Grünes Wahlprogramm

Von Matthias Thiel |
Die Grünen sind wieder in ihrem Element: Frei von der Leber weg Forderungen formulieren frische grüne Lyrik verbreiten es lässt sich doch so schön träumen, wenn man bald nicht mehr in der Verantwortung steht.
Grüne können auch Opposition. So sagt es Parteichefin Claudia Roth. Sie gibt damit einer großen Sehnsucht der Basis Ausdruck, die sich seit dem Verlust der Regierungsbeteiligung in Düsseldorf breit macht.

Geschockt vom überstürzten Kanzlerrückzug von der Macht besinnen sich die Ökopaxe jetzt langsam wieder auf ihre früheren Werte. Wir setzen uns ein für eine Gesellschaft, in der die Menschen die notwendigen Veränderungen ohne Angst vor Arbeitslosigkeit und Ausgrenzung mitgehen können, so fabuliert die Vorsitzende.

Bleibt die Frage nur: Was hat die Partei in den letzten sieben Jahren dazu geleistet? Oder anders herum: Das glauben die Wähler wohl kaum noch, sonst hätten sie die Rot-Grünen Projekte nicht so deutlich beendet.

Davon wissen die Strategen natürlich und bemühen sich deshalb in ihrer Vorlage für ein Wahlprogramm auch erst einmal um eine positive Regierungsbilanz. Ökologische Wende, Verbraucherschutz, Atomausstieg, Gleichberechtigung ja wichtig. Überhaupt: Den Begriff der Nachhaltigkeit in fast alle Politikbereiche eingeführt zu haben, ein großer grüner Erfolg.

Doch interessiert das die Wähler offenbar immer weniger. In der zentralen Frage nämlich wie ist das Problem der Arbeitslosigkeit gerecht zu lösen konnten die Grünen nicht punkten. Gerade die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe erweist sich ganz aktuell als Rohrkrepierer.

Der angeblich so grüne Reformmotor stottert erheblich - auch über andere Politikfelder. Nur ein Beispiel: Gesundheitsreform. Die Bürgerversicherung, angepriesen als das Non plus Ultra, kommt in dem schon begonnenen Bundestagswahlkampf unter die Räder.

Da hilft es heute auch wenig, in der als Präambel getarnten Bilanz von sieben Jahren Regierungsbeteiligung, den schwarzen Peter den anderen Parteien zuzuschieben: Zum Beispiel der SPD, weil sie die Kernkompetenz in der Arbeits-, Wirtschafts- und Sozialpolitik beanspruchte oder eben auch der Union, weil sie im Vermittlungsausschuss immer wieder alle Reformen blockiert hat.

Ach was, und wo waren die Grünen als es um die Menschenrechte in China und Russland ging oder das Geld für das neue Rüstungsprojekt Meads verteilt wurde?

So liest sich der vorgelegte Entwurf eines grünen Wahlprogramms als Nachruf auf das im Kern gescheiterte rot-grüne Projekt. Die befürchtete schmutzige Scheidung bleibt zwar aus noch. Auch bemühen sich die Strategen vorsichtig um Eigenständigkeit gegenüber den Genossen.

Doch klar zu erkennen ist die Endzeitstimmung. Intern fragen sich die Grünen schon, ob sie denn Spuren hinterlassen haben. Oder, ob sie zu früh gestartet sind und deshalb nicht verstanden wurden. Das Selbstbewusstsein des 8,6 Prozent Partners hat trotz mancher grüner Erfolge gelitten. Warum sonst wird das O-Wort wiederholt ausgesprochen?

Hier bewirbt sich jemand für die Opposition und nicht als Gestalter. Der Weg ins parlamentarische Aus ist nicht weit. Auf der linken Seite wird der Wähler ausweichen, weil ihm dort scheinheilig Gerechtigkeit versprochen wird. Und der von der SPD enttäuschte Bürger wechselt nach allen bisherigen Erkenntnissen sicher nicht zu den Grünen.

Zudem entwickelt sich der heimliche Parteichef für den Urgrünen langsam zu einem unheimlichen Vorsitzenden. Nicht nur die Frauen in der Partei nehmen ihm die überfallartige Nominierung zum alleinigen Spitzenkandidaten übel. So könnte Gottvater Fischer seine Partei zwar an die Macht - aber auch zurück in die Bedeutungslosigkeit geführt haben.