin könne sich in ihrer Partei offenbar nicht durchsetzen und der SPD sei die Frage nicht wichtig.
Er glaube nicht, dass tatsächlich inhaltliche Differenzen bezüglich der Konzeption des Instituts eine Einigung verhinderten. Hier gehe lediglich darum, dass der rechte Rand der CDU beweisen wolle, "dass es ihn noch gibt und dass er eine Blockademinderheit hat", kritisiert Koenigs. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das etwas anderes ist als persönliches Buhlen um irgendwelche Bedeutung."
Das Interview im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Deutschland könnte in Sachen Menschenrechte bald herabgestuft werden durch die Vereinten Nationen. Das ist kein Witz, das ist kein übler Plan irgendwelcher Despoten, die zufällig Mehrheiten haben in UNO-Gremien. Das ist, wenn es so kommt, selbstverschuldet. Die Union sperrt sich, dem Institut für Menschenrechte einen entsprechenden gesetzlichen Status zu geben, um genau zu sein, ist es eine kleine Gruppe um die umstrittene Erika Steinbach, also, wenn Sie so wollen, die Tea-Party innerhalb der CDU/CSU, die es schafft, hier zu blockieren. Heute legen die Grünen dagegen einen Gesetzentwurf im Bundestag vor, der dem Institut für Menschenrechte den Status bei der UNO erhalten soll. Gudula Geuther zu den Hintergründen.
((Gudula Geuther))
Gudula Geuther war das zu den Hintergründen. Union und SPD haben sich am Abend übrigens noch mal zusammengesetzt, aber offenbar ohne nennenswerte Ergebnisse. Zumindest ist nichts herausgekommen. Der Streit ist also nicht vom Tisch, und er ist jetzt bei uns Thema mit dem Bundestagsabgeordneten Tom Koenigs von den Grünen. Er ist der menschenrechtspolitische Sprecher seiner Fraktion. Guten Morgen!
"Es hat nie eine inhaltliche Diskussion gegeben"
Tom Koenigs: Guten Morgen, Herr Frenzel!
Frenzel: Kann Deutschland überhaupt noch eine Blamage auf internationaler Bühne abwenden?
Koenigs: Ja, von der Zeit her ist es noch möglich, allerdings nur unter Anspannung äußerster terminlicher Kräfte. Das heißt, wenn heute der Gesetzentwurf in den Ausschuss verwiesen wird, in der nächsten Woche im Ausschuss behandelt und dann auch im Bundestag beschlossen, dann wäre es möglich, das noch hinzukriegen. Bisher wurden wir ja fünf Monate lang gemahnt, Geduld und Vertrauen zu haben in die Koalition, man werde das schon machen, und hat daraufhin im Ausschuss das immer wieder verschoben, zehn Sitzungswochen lang. Nie mit irgendeinem Argument. Es hat nie eine irgendwie geartete inhaltliche Diskussion gegeben.
Und da zu hoffen, dass es nun in der letzten Woche noch geht, ist kühn. Wir haben aber alles gemacht, um wenigstens von unserer Seite die Möglichkeit zu schaffen, wenn schon die Regierung das offensichtlich nicht interessiert oder die Koalitionsfraktionen, die das offensichtlich auch nicht so wichtig finden, nicht zusammenfinden.
Frenzel: Nun, Herr Koenigs, wäre es ein mittleres parlamentarisches Wunder, wenn ein Oppositionsantrag auf diese Weise durchginge, wie Sie es gerade beschrieben haben. Lassen Sie uns noch mal kurz auf die Inhalte gucken und auch auf mögliche Kompromisslinien. Ich hab jetzt einfach mal gesagt, die Union blockiert da. Man kann es aber natürlich auch so sagen: Sie wollen einfach ein paar andere Schwerpunkte, zum Beispiel mehr Konzentration auf äußere Menschenrechtsverletzungen, also nicht im Land selbst. Ist das nicht legitim?
Koenigs: Das kann man machen. Man kann diese Schwerpunkte auch setzen, indem man zum Beispiel im Ausschuss diese Schwerpunkte wählt. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es wirklich darum geht. Denn dieses Institut hat ein sehr hohes Renommee, gerade bei den NGOs, aber auch bei den Fraktionen des Bundestages, und hat wirklich 15 Jahre lang hervorragend gearbeitet. Da gab es auch nie Kritik.
Verhalten der Unions-Rechten "rational nicht erklärbar"
Frenzel: Worum geht es dann?
Koenigs: Ich glaube, es sind Einzelinteressen, dass da einzelne Gruppen innerhalb der CDU andere Interessen damit verfolgen, andere Interessen damit verbinden. Die Kanzlerin kann sich offenbar nicht durchsetzen, und der SPD ist es nicht wichtig.
Frenzel: Aber benennen Sie mal, Herr Koenigs, diese anderen Interessen. Das klingt so vage.
Koenigs: Also bisher hat es ein Gespräch zum Beispiel des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Vaatz mit Amnesty International gegeben, da ist der so ausgeflippt, dass selbst Frau Steinbach gesagt hat, nun halt doch mal ein bisschen Ruhe. Also da stecken andere Emotionen, andere Interessen dahinter. Ich kann das nicht rational verstehen. Die internationale Blamage ist groß.
Frenzel: Da geht es also darum, Herr Koenigs, dass die Union Schwierigkeiten hat, dass Menschenrechtsverletzungen, so sie denn stattfinden hier in Deutschland, zu sehr angeprangert werden durch das Institut?
Koenigs: Das ist ja gar nicht so. Natürlich muss man mit gleichem Maß messen, im Äußeren wie im Inneren. Es ist aber gegenwärtig so, dass inhaltlich nicht diskutiert wird, und das blockiert wird. Ich glaube, dass der rechte Rand, der übrigens in der CDU offensichtlich gut genug ist, um die Menschenrechte zu vertreten, hier beweisen will, dass es ihn noch gibt und dass er eine Blockademinderheit hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das etwas anderes ist als persönliches Buhlen um irgendwelche Bedeutung. Ich möchte wissen, wie das ist, wenn wir die AfD im Parlament haben. Da wird dieser rechte Rand ja offensichtlich noch munterer.
Menschenrechtsverletzungen im Innern nicht ausklammern
Frenzel: Nun könnte man aber ja in der Tat – ich versuche mich mal in die Schuhe zu begeben einer Erika Steinbach und eines Herrn Vaatz –, sagen –
Koenigs: Viel Vergnügen!
Frenzel: Es fällt mir schwer, ich gebe es zu – aber ich probier's. Wenn wir sagen, wir gucken Menschenrechtsverletzungen hier an, Polizeiübergriffe beispielsweise, und dann auch in anderen Ländern – geht da nicht der Maßstab verloren? Denn wir reden ja hier in Deutschland doch wirklich von anderen Arten von Verstößen im Vergleich zu Diktaturen beispielsweise.
Koenigs: Das ist völlig richtig. Der Auftrag des Menschenrechtsinstitutes ist aber, und das muss er in allen Ländern sein, dass er sich mit allen Menschenrechtsverletzungen befasst. Und das hat das Institut ja auch, ohne dass das irgendjemand kritisiert hat, immer getan. Aber nun die Deutschen auszuklammern, wäre nun ein Messen mit zweierlei Maß, das auch nach außen hin nicht glaubwürdig ist. Es hat aber darüber noch nie irgendeinen Konflikt gegeben. Und deshalb kann ich nicht glauben, dass man sich daran so hochziehen kann.
Juristenverbände sehen kein Problem mit der Rechtsform Verein
Was ich gehört habe, ist, man sei mit der Rechtsform des eingetragenen Vereins nicht zufrieden. Da hat aber inzwischen die Anwaltsvereinigung und die Richtervereinigung, das genau sei Ausdruck der international anerkannten Pariser Prinzipien der Unabhängigkeit. Aber eine inhaltliche Diskussion hat es bisher noch nie gegeben. Nur alle haben gesagt, Geduld und Vertrauen. Das ist bei mir zu Ende.
Frenzel: Und bei den Vereinten Nationen möglicherweise auch. Tom Koenigs, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
Und wir haben gesprochen über den Streit um das Institut für Menschenrechte. Heute gibt es dazu einen Gesetzentwurf, den die grüne Fraktion vorlegt, um zu erreichen, dass der Status bei den Vereinten Nationen erhalten bleibt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.