Vom linken Straßenkämpfer zum Friedensstifter
33:50 Minuten
Als Teil einer linksradikalen Gruppe kämpfte Tom Koenigs auf Demonstrationen in den 70ern noch gegen die Polizei. Später wurde er als Grünen-Politiker zum Streiter für Frieden und Menschenrechte - zunächst für die UNO, dann für das Auswärtige Amt.
Aufgewachsen ist Tom Koenigs, Jahrgang '44, komplett unpolitisch, ohne Zeitung und Fernseher. Als der Sohn eines Bankiers in den 1960er-Jahren in Berlin Betriebswirtschaft studiert, weil ihm "nichts Besseres eingefallen ist", gerät er mitten in die Studentenbewegung. Im Deutschlandfunk Kultur erinnerte er sich:
"Das, was mich dann letzten Endes wirklich auf die andere Seite gebracht hat, war der zweite Juni 1967, die Tatsache, dass einer von uns von der Polizei ermordet wurde. Benno Ohnesorg. Das hat Tausende von uns auf die Straße getrieben. Aber das war der eigentliche Punkt, wo ich gesagt habe, die Studenten haben recht. Wir haben ein Recht auf Leben, auch ein Recht auf anderes Leben. Von da an hab' ich dann mit der Linken demonstriert und mich mit den ganzen Ideen auseinandergesetzt."
Arbeiter für die Revolution gewinnen
Angezogen von der Sponti-Bewegung geht Koenigs nach dem Studium nach Frankfurt/Main. Dort schließt er sich wie auch sein Weggefährte, der spätere Außenminister Joschka Fischer, der militanten, auf Straßenkämpfe spezialisierten sogenannten "Putztruppe" an. Gleichzeitig schweißt er Karosserien bei Opel am Fließband, mit dem festen Vorsatz, Arbeiter für die Revolution zu gewinnen:
"Das war eine sehr interessante Erfahrung. Ich hab' handwerkliche Arbeiten gerne gemacht. Man stellt da fest, dass alle Werte durch Arbeit geschaffen werden. Die Achtung vor der Arbeit, auch der handwerklichen, die lernt man da, und ich will die Erfahrung nicht missen."
Buchhändler, Taxifahrer und Stadtkämmerer
Bald merkt er, dass es mit der Revolution doch nicht so einfach ist. Er beginnt, als Buchhändler, Übersetzer und Taxifahrer zu arbeiten. Dann holt ihn die Politik wieder ein. Er tritt in die grüne Partei ein und wird erst Schatzmeister, dann Umweltdezernent und Stadtkämmerer in Frankfurt am Main. Ein Grüner, der das Geld verwaltet, sei damals ungewöhnlich gewesen, erinnert sich Koenigs:
"Das war eine Deutschland-weite Nachricht und ich wusste, dass da alle auf mich gucken und dass es eine hohe Verantwortung ist, dass man sich auch überlegen musste, welche Kapazitäten hat die Stadt, nicht nur finanzielle, sondern auch intellektuelle, auch verwaltungsmäßige."
Bei dem Versuch, den städtischen Haushalt zu sanieren, hatte Bankersohn Koenigs auch ungewöhnliche Ideen: "Ich hab' dann unkonventionell mit Leuten zusammengearbeitet, zum Beispiel von der Deutschen Bank, mit denen niemand anderes zusammengearbeitet hätte, auch kein CDU-Kämmerer."
Sein wichtigstes Thema: die Menschenrechte
Einander fremde oder gar verfeindete Positionen an einen Tisch zu bekommen und zu vermitteln, das ist eine Stärke, die Koenigs auch später immer wieder einsetzt. Nach der Jahrtausendwende sucht er im Dienst der Vereinten Nationen und des Auswärtigen Amtes nach friedlichen Lösungen in den Krisenherden Guatemala, Kolumbien, Bosnien und Afghanistan.
"Der Job ist einerseits, den Menschen zu erklären, dass man über eine rechtebasierte Politik weiterkommt als mit Gewalt. Das andere ist, dass der Kanon der Rechte ausgebaut und präzisiert werden kann – und das Letzte: Dass es zur Umsetzung eine gleichzeitig mutige und effiziente Exekutive braucht, die auch organisiert werden will, auch mit Verwaltung."
Bis 2017 sitzt er für die Grünen im Bundestag und ist dort unter anderem Mitglied des Menschenrechts-Ausschusses. Menschenrechte bleiben auch kurz vor seinem 75. Geburtstag das wichtigste Thema für ihn:
"Ich wünsche mir, dass die Menschenrechte stärker in den Vordergrund rücken und auch im Vordergrund bleiben, auch bei den Vereinten Nationen, aber vor allem natürlich in den nationalen Politiken in Europa – das ist das, was ich mir für die nächsten 25 Jahre wünsche."
(MA)