Grundschulstudie TIMSS

Warum so wenige Schüler stark in Mathe sind

Ein Grundschüler nimmt bei den Hausaufgaben im Fach Mathematik seine Finger zur Hilfe.
Ein Grundschüler nimmt bei den Hausaufgaben im Fach Mathematik seine Finger zur Hilfe. © dpa / picture alliance / Patrick Pleul
Von Christiane Habermalz |
Deutschland ist ein Abstiegskandidat − jedenfalls bei den Mathe-Kenntnissen seiner Viertklässler. Die neue TIMSS-Studie legt nach Meinung von Fachleuten einige Versäumnisse offen.
Mathe? Geht so. Trotz einer Vielzahl von Schulreformen in den letzten Jahren sind deutsche Grundschüler in ihren Mathematik-Leistungen seit 2007 leicht abgerutscht, auf europäischer Ebene erreichen sie weiterhin nur das Mittelfeld. Und auch für die Naturwissenschaften bekommen sie allenfalls die Note 3. Das sind die Ergebnisse der TIMSS-Studie 2015, die heute in Berlin vorgestellt wurden.
Deutschland habe in Mathematik 522 Punkte erreicht, das sei keine große Veränderung zu 2007, erläutert Bildungsforscher und Studienleiter Wilfried Bos von der TU Dortmund:
"Wir lagen aber 2007 noch im oberen Leistungsdrittel, an der Grenze zum oberen Leistungsviertel und waren auf Augenhöhe mit der OECD und der EU. Und jetzt sind wir nicht mehr auf Augenhöhe mit der OECD und der EU, sondern sind signifikant darunter. Wir sind ungefähr da, wo Pisa im Jahr 2000 war."
Was der PISA-Test für die 15-Jährigen, ist die TIMSS-Studie für die Grundschüler. Alle vier Jahre werden unter der Federführung der TU Dortmund bundesweit 4000 Viertklässler in Mathematik und den Naturwissenschaften getestet. Weltweit haben diesmal rund 50 Länder teilgenommen. Das Absacken im internationalen Ranking bei gleichbleibenden Leistungen der Grundschüler liege laut Bos daran, dass andere Länder offenbar sehr viel erfolgreicher an ihren Bildungsstellschrauben gedreht haben und an Deutschland vorbeigezogen seien.
"Das sind nicht nur die asiatischen Länder mit konfuzianischer Tradition, sondern das sind gute europäische Nachbarländer: Dänemark, Litauen, Finnland, England, Belgien, Norwegen, Irland, die liegen alle signifikant über uns und die haben alle auch deutlich zugelegt."
Immerhin muss man Deutschland zugutehalten, dass sich durch die Zuwanderung die Zusammensetzung der Schülerschaft verändert hat. Die Zahl der Schüler mit besonderem Unterstützungsbedarf ist von 3,4 Prozent auf fast sechs Prozent gestiegen. Und heute haben 22,4 Prozent der Kinder zwei Elternteile mit Migrationshintergrund, das sind knapp fünf Prozent mehr als 2007. Vor diesem Hintergrund sei es sogar eine anerkennenswerte Leistung, dass das Niveau gehalten werden konnte, sagte Bos. Doch kritisch sind und bleiben die Zahlen am unteren und oberen Rand. Danach beherrscht ein Viertel der deutschen Schülerinnen und Schüler in der vierten Klasse gerade einmal die Grundrechenarten. Die oberste Leistungsgruppe ist mit lediglich 7,6 Prozent in Deutschland erschreckend klein.
Zum Vergleich: In Singapur erreichen über 36 Prozent der Schüler das oberste Kompetenzniveau, in Russland 20 Prozent. Russland konnte zudem seinen Anteil an extrem schwachen Schülern seit 2007 von 18 auf 9 Prozent halbieren. Und wieder wurde Deutschland ins Stammbuch geschrieben, dass die soziale Herkunft den Bildungserfolg zu stark bestimme. Der Leistungsunterschied zwischen Kindern aus oberen und unteren Schichten liegt danach im Schnitt bei etwa einem Schuljahr. Bei gleicher Intelligenz hat ein Akademikerkind immer noch eine dreifach höhere Chance, ein Gymnasium zu besuchen, als ein Arbeiterkind.

"Zu wenig Futter" für die leistungsstarken Schüler

Der Vorsitzende des Philologenverbandes Heinz-Peter Meidinger kritisierte, dass in den vergangenen Jahren möglicherweise zu einseitig auf die Förderung schwacher Schüler geschaut worden sei:
"Der Fokus war darauf gerichtet, bitte bringt die Mehrzahl der Schüler über die Mindeststandards drüber. Das war das Ziel, und es ist ein bisschen aus dem Blick geraten, dass wir auch sehr motivierte, leistungsstarke Schüler haben, denen wir zu wenig Futter geben."
Das gestern vorgestellte Bund-Länderprogramm mit einem Volumen von 125 Millionen Euro für die Förderung leistungsstarker Schüler sei in dieser Hinsicht ein wichtiger Schritt, gehe jedoch noch nicht weit genug. Man werde die Studie intensiv auswerten, kündigte Bremens Schulsenatorin Claudia Bogedan und Präsidentin der Kultusministerkonferenz an:
"Ergebnisse, die sicherlich jetzt kein Grund für überschwängliche Euphorie sind, aber mit Sicherheit auch kein Grund um in Sack und Asche zu gehen. Ich glaube Deutschland hat sich auf einem stabilen Niveau gehalten und das unter schwieriger gewordenen Kontextbedingungen."
Am Ende ergab die TIMSS-Studie doch noch ein Gutes: Zwei Drittel der Schüler gaben an, dass sie gerne zum Mathe- und Sachunterricht gehen.
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