Pilotprojekt in Schleswig-Holstein

Grün erzeugter Wasserstoff für grüneren Kraftstoff

08:17 Minuten
Die Raffinerie Heide GmbH mit beleuchteten Türmen und Industrieanlagen im Abendlicht.
"Sehr, sehr viel Wasserstoff" braucht die Raffinerie. Dieser Wasserstoff soll künftig in der Nachbarschaft und mit Hilfe grüner Energiequellen produziert werden. © imago / Olaf Döring
Von Jörn Schaar |
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Die Bundesregierung will wegen der Energiekrise Wasserstoff importieren. Dabei haben vor zwei Jahren die fünf Nordländer beschlossen, die umweltfreundliche Wasserstoffproduktion voranzutreiben. Das Beispiel Schleswig-Holstein zeigt, warum das nicht so einfach ist.
Es ist das vermutlich ambitionierteste Wasserstoffprojekt in Schleswig-Holstein: "Westküste100". Es soll eine ganze Raffinerie dekarbonisieren – also den CO2-Ausstoß senken. In Hemmingstedt bei Heide steht die Raffinerie und produziert pro Jahr rund 4,5 Millionen Tonnen Diesel, Heizöl und Kerosin und dafür wird schon jetzt Wasserstoff eingesetzt.
Weil der aber mit Strom aus einer fossilen Quelle produziert wird, soll er künftig durch so genannten grünen Wasserstoff ersetzt werden. Mitten auf dem Werksgelände steht Michael Loop auf einem etwa fußballfeldgroßen Platz.

Bislang nicht mehr als Schotter

Mehr als Schotter ist hier nicht zu sehen. Noch nicht: „Hier soll eine 30 Megawatt-Elektrolyse-Anlage entstehen, wir wollen aus Wasser und Strom Wasserstoff herstellen. Das ist ein Teil, dafür brauchen wir einen großen Stromanschluss, dafür braucht man Transformatoren, viele Kabel und das soll auch alles hier auf den Platz und braucht dazu dann noch Nebenstoffströme, wie Dampf oder Stickstoff. Das ist eben auch schon alles hier parat“, so Michael Loop.
Nahaufnahme von Industieanlagen und Schornsteinen der Raffinerie Heide.
Nicht alle Produktionsschritte der Raffinerie Heide können umweltverträglicher gestaltet werden, aber einzelne Arbeitsprozesse sollen es künftig sein.© imago / Olaf Döring
Der fertige Wasserstoff solle zunächst ausschließlich in der Raffinerie genutzt werden, so Loop.
"Wir haben einen Hydrocracker hier in der Raffinerie, das ist das so genannte Herzstück der Raffinerie, und im Hydrocracker wird unter Zugabe von Wasserstoff Rohöl veredelt. Da machen wir also noch mal ein gutes Produkt draus und da brauchen wir sehr, sehr viel Wasserstoff. Da ist es so, dass wir momentan eine externe Quelle auch benutzen, um Wasserstoff hier ins Werk zu bekommen. Die ist fossil, da wird Wasserstoff aus einer fossilen Quelle gemacht, und diese würden wir gerne ersetzen durch grünen Wasserstoff."

Der erste Schritt: ein Elektrolyseur

Für diesen ersten Schritt plant die Raffinerie mit einem Elektrolyseur mit einer Leistung von 30 Megawatt. „Reallabor“ nennt man das, wenn ein neuer Prozess unter realen Bedingungen erforscht wird, bevor man hochskaliert. Die nächste Elektrolyse-Anlage soll mehr als 20 mal so viel Leistung haben und dann auch ganz neue Produkte ermöglichen:
„Es gibt da verschiedene Wege, die man gehen kann. Und ein spannender Weg davon ist Methanol herzustellen. Wasserstoff und CO2, dann hat man quasi die Bausteine wie beim LEGO. Man kann das dann zusammensetzen zu Methanol, was dann quasi auch ein Lego-Baustein ist, aus Methanol kann man ganz viele andere Dinge auch zusammenbasteln.
Unter anderem Treibstoffe auch, und gerade Flüssigtreibstoffe für zum Beispiel Flugzeuge werden sicherlich noch lange gebraucht werden, Methanol kann aber auch in Schiffen direkt eingesetzt werden als Treibstoff, Methanol kann als Grundstoff für die chemische Industrie auch dienen, also da gucken wir, dass wir Methanol herstellen und aus diesem Methanol dann eben die weiteren Produkte, die wir jetzt nur fossil herstellen können, dann eben aber grün herstellen können.“

Projekt wird wissenschaftlich begleitet

Wissenschaftlich wird das Projekt von der Fachhochschule Westküste begleitet. Dort leitet Prof. Oliver Opel unter anderem auch das Wasserstoff-Kompetenz-Zentrum des Landes, in dem die Wasserstoff-Forschung in Schleswig-Holstein gebündelt ist. Dabei geht es nicht darum, zu erforschen, wie man Wasserstoff erzeugt, sagt er:
„Wir machen in Schleswig-Holstein hauptsächlich anwendungsorientierte Forschung, also wie wir in den einzelnen Sektoren Wasserstoff sinnvoll einsetzen können. Also wo kriegen wir den größten CO2-Einspareffekt durch den Einsatz von Wasserstoff?"
Das größte Potential für CO2-Einsparungen sieht Opel in den Bereichen, wo Wasserstoff direkt im Produktionsprozess genutzt werden kann – etwa in der Raffinerie in Hemmingstedt oder in der Stahlproduktion: „Da werden enorme Mengen CO2 frei, weil Koks als Reduktionsmittel verwendet wird. Dort erneuerbaren Wasserstoff einzusetzen hat einen um Faktoren größeren Einspareffekt als beispielsweise in der Mobilität oder der schlechteste Fall ist die Gebäudebeheizung.“
Blick auf die Wasserstoff-Produktionsanlage des größten deutschen Wasserstoffmobilitätsprojekts eFarm. Hier soll künftig mit Windkraft Wasserstoff für die Nutzung in Fahrzeugen und Betrieben hergestellt werden.
Blick auf die Wasserstoff-Produktionsanlage des größten deutschen Wasserstoffmobilitätsprojekts eFarm. Hier soll mit Windkraft Wasserstoff für die Nutzung in Fahrzeugen und Betrieben hergestellt werden.© picture alliance / dpa / Carsten Rehder
90 Kilometer nördlich von Heide steht Felix Bülo im Windpark von Bosbüll. Zwölf Windräder drehen sich auf Feldern neben einer Schweinemastanlage. Dazwischen stehen eingezäunt auf einer Fläche einer kleinen Turnhalle mehrere Elektrolyseure, Tanks und LKW. Bülo ist Projektleiter bei GP Joule, einer Firma, die auf die Produktion von Wasserstoff spezialisiert ist:
„Der Strom wird direkt genutzt, produziert Wasserstoff aus dem Strom, der Wasser spaltet in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff. Den Sauerstoff nutzen wir hier noch nicht, der Wasserstoff wird in Speichercontainer verdichtet und dann zu den Tankstellen gebracht, wo wir dann Busse und PKW betanken.“

5000 Wasserstoff-Lkw bestellt

Zwei Wasserstofftankstellen betreibt die Firma derzeit. Und sie hat eine Reihe von Wasserstoff-Bussen beschafft, die im Kreis Nordfriesland im öffentlichen Personennahverkehr unterwegs sind und emissionsfrei fahren. So große Fahrzeuge wie Busse oder Lkw mit Batterien auszustatten, ist eher unwirtschaftlich, denn durch das Eigengewicht der Batterie würde man Ladungskapazität einbüßen. Deswegen hat GP Joule kürzlich 5000 Wasserstoff-Lkw bestellt, um sie an Speditionen zu vermieten oder zu verkaufen:
„Das Ziel ist, dass man mal ein Zeichen setzt, auch mal vorangeht, dass wir jetzt 5.000 LKW als GP Joule-Gruppe beschafft haben. Und so auch die Abnahme des Wasserstoffs dann schaffen, Logistikern ein Produkt anbieten, mit dem sie ihren Verkehr emissionsfrei gestalten können und auch die Lieferketten natürlich auch grüner machen können.“

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Im Betrieb produzieren die Elektrolyseure im Windpark Bosbüll eine Menge Abwärme. Und auch die wird in direkt vor Ort genutzt, wenn auch nur im kleinen Maßstab. "Wir haben einen Wirkungsgradverlust in Form von Wärme, aber das ist kein Verlust, wenn wir diese Wärme auch nutzen. In dem Fall haben wir hier eine Abwärmenutzung für das örtliche Nahwärmenetz.  Es sind 25 Haushalte aktuell angeschlossen plus der nebenan liegende Schweinestall. Es ist aber möglich, da zukünftig noch weitere Haushalte mit anzuschließen."

Mehr Forschung als Nutzung - bisher

Noch wird in Schleswig-Holstein mehr am Wasserstoff geforscht, als dass er wirklich genutzt wird. Auf der Website der Landeskoordinierungsstelle der Wasserstoffwirtschaft sind 15 Wasserstoff-Projekte aufgelistet, von denen 12 noch im Planungsstadium sind.
Die alte Landesregierung, auch damals schon von Daniel Günther geführt, hat ein Förderprogramm aufgelegt. Für konkrete Projekte der Wasserstoffwirtschaft stellt das Land in diesem und den kommenden beiden Jahren 30 Millionen Euro Fördergelder zur Verfügung. Die Wasserstoffwirtschaft rechnet damit, dass etwa 35.000 Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein neu entstehen könnten.
Dabei ist es gar nicht so einfach, grünen Wasserstoff herzustellen. Zum einen gibt es bürokratische Hindernisse, wie Raffinerie-Projektleiter Michael Loop erklärt: "Das ist gar nicht so einfach, das ist Aufgabe in Brüssel momentan. Da wird die RED 2 bearbeitet, die Renewable Energy Directive 2, und da wird genau definiert, welcher Strom denn dann bei uns als grün auch eingesetzt werden darf."

Es fehlen Elektrolyseure und grünes Licht aus Brüssel

Zum anderen sind die Produktionskapazitäten absehbar zu klein – es fehlt an Elektrolyseuren. Die nationale Wasserstoffstrategie sieht den Ausbau zwar vor, das wird aber nicht reichen. Die Bundesregierung hat deshalb inzwischen einen Importvertrag für grünen Wasserstoff aus Kanada geschlossen.
Von 2025 an sollen große Mengen grün erzeugten Wasserstoffs nach Deutschland gebracht werden, die dann hier in der Industrie zum Einsatz kommen könnten. Das ist auch nötig, sagt Michael Loop: "Deutschland plant in 2030 110 Terawattstunden Wasserstoff zu benötigen. Einfach dadurch, dass viele Prozesse, wie auch wir, umstellen auf Wasserstoff.
"Und selber produzieren können wir selber wahrscheinlich nur Richtung 14. Da merken Sie schon, da liegt eine Riesendiskrepanz dazwischen, dementsprechend sind wir angewiesen auf die Importe aus dem Ausland. Um so besser, wenn auch unser Kanzler stark auf Wasserstoff setzt und die Infrastruktur durch diese Importe auch fördert. Finde ich sehr gut und noch mehr, bitte."
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