Eine Idee mit Widersprüchen
Kaum ein Vorschlag spaltet so sehr die Geister wie der, ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen. Auf den ersten Blick keine schlechte Idee, meint der Journalist Tiemo Rink, mehr aber auch nicht. Wichtiger wäre es, über eine gerechte Verteilung von Arbeit nachzudenken.
Die Verlockung ist groß, die Nachfrage auch, ebenso die Zahl der Befürworter. Quer durch alle politischen Lager scheint es Anhänger eines Grundeinkommens zu geben. Wenn aber dem Anschein nach viele der gleichen Meinung sind, dann empfiehlt sich ein genauerer Blick.
Die Idee ist simpel: Jeder bekommt eine zum Leben ausreichende Summe - und kann dann machen, was er will. Freiheit! Endlich einmal man oder frau selbst sein. Keine Angestellten mehr, die gefangen sind in der Mühle aus Lohnarbeit und Plackerei. Keine Arbeitslosen mehr, die von den Jobcentern drangsaliert werden. Wir sollen Zeit gewinnen, um wirklich Sinnvolles, wirklich Erfüllendes zu tun. Das würde die gesellschaftlichen Verhältnisse umstürzen, ist zu hören. Das Problem dabei: Die gesellschaftlichen Verhältnisse sind zuallererst einmal die Produktionsverhältnisse.
Das Geld des Staates sind die Steuern
Anders gesagt: Wer etwas verteilen will, muss auch etwas zu verteilen haben. Ein Staat, der kein Geld einnimmt, wird kein Grundeinkommen finanzieren können. Das Geld des Staates aber sind die Steuern. Und am meisten Geld bekommt der Staat über die Lohnsteuer. Also genau von denen, die doch durch ein Grundeinkommen in die Lage versetzt werden sollen, endlich das zu machen, worauf sie Lust haben. Das Grundeinkommen mag bedingungslos sein, die Basis aber, auf der es erarbeitet werden soll, ist es nicht. Für eine Idee, die mit dem Ziel antritt, eine gesellschaftliche Alternative aufzuzeigen, ist das ziemlich dürftig.
Da ist einer unter den Bewerbern, der einen Bonbonladen eröffnen will. Ein anderer möchte als Grundeinkommensbezieher jeden Tag Yoga machen, und dagegen ist nichts einzuwenden. Ich habe nichts gegen Yoga, einige meiner besten Freunde machen Yoga. Was aber passiert, wenn wieder ein anderer, sagen wir einmal: Ingenieur für Brückenbau werden möchte? Oder Autoentwickler? Oder Genforscher? Dann wird es problematisch.
Denn viel mehr als ein Bonbonladen ist mit einem Grundeinkommen nicht drin. Wer gerne Brücken bauen möchte, braucht auch künftig einen Investor oder jemanden, der ihn einstellt. Was aber passiert, wenn die Baufirmen schon genug Leute haben? Dann bekommt derjenige zwar ein Grundeinkommen, aber noch lange nicht den Job, den er gerne hätte. Das liegt an den gesellschaftlichen Besitzverhältnissen, die aber bei vielen Befürwortern eines Grundeinkommens kaum eine Rolle spielen.
Menschen werden beschäftigt, wenn sich das Ergebnis ihrer Tätigkeit mit Gewinn verkaufen lässt. Wenn sie dabei Freude haben, ist das schön, aber nicht zwingend erforderlich. So geht Marktwirtschaft. Und daran ändert ein Grundeinkommen für sich genommen erst einmal gar nichts.
Von Burnout zu Burnout
Was also tun? Wenn für den Menschen immer weniger zu tun bleibt, weil immer bessere Maschinen immer mehr Arbeit übernehmen, dann ist das gut, weil es die Chance auf mehr Freizeit erhöht. Wenn aber die einen in ihren Vollzeitjobs von Überstunde zu Überstunde und Burnout zu Burnout stolpern, während die anderen verzweifelt nach Arbeit suchen - dann braucht es eine Diskussion zur gerechten Verteilung von Arbeit. Die Idee ist alt und fast völlig aus der Mode: Sie lautet Arbeitszeitverkürzung. In der gewonnenen Freizeit hätten wir die Freiheit das zu tun, was wir wirklich wollen - eine Kernidee des Grundeinkommens.
Anders gesagt: Wer Brücken turnen möchte, soll das gerne tun. Wer sie bauen will, aber auch. Vielleicht ist es an der Zeit, mal wieder darüber zu reden.
Tiemo Rink, Jahrgang 1981, studierte Politikwissenschaft in Marburg, Wien und Teramo/Italien. Er lebt und arbeitet als Journalist u.a. für den "Tagesspiegel" in Berlin.