Grüner Aufbruch in Japan
Japan sei zu einseitig auf den wirtschaftlichen Erfolg fixiert, sagt Tomoyuki Takada, Mitglied der japanischen Grünen. Nicht nur die Energie, auch die Demokratie müsse in die Hände der Menschen zurückkehren. Die japanische Regierung habe "das Vertrauen der Bevölkerung verloren".
Matthias Hanselmann: Das hätten wir an einem Tag nicht geschafft. Das sagte die grüne Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn beim Gründungsparteitag der Grünen Partei Japans, bei dem sie am Wochenende zu Gast war. Und tatsächlich: Innerhalb eines japanisch disziplinierten Tages haben sich die japanischen Grünen gerade einen Namen, eine Satzung und ein Parteiprogramm gegeben und das Parteikomitee gewählt.
"Sayonara Kernenergie" war im Gründungssaal zu lesen, und es lachte die deutsche Sonne mit der Aufschrift "Atomkraft? Nein danke!" an der Wand. Ich habe vor der Sendung mit Tomoyuki Takada gesprochen, er ist Mitglied der japanischen Grünen, lebt seit Langem in Deutschland, arbeitet unter anderem als Dolmetscher und hat die Grünen in Japan mit gegründet.
In Deutschland ist schon einiges über Takada geschrieben worden, zum Beispiel, dass er kurz nach der Katastrophe von Fukushima nach Japan geflogen sei, um dort seinen Landsleuten das Protestieren erst mal beizubringen. Ich wollte wissen, ob das überhaupt stimmt und wie es zu seinem Entschluss gekommen ist.
Tomoyuki Takada: Ja, erstens, ich war vor Fukushima-Unfall schon aktiv in der japanischen Anti-AKW-Bewegung. Es gab einen ziemlich unmöglichen AKW-Bauplan im Westen Japans, wo gegen die Fischer seit 28 Jahren Widerstand geleistet hatten.
Aber der Widerstand war gerade dabei, zusammenzubrechen oder unterdrückt zu werden. Da bin ich dann im Sommer 2010 aktiv geworden. Und das war der Hintergrund, dass ich nach Fukushima wirklich deutlich stärker mich engagiert hatte.
Aber ich möchte wirklich sagen, das wäre anmaßend und total falsch, wenn ich dann als Einzelperson aus Deutschland kommend irgendwas machen könnte. Es gab in Japan große Demonstrationskultur in den 60er-Jahren und 70er-Jahren. Aber in den letzten 30, 40 Jahren hat sich die japanische Gesellschaft sehr konservativ weiterentwickelt, sodass die Demokultur dann verloren gegangen ist.
Hanselmann: Sie sind in doppelter oder dreifacher Funktion unterwegs als Anti-Atom-Aktivist, als Übersetzer für Bärbel Höhn und eben auch als Privatmann, der sich engagiert aus Deutschland heraus. Ich möchte noch mal wissen: zwei Jutetaschen mit dem japanischen Aufdruck "Atomkraft! Nein danke!" haben am Anfang wohl eine wichtige Rolle gespielt. Was war da?
Takada: Das war echt ein Glück. Ich habe das in einem Bioladen Anfang April nach Fukushima gefunden, ich dachte, oh, das ist gut, das ist nicht so, wie wir in dann in Japan kennen, andererseits sehr deutlich und auch fröhliche Farben, und das könnte als Einkaufstasche auch in Japan eingesetzt werden dann.
Damals waren Demos schwierig. Dann kann man auch auf der Straße alleine oder zu zweit gehen. Damit kann man viel leichter seine Protesthaltung darstellen. Und so ist es mir nach ein paar Monaten gelungen, mit japanischen Freunden in Japan zusammen dann 1300 Stück nach Japan zu schicken, und heute, egal auf welcher Demo, sieht man diese große Jutetasche mit "Atomkraft? Nein danke!"
Hanselmann: Auf Japanisch.
Takada: Die Rückseite ist japanisch. Und dann habe ich danach, dieses Jahr sogar eine kleinere Jutetasche selber entworfen, damit man sie für den Einkauf noch leichter mitnehmen kann. Davon sind auch noch ein paar hundert Stück in Japan unterwegs. Aber die größere, die hat sogar der frühere Premierminister, der dann als hochrangiger Politiker fast alleine steht, jetzt für den Atomausstieg ausgesprochen hat, der hat auch unsere Tasche bekommen.
Hanselmann: Großartig. Das erinnert mich allerdings an Zeiten in Deutschland, ja, Anfang der 80er-Jahre. Also, da gibt es noch viel Arbeit zu tun in Japan. Wie gründet man denn überhaupt in Japan eine grüne Partei? Wie geht das?
Takada: Also grüne Partei, also Vororganisationen hat es in Japan, soviel ich weiß, ungefähr vor 20 Jahren gegeben, da hatten wir im Oberhaus, das war ein sehr engagierter liberaler Schauspieler, Nakamura, der hat so eine grünenähnliche Organisation gehabt, und dann hat er nur eine Wahlperiode gehalten.
Danach gab es immer wieder Versuche, aber die japanischen Grünen sind jetzt stärker geworden, also nach Fukushima haben die deutlich Zuspruch, und auch die Mitgliedschaft ist deutlich mehr geworden, und vor drei Tagen haben die japanischen Grünen ihren ersten Parteitag gehabt, also sie sind jetzt als politische Partei offiziell gegründet worden. Und da, zu diesem Gründungsfest hatte man auch Frau Bärbel Höhn aus Deutschland eingeladen. Aber, weil die Grünen haben so ein Global Greens, weltweite Organisation, dazu gehören auch die japanischen Grünen, und sie haben auch Australien, aus Taiwan und aus Korea auch die Grünenpolitiker eingeladen.
Hanselmann: Die offizielle Anerkennung als Partei steht noch aus, aber Sie sind sich sicher, dass die bald folgt, oder?
Takada: Ist anerkannt, ist eingetragen, aber die sind noch nicht im Parlament, in dem nationalen Parlament. Und das ist das nächste Ziel. Aber die Mitglieder der überregionalen Kommission der japanischen Grünen, das sind 34, wie in Deutschland Quotensystem, die Hälfte Frauen, die Hälfte Männer.
Was dann bei den japanischen Parlamentariern sehr selten ist oder ein Novum ist. Und von diesen 34 Leuten über die Hälfte sind in den kommunalen Stadträten und so weiter vertreten.
Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, das Radiofeuilleton, wir sprechen mit Tomoyuki Takada, der überwiegend in Deutschland lebt, über die Gründung der japanischen Grünen und das Verhältnis der Japaner zum Protest allgemein. Herr Takada, wie erklären Sie sich das, was Sie am Anfang angesprochen haben, dass es in Japan in den letzten Jahren so gut wie keine Demonstrationskultur mehr gegeben hat und nach Fukushima so gut wie keine Proteste in Japan entstanden sind, zunächst jedenfalls.
Takada: Ja, also die Bevölkerung war an der Politik desinteressiert und hat diese kulturellen Eigenschaften, dass die meisten Japaner nicht aus der Gruppe herauskommen wollen und sich nicht so in der Öffentlichkeit auffällig machen wollen.
Das hat sicher einen Teil gespielt. Aber ganz wichtig ist, dass Fukushima jetzt gezeigt hat, dass wir dann unsere Demokratie funktioniert nicht, die japanische Regierung hat dermaßen das Vertrauen der Bevölkerung verloren. Und, dass dann diese Atomdos, wie wir sagen, diese Atomlobby in Japan, die Stromkonzerne, unsere Gesellschaftsmedien dermaßen beherrschen.
Und da ist Unmut größer geworden in den ersten Monaten sind die Japaner aber mit dem Tsunami und der Erdbebenkatastrophe beschäftigt, aber seit dem letzten Sommer gibt es einen deutlichen Anstieg der Demonstranten zu den Kundgebungsveranstaltungen. Jetzt haben wir aber im April einmal AKW-Nullstand erreicht.
Was dann auch dem großen Teil der Bevölkerungsstimmung entsprach, und die japanische Regierung hat aber jetzt zwei hochgefahren. Und seitdem gibt es sehr, sehr große Protestwellen. Die Freitagsdemos im Regierungsviertel sind schon eine Institution geworden, und am letzten Sonntag, wenn dann die Polizeimeldungen 17.000 Leute als Teilnehmerzahl sagt, das ist glatte Lüge.
Das waren sicher irgendwo zwischen 150.000 und 200.000 Menschen auf die Straße und vor dem Parlamentsgebäude protestiert. Aber das Polizeiaufgebot ist riesengroß. Und wir werden sehr weit zurückgehalten vor dem Parlamentsgebäude. Aber dieser Unmut wird noch stärker, und ich denke, das sind schon gesellschaftsverändernde Kräfte geworden. Aber wir haben momentan noch keine Möglichkeiten, diesen Unmut politisch zu kanalisieren.
Hanselmann: Seit es Ihre grüne, die neue japanische grüne Partei gibt, gibt es ja doch eine, sagen wir Speerspitze dieser Bewegung. Glauben Sie, dass diese zigtausende von Menschen, die jetzt demonstrieren in Japan, ein Dach finden, eine Organisation in Ihrer Partei?
Takada: Ja, das wäre die Aufgabe der japanischen Grünen. Ich bin auch Mitglied dieser Partei, und ich hoffe das, aber wir sind organisatorisch eher schwach und wir sind nicht so bekannt in der japanischen allgemeinen Öffentlichkeit. Aber das wäre aber die Aufgabe, die die japanischen Grünen wahrnehmen sollten. Und ich denke, dass wir in ein, zwei Jahren uns schon zu einer großen Kraft entwickeln können. Aber wir sind momentan wirklich gerade geboren, entstanden. Aufbauarbeit kommt jetzt.
Hanselmann: Ich denke eben wieder an die Gründungszeit der Grünen in Deutschland Anfang der 80er. Was wollen denn die japanischen Grünen sonst noch erreichen, außer den Anti-AKW-Protest zu transportieren?
Takada: Ja, Abschied von dem einseitigen Wirtschaftswachstumsglauben in der japanischen Gesellschaft. Und dann viel flachere Hierarchien im Allgemeinen in den gesellschaftlichen Formationen. Und dann Rückgewinnung der landwirtschaftlichen Selbstständigkeit.
Wir haben eine Sitzung gerade, unter den Industrieländern haben wir die niedrigste Selbstversorgungsrate. Und, ja, es gibt noch weitere Themen. Auch dann, die Arbeit mehr teilen und dann Arbeitnehmern mehr Freizeit zu geben.
Also Japan ist dann, insgesamt betrachtet, muss man sagen, zu einseitig zum wirtschaftlichen Erfolg hin entwickelt worden. Und die Staatsbehörde hat auch dann einseitig das national gelenkt. Wir müssen nicht nur Energie, sondern auch Demokratie und individuelle Lebensentwurfsmöglichkeiten in die Hände der einzelnen Menschen zurückbekommen. Ich glaube, das ist das Programm, das die japanischen Grünen haben.
Hanselmann: Für einen grünen Aufbruch in Japan plädiert Tomoyuki Takada, er ist Dolmetscher, Anti-Atom-Aktivist, Mitglied der japanischen Grünen, der überwiegend in Deutschland lebt. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Takada!
Takada: Ja, bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
"Sayonara Kernenergie" war im Gründungssaal zu lesen, und es lachte die deutsche Sonne mit der Aufschrift "Atomkraft? Nein danke!" an der Wand. Ich habe vor der Sendung mit Tomoyuki Takada gesprochen, er ist Mitglied der japanischen Grünen, lebt seit Langem in Deutschland, arbeitet unter anderem als Dolmetscher und hat die Grünen in Japan mit gegründet.
In Deutschland ist schon einiges über Takada geschrieben worden, zum Beispiel, dass er kurz nach der Katastrophe von Fukushima nach Japan geflogen sei, um dort seinen Landsleuten das Protestieren erst mal beizubringen. Ich wollte wissen, ob das überhaupt stimmt und wie es zu seinem Entschluss gekommen ist.
Tomoyuki Takada: Ja, erstens, ich war vor Fukushima-Unfall schon aktiv in der japanischen Anti-AKW-Bewegung. Es gab einen ziemlich unmöglichen AKW-Bauplan im Westen Japans, wo gegen die Fischer seit 28 Jahren Widerstand geleistet hatten.
Aber der Widerstand war gerade dabei, zusammenzubrechen oder unterdrückt zu werden. Da bin ich dann im Sommer 2010 aktiv geworden. Und das war der Hintergrund, dass ich nach Fukushima wirklich deutlich stärker mich engagiert hatte.
Aber ich möchte wirklich sagen, das wäre anmaßend und total falsch, wenn ich dann als Einzelperson aus Deutschland kommend irgendwas machen könnte. Es gab in Japan große Demonstrationskultur in den 60er-Jahren und 70er-Jahren. Aber in den letzten 30, 40 Jahren hat sich die japanische Gesellschaft sehr konservativ weiterentwickelt, sodass die Demokultur dann verloren gegangen ist.
Hanselmann: Sie sind in doppelter oder dreifacher Funktion unterwegs als Anti-Atom-Aktivist, als Übersetzer für Bärbel Höhn und eben auch als Privatmann, der sich engagiert aus Deutschland heraus. Ich möchte noch mal wissen: zwei Jutetaschen mit dem japanischen Aufdruck "Atomkraft! Nein danke!" haben am Anfang wohl eine wichtige Rolle gespielt. Was war da?
Takada: Das war echt ein Glück. Ich habe das in einem Bioladen Anfang April nach Fukushima gefunden, ich dachte, oh, das ist gut, das ist nicht so, wie wir in dann in Japan kennen, andererseits sehr deutlich und auch fröhliche Farben, und das könnte als Einkaufstasche auch in Japan eingesetzt werden dann.
Damals waren Demos schwierig. Dann kann man auch auf der Straße alleine oder zu zweit gehen. Damit kann man viel leichter seine Protesthaltung darstellen. Und so ist es mir nach ein paar Monaten gelungen, mit japanischen Freunden in Japan zusammen dann 1300 Stück nach Japan zu schicken, und heute, egal auf welcher Demo, sieht man diese große Jutetasche mit "Atomkraft? Nein danke!"
Hanselmann: Auf Japanisch.
Takada: Die Rückseite ist japanisch. Und dann habe ich danach, dieses Jahr sogar eine kleinere Jutetasche selber entworfen, damit man sie für den Einkauf noch leichter mitnehmen kann. Davon sind auch noch ein paar hundert Stück in Japan unterwegs. Aber die größere, die hat sogar der frühere Premierminister, der dann als hochrangiger Politiker fast alleine steht, jetzt für den Atomausstieg ausgesprochen hat, der hat auch unsere Tasche bekommen.
Hanselmann: Großartig. Das erinnert mich allerdings an Zeiten in Deutschland, ja, Anfang der 80er-Jahre. Also, da gibt es noch viel Arbeit zu tun in Japan. Wie gründet man denn überhaupt in Japan eine grüne Partei? Wie geht das?
Takada: Also grüne Partei, also Vororganisationen hat es in Japan, soviel ich weiß, ungefähr vor 20 Jahren gegeben, da hatten wir im Oberhaus, das war ein sehr engagierter liberaler Schauspieler, Nakamura, der hat so eine grünenähnliche Organisation gehabt, und dann hat er nur eine Wahlperiode gehalten.
Danach gab es immer wieder Versuche, aber die japanischen Grünen sind jetzt stärker geworden, also nach Fukushima haben die deutlich Zuspruch, und auch die Mitgliedschaft ist deutlich mehr geworden, und vor drei Tagen haben die japanischen Grünen ihren ersten Parteitag gehabt, also sie sind jetzt als politische Partei offiziell gegründet worden. Und da, zu diesem Gründungsfest hatte man auch Frau Bärbel Höhn aus Deutschland eingeladen. Aber, weil die Grünen haben so ein Global Greens, weltweite Organisation, dazu gehören auch die japanischen Grünen, und sie haben auch Australien, aus Taiwan und aus Korea auch die Grünenpolitiker eingeladen.
Hanselmann: Die offizielle Anerkennung als Partei steht noch aus, aber Sie sind sich sicher, dass die bald folgt, oder?
Takada: Ist anerkannt, ist eingetragen, aber die sind noch nicht im Parlament, in dem nationalen Parlament. Und das ist das nächste Ziel. Aber die Mitglieder der überregionalen Kommission der japanischen Grünen, das sind 34, wie in Deutschland Quotensystem, die Hälfte Frauen, die Hälfte Männer.
Was dann bei den japanischen Parlamentariern sehr selten ist oder ein Novum ist. Und von diesen 34 Leuten über die Hälfte sind in den kommunalen Stadträten und so weiter vertreten.
Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, das Radiofeuilleton, wir sprechen mit Tomoyuki Takada, der überwiegend in Deutschland lebt, über die Gründung der japanischen Grünen und das Verhältnis der Japaner zum Protest allgemein. Herr Takada, wie erklären Sie sich das, was Sie am Anfang angesprochen haben, dass es in Japan in den letzten Jahren so gut wie keine Demonstrationskultur mehr gegeben hat und nach Fukushima so gut wie keine Proteste in Japan entstanden sind, zunächst jedenfalls.
Takada: Ja, also die Bevölkerung war an der Politik desinteressiert und hat diese kulturellen Eigenschaften, dass die meisten Japaner nicht aus der Gruppe herauskommen wollen und sich nicht so in der Öffentlichkeit auffällig machen wollen.
Das hat sicher einen Teil gespielt. Aber ganz wichtig ist, dass Fukushima jetzt gezeigt hat, dass wir dann unsere Demokratie funktioniert nicht, die japanische Regierung hat dermaßen das Vertrauen der Bevölkerung verloren. Und, dass dann diese Atomdos, wie wir sagen, diese Atomlobby in Japan, die Stromkonzerne, unsere Gesellschaftsmedien dermaßen beherrschen.
Und da ist Unmut größer geworden in den ersten Monaten sind die Japaner aber mit dem Tsunami und der Erdbebenkatastrophe beschäftigt, aber seit dem letzten Sommer gibt es einen deutlichen Anstieg der Demonstranten zu den Kundgebungsveranstaltungen. Jetzt haben wir aber im April einmal AKW-Nullstand erreicht.
Was dann auch dem großen Teil der Bevölkerungsstimmung entsprach, und die japanische Regierung hat aber jetzt zwei hochgefahren. Und seitdem gibt es sehr, sehr große Protestwellen. Die Freitagsdemos im Regierungsviertel sind schon eine Institution geworden, und am letzten Sonntag, wenn dann die Polizeimeldungen 17.000 Leute als Teilnehmerzahl sagt, das ist glatte Lüge.
Das waren sicher irgendwo zwischen 150.000 und 200.000 Menschen auf die Straße und vor dem Parlamentsgebäude protestiert. Aber das Polizeiaufgebot ist riesengroß. Und wir werden sehr weit zurückgehalten vor dem Parlamentsgebäude. Aber dieser Unmut wird noch stärker, und ich denke, das sind schon gesellschaftsverändernde Kräfte geworden. Aber wir haben momentan noch keine Möglichkeiten, diesen Unmut politisch zu kanalisieren.
Hanselmann: Seit es Ihre grüne, die neue japanische grüne Partei gibt, gibt es ja doch eine, sagen wir Speerspitze dieser Bewegung. Glauben Sie, dass diese zigtausende von Menschen, die jetzt demonstrieren in Japan, ein Dach finden, eine Organisation in Ihrer Partei?
Takada: Ja, das wäre die Aufgabe der japanischen Grünen. Ich bin auch Mitglied dieser Partei, und ich hoffe das, aber wir sind organisatorisch eher schwach und wir sind nicht so bekannt in der japanischen allgemeinen Öffentlichkeit. Aber das wäre aber die Aufgabe, die die japanischen Grünen wahrnehmen sollten. Und ich denke, dass wir in ein, zwei Jahren uns schon zu einer großen Kraft entwickeln können. Aber wir sind momentan wirklich gerade geboren, entstanden. Aufbauarbeit kommt jetzt.
Hanselmann: Ich denke eben wieder an die Gründungszeit der Grünen in Deutschland Anfang der 80er. Was wollen denn die japanischen Grünen sonst noch erreichen, außer den Anti-AKW-Protest zu transportieren?
Takada: Ja, Abschied von dem einseitigen Wirtschaftswachstumsglauben in der japanischen Gesellschaft. Und dann viel flachere Hierarchien im Allgemeinen in den gesellschaftlichen Formationen. Und dann Rückgewinnung der landwirtschaftlichen Selbstständigkeit.
Wir haben eine Sitzung gerade, unter den Industrieländern haben wir die niedrigste Selbstversorgungsrate. Und, ja, es gibt noch weitere Themen. Auch dann, die Arbeit mehr teilen und dann Arbeitnehmern mehr Freizeit zu geben.
Also Japan ist dann, insgesamt betrachtet, muss man sagen, zu einseitig zum wirtschaftlichen Erfolg hin entwickelt worden. Und die Staatsbehörde hat auch dann einseitig das national gelenkt. Wir müssen nicht nur Energie, sondern auch Demokratie und individuelle Lebensentwurfsmöglichkeiten in die Hände der einzelnen Menschen zurückbekommen. Ich glaube, das ist das Programm, das die japanischen Grünen haben.
Hanselmann: Für einen grünen Aufbruch in Japan plädiert Tomoyuki Takada, er ist Dolmetscher, Anti-Atom-Aktivist, Mitglied der japanischen Grünen, der überwiegend in Deutschland lebt. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Takada!
Takada: Ja, bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.