Grünen-Rentenexperte fordert Grundeinkommen statt Hartz-IV-Reform
Der rentenpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Wolfgang Strengmann-Kuhn, hat dafür plädiert, statt einer Hartz-IV-Reform ein Grundeinkommen für alle einzuführen.
Gabi Wuttke: Neue Milliardenbelastungen kommen wohl auf uns, die deutschen Steuerzahler zu, denn die Hartz-IV-Sätze sind verfassungswidrig. Statt wieder an einem komplizierten und ungerechten Gesetz herumzudoktern könnte jetzt auch das Ganze System umgestellt werden.
Alle staatlichen Leistungen kappen und stattdessen ein Grundeinkommen einführen! Wolfgang Strengmann-Kuhn kämpft seit vielen Jahren für die Einführung eines solchen Grundeinkommens. Er ist Volkswirt und rentenpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!
Wolfgang Strengmann-Kuhn: Guten Morgen, Frau Wuttke!
Wuttke: Deutschland hat einen Schuldenberg, hoch wie der Mount Everest. Plädieren Sie trotzdem weiter für ein Grundeinkommen, das an alle bezahlt wird?
Strengmann-Kuhn: Ja, eher noch mehr als vorher, weil es halt systematischer ist. Es schafft Sicherheit nach unten, und es ist ein System, was stärkere Leistungsanreize hat als das heutige System mit Hartz IV.
Wuttke: Welche Pflöcke schlagen Sie denn in Ihrem Modell konkret ein?
Strengmann-Kuhn: Also ein wesentlicher Punkt ist, dass es wirklich, jeder kriegt ein Existenzminimum, das ist ja auch etwas, was das Bundesverfassungsgericht jetzt gefordert hat, spricht vom Recht auf Existenzsicherung und das ist am besten eigentlich tatsächlich dadurch geschafft, dass wir ein Grundeinkommen haben. Ein zweiter Punkt ist, dadurch dass es jeder kriegt, kriegen es halt auch Erwerbstätige. Insofern ist das Problem, dass des Lohnabstandsgebots, was sich durch eine Erhöhung der Regelsätze noch verstärkt, damit eigentlich immer und automatisch gelöst.
Und das ist deswegen nicht schwieriger zu finanzieren, weil man das in das Steuersystem einbauen kann. Und dadurch ist es sogar günstiger als die zusätzlichen Sozialleistungen, die jetzt in der Diskussion sind mit Anhebung des Regelsatzes plus Zuverdienstmöglichkeiten, das ist da alles schon integriert.
Wuttke: Da müssen Sie uns jetzt mal eine Hausmarke nennen: Um wie viel Geld geht es in der Gegenfinanzierung, angesichts oder vor dem Schuldenberg Deutschlands stehend?
Strengmann-Kuhn: Also beim Grundeinkommen ist es so, dass zumindest in der Variante, in der ich das diskutiere, nämlich als Integration in die Einkommenssteuer, darum, dass dadurch die Steuerfreibeträge komplett ersetzt werden, und dadurch kriegt man erheblich mehr Einnahmen als man die jetzt hat in dem hiesigen Steuersystem.
Außerdem fallen auf der anderen Seite eine ganze Reihe von Sozialleistungen weg, übrigens nicht alle, sondern nur die, die sozusagen die Grundsicherung darstellen. Und über diese beiden Hebel kriegt man eine Finanzierung hin, die halt tatsächlich das Grundeinkommen vollständig finanziert, kostenneutral zu Steuersätzen von 35 bis 40 Prozent bei einer Größenordnung von 800 Euro Mindesteinkommen pro Person. Ich habe da eine Studie gemacht für die Konrad-Adenauer-Stiftung, wo ich das Althaus-Modell, also in Klammern CDU, durchgerechnet habe, der ja auch eine ähnliche Vorstellung hat.
Wuttke: Kostenneutralität, da müssten doch auch in den anderen Parteien die Augen blinken. Etwas Schöneres kann man doch eigentlich nicht anbieten. Wie sieht es jetzt, auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Hartz IV, aus im Deutschen Bundestag: Haben Sie mehr Menschen aus den unterschiedlichen Parteien hinter Ihr Modell stellen können oder sieht man trotzdem, dass es nicht darum herum geht, dass man an Hartz IV doch weiter herumdoktert?
Strengmann-Kuhn: Also es gibt Vertreter in allen Parteien und auch in allen Bundestagsfraktionen, die für so ein Modell des Grundeinkommens sind. Am meisten bei den Grünen, am zweitmeisten bei der CDU und am drittmeisten bei den Linken – auch eine interessante Konstellation –, aber es ist in allen Parteien immer noch eine Minderheit. Wir hatten mal auf einem Parteitag 42 Prozent Zustimmung, also fast eine Mehrheit, aber auch nur fast.
Wuttke: Weil auch die ein Grundeinkommen bekämen, die es gar nicht nötig haben, hält, um mal eine Stimme dagegen anzuführen, Carsten Schneider von der SPD ein Grundeinkommen für zutiefst unsozial. Sie haben eingangs unseres Gesprächs gesagt, es sei ein sehr soziales System. Was halten Sie ihm also genau entgegen?
Strengmann-Kuhn: Ja, es ist gerade in der SPD noch so, dass da viele diese Grundeinkommensidee nicht wirklich verstanden haben.
Wuttke: Aha!
Strengmann-Kuhn: Also, wenn es in die Einkommenssteuer integriert wird, ersetzt es die jetzigen Freibeträge und dadurch zahlen die Reichen mehr, weil sie halt nur noch das Grundeinkommen von ihrer Steuerlast absetzen können und jetzt nicht mehr alle möglichen anderen Leistungen. Diese Möglichkeit, die Steuerbemessungsbasis zu reduzieren, ist zutiefst unsozial, weil davon die Reichen in sehr hohem Maße profitieren.
Wuttke: Und das heißt, Sie halten auch nichts von der Meinung des Sozialdemokraten, dass die Gefahr sich ausbreitender Hängemattenmentalität besteht?
Strengmann-Kuhn: Nein, überhaupt nicht, im Gegenteil. Also ich habe ja vorhin gesagt, es kriegen ja auch Erwerbstätige. Und die Debatte über den Lohnabstand ist eigentlich weg damit, weil es ist klar: Jeder Euro, den ich selber verdiene, von dem kann ich zumindestens einen größeren Teil selber behalten. Das heißt, es lohnt sich selbständige Tätigkeit, es lohnt sich jede Form von Teilzeittätigkeit. Insofern ist es eher etwas, was Eigeninitiative weckt als jetzt dafür sorgt, dass man sich in die Hängematte legt.
Wuttke: Statt in die staatliche Rentenkasse einzuzahlen, soll jeder dann auch für seine eigene Rente sparen. Wenn das ein Beispiel für den Systemwechsel ist, für den Sie plädieren, müssen Sie uns noch ein ganz kurzes Wort dazu sagen, wie Sie sich Übergangszeiten von einem System ins andere ganz praktisch vorstellen?
Strengmann-Kuhn: Bei der Rente ganz deutlich, also es ist nicht die Ersetzung der kompletten Rente, sondern nur der Mindestsicherung in der Rente. Jeder kriegt ein Minimum garantiert und darüber hinaus zahlt man nach wie vor ein, aber weniger als in dem jetzigen System, damit man halt eben nicht auf die Kapitalmärkte verwiesen ist und sparen muss, sondern es muss darüber hinaus auch eine solidarische Absicherung geben.
Und ein Zwischenschritt dahin wäre eine Garantierente, die steuerfinanziert ist und mit der geringe Rentenansprüche auf so ein Minimum aufgestockt wird. Dadurch kriegt man das Prinzip des Grundeinkommens auch in das jetzige Rentensystem mitintegriert.
Wuttke: Die Vorteile eines Grundeinkommens für alle. Dazu im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur der Grünen-Politiker Wolfgang Strengmann-Kuhn. Er ist der rentenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Ich danke Ihnen sehr und wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Strengmann-Kuhn: Danke Ihnen!
Alle staatlichen Leistungen kappen und stattdessen ein Grundeinkommen einführen! Wolfgang Strengmann-Kuhn kämpft seit vielen Jahren für die Einführung eines solchen Grundeinkommens. Er ist Volkswirt und rentenpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!
Wolfgang Strengmann-Kuhn: Guten Morgen, Frau Wuttke!
Wuttke: Deutschland hat einen Schuldenberg, hoch wie der Mount Everest. Plädieren Sie trotzdem weiter für ein Grundeinkommen, das an alle bezahlt wird?
Strengmann-Kuhn: Ja, eher noch mehr als vorher, weil es halt systematischer ist. Es schafft Sicherheit nach unten, und es ist ein System, was stärkere Leistungsanreize hat als das heutige System mit Hartz IV.
Wuttke: Welche Pflöcke schlagen Sie denn in Ihrem Modell konkret ein?
Strengmann-Kuhn: Also ein wesentlicher Punkt ist, dass es wirklich, jeder kriegt ein Existenzminimum, das ist ja auch etwas, was das Bundesverfassungsgericht jetzt gefordert hat, spricht vom Recht auf Existenzsicherung und das ist am besten eigentlich tatsächlich dadurch geschafft, dass wir ein Grundeinkommen haben. Ein zweiter Punkt ist, dadurch dass es jeder kriegt, kriegen es halt auch Erwerbstätige. Insofern ist das Problem, dass des Lohnabstandsgebots, was sich durch eine Erhöhung der Regelsätze noch verstärkt, damit eigentlich immer und automatisch gelöst.
Und das ist deswegen nicht schwieriger zu finanzieren, weil man das in das Steuersystem einbauen kann. Und dadurch ist es sogar günstiger als die zusätzlichen Sozialleistungen, die jetzt in der Diskussion sind mit Anhebung des Regelsatzes plus Zuverdienstmöglichkeiten, das ist da alles schon integriert.
Wuttke: Da müssen Sie uns jetzt mal eine Hausmarke nennen: Um wie viel Geld geht es in der Gegenfinanzierung, angesichts oder vor dem Schuldenberg Deutschlands stehend?
Strengmann-Kuhn: Also beim Grundeinkommen ist es so, dass zumindest in der Variante, in der ich das diskutiere, nämlich als Integration in die Einkommenssteuer, darum, dass dadurch die Steuerfreibeträge komplett ersetzt werden, und dadurch kriegt man erheblich mehr Einnahmen als man die jetzt hat in dem hiesigen Steuersystem.
Außerdem fallen auf der anderen Seite eine ganze Reihe von Sozialleistungen weg, übrigens nicht alle, sondern nur die, die sozusagen die Grundsicherung darstellen. Und über diese beiden Hebel kriegt man eine Finanzierung hin, die halt tatsächlich das Grundeinkommen vollständig finanziert, kostenneutral zu Steuersätzen von 35 bis 40 Prozent bei einer Größenordnung von 800 Euro Mindesteinkommen pro Person. Ich habe da eine Studie gemacht für die Konrad-Adenauer-Stiftung, wo ich das Althaus-Modell, also in Klammern CDU, durchgerechnet habe, der ja auch eine ähnliche Vorstellung hat.
Wuttke: Kostenneutralität, da müssten doch auch in den anderen Parteien die Augen blinken. Etwas Schöneres kann man doch eigentlich nicht anbieten. Wie sieht es jetzt, auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Hartz IV, aus im Deutschen Bundestag: Haben Sie mehr Menschen aus den unterschiedlichen Parteien hinter Ihr Modell stellen können oder sieht man trotzdem, dass es nicht darum herum geht, dass man an Hartz IV doch weiter herumdoktert?
Strengmann-Kuhn: Also es gibt Vertreter in allen Parteien und auch in allen Bundestagsfraktionen, die für so ein Modell des Grundeinkommens sind. Am meisten bei den Grünen, am zweitmeisten bei der CDU und am drittmeisten bei den Linken – auch eine interessante Konstellation –, aber es ist in allen Parteien immer noch eine Minderheit. Wir hatten mal auf einem Parteitag 42 Prozent Zustimmung, also fast eine Mehrheit, aber auch nur fast.
Wuttke: Weil auch die ein Grundeinkommen bekämen, die es gar nicht nötig haben, hält, um mal eine Stimme dagegen anzuführen, Carsten Schneider von der SPD ein Grundeinkommen für zutiefst unsozial. Sie haben eingangs unseres Gesprächs gesagt, es sei ein sehr soziales System. Was halten Sie ihm also genau entgegen?
Strengmann-Kuhn: Ja, es ist gerade in der SPD noch so, dass da viele diese Grundeinkommensidee nicht wirklich verstanden haben.
Wuttke: Aha!
Strengmann-Kuhn: Also, wenn es in die Einkommenssteuer integriert wird, ersetzt es die jetzigen Freibeträge und dadurch zahlen die Reichen mehr, weil sie halt nur noch das Grundeinkommen von ihrer Steuerlast absetzen können und jetzt nicht mehr alle möglichen anderen Leistungen. Diese Möglichkeit, die Steuerbemessungsbasis zu reduzieren, ist zutiefst unsozial, weil davon die Reichen in sehr hohem Maße profitieren.
Wuttke: Und das heißt, Sie halten auch nichts von der Meinung des Sozialdemokraten, dass die Gefahr sich ausbreitender Hängemattenmentalität besteht?
Strengmann-Kuhn: Nein, überhaupt nicht, im Gegenteil. Also ich habe ja vorhin gesagt, es kriegen ja auch Erwerbstätige. Und die Debatte über den Lohnabstand ist eigentlich weg damit, weil es ist klar: Jeder Euro, den ich selber verdiene, von dem kann ich zumindestens einen größeren Teil selber behalten. Das heißt, es lohnt sich selbständige Tätigkeit, es lohnt sich jede Form von Teilzeittätigkeit. Insofern ist es eher etwas, was Eigeninitiative weckt als jetzt dafür sorgt, dass man sich in die Hängematte legt.
Wuttke: Statt in die staatliche Rentenkasse einzuzahlen, soll jeder dann auch für seine eigene Rente sparen. Wenn das ein Beispiel für den Systemwechsel ist, für den Sie plädieren, müssen Sie uns noch ein ganz kurzes Wort dazu sagen, wie Sie sich Übergangszeiten von einem System ins andere ganz praktisch vorstellen?
Strengmann-Kuhn: Bei der Rente ganz deutlich, also es ist nicht die Ersetzung der kompletten Rente, sondern nur der Mindestsicherung in der Rente. Jeder kriegt ein Minimum garantiert und darüber hinaus zahlt man nach wie vor ein, aber weniger als in dem jetzigen System, damit man halt eben nicht auf die Kapitalmärkte verwiesen ist und sparen muss, sondern es muss darüber hinaus auch eine solidarische Absicherung geben.
Und ein Zwischenschritt dahin wäre eine Garantierente, die steuerfinanziert ist und mit der geringe Rentenansprüche auf so ein Minimum aufgestockt wird. Dadurch kriegt man das Prinzip des Grundeinkommens auch in das jetzige Rentensystem mitintegriert.
Wuttke: Die Vorteile eines Grundeinkommens für alle. Dazu im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur der Grünen-Politiker Wolfgang Strengmann-Kuhn. Er ist der rentenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Ich danke Ihnen sehr und wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Strengmann-Kuhn: Danke Ihnen!