Grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann

"Konservative streben nach notwendigen Reformen"

Porträt des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Grüne) beim Katholikentag in Münster 2018.
Plädoyer für das richtige Maß: der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Grüne). © imago / epd
Moderation: Julius Stucke |
Fortschrittlichkeit und konservatives Denken verbinden - darum geht es Winfried Kretschmann in seinem neuen Buch. Und dazu gehört dem Grünen-Politiker zufolge vor allem, das Maß zu bewahren. "Mutig ist Mitte", meint der grüne Realo.
Den Konservatismus neu denken - dafür plädiert der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann in seinem Buch "Worauf wir uns verlassen wollen".
"Wir sind ja in einer Zeit dramatischer Umbrüche und großer Herausforderungen", sagte Kretschmann im Deutschlandfunk Kultur. "Denken Sie an den Klimawandel, denken Sie an die ganze digitale Revolution, die alles umwälzt. Das Auto wird gerade neu erfunden. Der internationale Terrorismus. Die riesigen Flüchtlingsbewegungen auf der ganzen Welt."
All das verunsichere die Menschen, so der Grünen-Politiker: "Sie haben manchmal das Gefühl, die Kontrolle über alles ist nicht mehr da, und in solch einer Zeit fragen sich natürlich die Leute: Woran kann ich mich noch halten? Woran soll ich mich orientieren?"

Eine einfache, klare Sprache finden

In dieser Situation gelte es, gemeinsame Werte und Grundüberzeugungen zu finden. Zum Beispiel Maß und Mitte: "Dass man sich an irgendwas orientieren kann jenseits der Extreme", so Kretschmann mit Blick auf das Erstarken der Rechtspopulisten.
Oder: die Schöpfung bewahren. "Sie sollte nicht ärmer werden. Wir dürfen keine Arten ausrotten, wir sollten das Klima nicht weiter gefährden. Das ist eine echte konservative Idee im Sinne des Bewahrens von dessen, was gar nicht in unserer Macht und Verfügung steht."
Oder: die offene Gesellschaft und den Freihandel verteidigen. "Das sind ja alles wichtige Werte", betonte der Grünen-Realo.
Oder: Höflichkeit und Klarheit in der Sprache. "Das ist auch etwas ins Abseits geraten", räumte Kretschmann ein. "Wir müssen auch da die richtige Mitte finden zwischen Verbalradikalismus bis hin zu Hassreden und einer political correctness, angehäuft mit sehr vielen Anglizismen, die dann Teile der Bevölkerung gar nicht mehr verstehen."

Konservative wollen keine Revolutionen

Konservativ ist für den baden-württembergischen Ministerpräsidenten an diesen Ansätzen, dass sie nach dem suchen, was auch im Wandel bleibt. "Das ist damit gemeint – ganz im Gegensatz zu Leuten, die jetzt eine konservative Revolution ausrufen wollen. Revolution ist nämlich nicht das, wonach Konservative streben, sondern nach Reformen, die notwendig sind."
(uko)

Winfried Kretschmann: "Worauf wir uns verlassen wollen. Für eine neue Idee des Konservativen"
Verlag S. Fischer, Frankfurt/Main 2018
160 Seiten, 13 Euro
Erscheint am 4. Oktober.

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