Grundrechtsdebatte in der Coronakrise

Versammlungen sind verboten, die Meinungsfreiheit nicht

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"Grundgesetz" steht auf einem Schild an dem Rücken eines Teilnehmers einer Demonstration gegen die Einschränkungen der Grundrechte in Zeiten der Coronakrise.
Hier war die Versammlung unter Auflagen erlaubt: Demonstration gegen die Einschränkung der Grundrechte in der Coronakrise. © dpa / Christoph Schmidt
Ein Kommentar von Christian Rath |
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In der Coronakrise werden Grundrechte in einem Maß eingeschränkt, wie es in der bundesdeutschen Geschichte bisher einmalig ist. Manche fürchten, dass das zum Normalzustand werden könnte. Nicht so der Jurist und Journalist Christian Rath.
Die Coronaepidemie kann bleibende Schäden hinterlassen. Bei manchem, der eigentlich von der Krankheit genesen ist, kann es dauerhafte Lungenprobleme geben. Der Einzelhandel in den Städten hat vielleicht schon zu viele Kunden an Amazon verloren. Und die mangelhafte Solidarität in der EU könnte längerfristig das europäische Projekt gefährden.
Um all das und noch viel mehr mache ich mir Sorgen, aber nicht darum, dass die aktuelle Einschränkung der Grundrechte zum Dauerzustand wird. Natürlich sind die Beschränkungen der Versammlungsfreiheit, der Religionsfreiheit und auch der Allgemeinen Handlungsfreiheit beispiellos. Aber die Beschränkungen sind vorübergehend und sie werden keine dauerhaften Folgen haben.
Es ist doch völlig nachvollziehbar, dass auch politische Versammlungen und Gottesdienste in das allgemeine Veranstaltungsverbot einbezogen werden. In Spanien hat eine Demonstration zum Weltfrauentag massiv zur Verbreitung des Virus beigetragen. Im Elsass war es das religiöse Treffen einer Freikirche.

Ansammlungen von Menschen sind verboten – für alle

Bei den aktuellen Versammlungsverboten geht es um die Form, also die Ansammlung von Menschen, nicht um den Inhalt. In geradezu demokratischer Gleichheit ist die Gewerkschaftskundgebung ebenso untersagt wie der CDU-Sonderparteitag. Auch die Gotteshäuser bleiben unterschiedslos geschlossen: Kirchen, Synagogen und Moscheen.
Versammlungen sind zwar verboten, aber nicht die freie Meinungsäußerung. Wie sonst auch darf jeder die Regierung kritisieren und natürlich auch die herrschende Coronapolitik. Man kann dazu die sozialen Netzwerke nutzen, man kann Leserbriefe an Zeitungen schreiben, man kann digitale Massenpetitionen starten. Und noch nie sah ich in meiner Straße so viele Transparente aus den Fenstern hängen.
Die Einschränkung der Grundrechte hat auch keinen wirtschaftlichen Hintergrund. Im Gegenteil: der Handel, die Hotels und auch viele Fabriken sind ebenfalls vom Lockdown betroffen. Es ist geradezu faszinierend, mit welcher Selbstverständlichkeit der Schutz von Risikogruppen über die milliardenschwere Wirtschaftsinteressen gestellt wird.

Einschränkungen der Grundrechte sind befristet

Anders als bei einem Putsch ist doch klar: Die Einschränkungen der Grundrechte sind befristet. Zwar weiß niemand, wie lange genau sie dauern werden. Aber spätestens, wenn ein Impfstoff zur Verfügung steht, entfällt der Grund für die massiven Verbote.
Vermutlich müssen wir aber nicht einmal so lange warten. Denn die Gerichte prüfen ständig die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Auch das sollte Skeptiker beruhigen: Die unabhängige Rechtsprechung ist voll funktionsfähig. Das Bundesverfassungsgericht und etliche Verwaltungsgerichte haben in den letzten Tagen bereits wieder Versammlungen zugelassen. Die Politik hat zudem zugesagt, dass es alsbald wieder Gottesdienste geben kann. Zunächst bleibt zwar alles in sehr begrenztem Rahmen, mit Auflagen für Abstand und Mundschutz, aber immerhin.
Manche bezeichnen das Infektionsschutzgesetz, auf das all die Einschränkungen gestützt werden, als Notstandsgesetz. Der Begriff ist zwar abschätzig gemeint, so als seien Notstandsgesetze per se eine Gefahr für die Demokratie. Doch der Begriff ist korrekt. Das Infektionsschutzgesetz ist ein Gesetz für den Notstand. Es soll uns helfen, schnellstmöglich wieder aus der Epidemie herauszukommen. Es ist damit aber Teil der Lösung und nicht Teil des Problems.

Christian Rath, 1965 geboren, ist Journalist und promovierter Jurist. Er schreibt als rechtspolitischer Korrespondent unter anderen für die "taz", die "Badische Zeitung" und den "Kölner Stadtanzeiger". Er lebt in Freiburg und ist in Karlsruhe Vorstandsmitglied der Justizpressekonferenz.

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