Guben, Gubin und die Neiße

Von Claudia van Laak |
Für die meisten ist es schon Alltag, dabei ist es erst ein halbes Jahr her: Seit sechs Monaten steht kein Polizist mehr an der deutsch-polnischen Grenze und kontrolliert die Papiere. Im deutschen Guben und im polnischen Gubin setzt man vor allem auf ein gemeinsames symbolträchtiges Projekt: den Wiederaufbau der 700 Jahre alten Stadtkriche.
"Das ist für mich die abschließende Krönung, dass die Grenzkontrollen weggefallen sind."
"Ich habe mich noch nicht daran gewöhnt, weil damals die Überschreitung der Grenze irrationaler Stress war, das wird mal kommen, es muss zu einer Gewohnheit werden."
"Das ist für mich ein absoluter Höhepunkt, das ich jetzt jeden Moment wenn ich will, fahren kann."
"Die Grenze ist voll weg, das ist eine Stadt und ich fahre rüber und nüber."
"Man fragt sich immer, ob dahinter auch wirklich keiner stoppt und keiner bremst und keiner kontrolliert."
"Zumindest braucht man keine halbe Stunde oder Stunde Schlange stehen vor der Grenze, jetzt kann man besser einplanen, zum Beispiel das heutige Fußballspiel, ich bin fünf Minuten vor dem Anpfiff losgefahren und wenn die Grenzen da wären, könnte ich mir das nicht leisten."

Polen gegen Deutschland in Guben, zwei Tage vor dem richtigen Europameisterschaftsspiel. Auf dem Platz Schüler der Europaschule, der Bürgermeister von Gubin und der Vize-Rathauschef aus Guben.

"Das ist schon toll, wenn der Bürgermeister von Gubin da mitmacht, das ist ein tolles Erlebnis."

Die Leiterin der Europaschule Ulrike Dunkel steht am Rand des Spielfeldes und freut sich über die gelungene Veranstaltung. Seit 15 Jahren besuchen auch polnische Kinder die Gesamtschule, ab der 10. Klasse bis zum Abitur.

"Am Anfang dachten wir, wir führen die zusammen und es ist Friede-Freude-Eierkuchen, aber das war nicht so, es sind schon unterschiedliche Mentalitäten, aber es ist eine Frage der Gewöhnung, denke ich."

Schulleiterin Dunkel blickt ein wenig stolz auf die Nummer drei im polnischen Team. Bartlomiej Bartczak, seit knapp zwei Jahren Bürgermeister im polnischen Gubin, war selber Schüler der Europaschule. Ein Beweis für die Qualität der Gesamtschule. Trotzdem ist es mit dem deutsch-polnischen Experiment bald vorbei. Das Stadtparlament hat nämlich beschlossen, das Gymnasium zu erhalten und die Oberstufe der Gesamtschule abzuschaffen, weil Guben zu wenige Kinder für zwei weiterführende Schulen hat. Keine Frage: Der deutsche Teil der Doppelstadt vergreist.

"Der deutsche Teil ist älter als der polnische, es sind 10.000 Leute über 50 Jahre alt, da gibt es 120 Plätze im Kindergarten in Deutschland, wir haben 80 zuwenig, das sind die Unterschiede zwischen beiden Städten, dort gibt es genug Wohnungen, die abgerissen werden, wir haben zuwenig Wohnungen. Die haben andere Probleme und wir haben andere Probleme."

Nach dem Fußballspiel – 3 : 2 für Polen – sitzt Bartlomiej Bartzcak im plüschigen Chefzimmer des Gubiner Rathauses. Sein Gesicht ist gerötet, er schüttet ein großes Glas Wasser in sich hinein. An der Wand des Büros hängt ein Teppich, der den polnischen Adler zeigt, auf dem Tisch liegen zwei Handys, am Schlüsselbund hängt eine Plakette mit dem Konterfei des Papstes.
Ein halbes Jahr ohne Grenzkontrollen – das begrüßt der 30-jährige polnische Bürgermeister uneingeschränkt. Er weiß aber auch um die Gegner. Deutsche Datschenbesitzer klagen über zunehmende Einbrüche in ihre Kleingärten. Eine Gruppe polnischer Jugendlicher wurde vor kurzem festgenommen. Auch auf der deutschen Seite gibt es Kriminelle, sagt Bartczak.

"Auf polnischer Seite gibt es zum Beispiel Müllsünder, die den Müll in Polen entsorgen. Ich habe mit anderen Bürgermeistern gesprochen, die schon gesagt haben, dass es wirklich ein Problem ist."

Der Gubiner Bürgermeister hat an der Europa-Universität in Frankfurt/Oder deutsches und polnisches Recht studiert, gleich danach eine Freie Wählerinitiative gegründet. Sein Fußballverein regiert jetzt die Stadt, sagen sie in Gubin.

"Der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung ist 31, ich bin jetzt 30, als ich Bürgermeister wurde, war ich 28, mein Bruder ist 27, das jüngste Mitglied der Stadtverordnetenversammlung, es gibt viele junge Leute."

Die junge Truppe hat die Fenster aufgemacht und ein bisschen weite Welt in das verschlafene 17.000 Einwohner-Städtchen gebracht. Der junge Bürgermeister spricht Polnisch, Deutsch und Englisch, seine Visitenkarte ist zweisprachig, der Internetauftritt der Stadt dreisprachig.

"Für mich ist das sehr wichtig, dass hier Investoren kommen und hier was passiert. Wir haben interessante Grundstücke, die relativ billig sind, zweieinhalb bis drei Euro pro Quadratmeter, wir haben Anfragen aus England, Luxemburg, Deutschland, deshalb müssen wir das machen, das ist Standard, vielleicht machen wir in Zukunft noch französisch dazu."

Wer von Deutschland aus die große Brücke über die Neiße passiert, der wird auf polnischer Seite in drei Sprachen begrüßt: Witamy, Willkommen, Welcome. Den Geiger gibt es kostenlos dazu.

Wer die große Neißebrücke von Polen aus passiert, der wird nicht begrüßt – dort prangen lediglich der deutsche Adler und das gelbe Gubener Ortseingangsschild. Eine englische oder gar polnische Version des städtischen Internetauftritts sucht man vergeblich. Die deutsche Seite scheint sich selber zu genügen. Der Werbeprospekt eines neu eröffneten Hotels zeigt allein die Stadt Guben, die Welt ist an der Neiße zu Ende. Der Bürgermeister besitzt nur eine deutsche Visitenkarte. Klaus-Dieter Hübner ist der Sprache des Nachbarlandes nicht mächtig, hat aber immer gute Ratschläge für das polnische Gubin parat.

"Dass sie einfach erkennen sollen, dass sie aus unseren Erfahrungen lernen, und auch diesen Vorsprung, den wir jetzt haben in der Entwicklung, dass die den auch nutzen für ihre Entwicklung. Ich glaube, dass Teile oder einige noch nicht angekommen sind in der EU."

Während der FDP-Politiker – hellbrauner Sommeranzug, weißes, offenes Hemd, Sonnenbrille – dies sagt, fällt sein Blick auf die neue Fußgängerbrücke über die Neiße. Ein politisches Ärgernis, diese Brücke. Sie soll eigentlich Guben und Gubin stärker verbinden, ist aber zum Zankapfel geworden zwischen Deutschland und Polen. Die beiden Bürgermeister:

"Am Anfang haben wir recherchiert, welche Behörde wo zuständig ist, und dann haben wir das an die deutsche Seite geschickt und gesagt: Baugenehmigung hier, wasserrechtliche Genehmigung hier, trotzdem hat die deutsche Seite die polnische Baugenehmigung nicht geholt."

"Ich habe noch nie erlebt, dass für ein Bauwerk zwei verschiedene Baugenehmigungen durchgeführt werden, und unsere polnischen Damen und Herren meinten, sie müssten eine Baugenehmigung erteilen, was wir nach wie vor bestreiten."

Nun liegt der Streitfall im Warschauer Infrastrukturministerium, der deutschen Seite droht eine Strafe von 50.000 Euro wegen einer fehlenden polnischen Baugenehmigung. Damit nicht genug. Gestritten wurde auch über die Frage, wer die Brücke künftig warten soll.

"Die deutsche Seite wollte, dass die polnische Seite das übernimmt, aber man kann das nicht übernehmen. Wieso sollten wir eine deutsche Brücke unterhalten."

Die deutsche Seite hat eingelenkt, wird sich in Zukunft um die Pflege der Fußgängerbrücke über die Neiße kümmern. Dieses Zugeständnis erfolgt allerdings nicht ohne einen Seitenhieb auf die polnische Seite. Bürgermeister Klaus- Dieter Hübner:

"Ich glaube, dass wir die bessere Erfahrung haben und das bessere handwerkliche Können, um die Brücke zu warten. Wir werden das machen, ich streite mich nicht um die Wartung, sie haben schon genug zu tun mit der Entwicklung der Theaterinsel, das sollten sie mal angehen, da wäre schon viel geholfen."

Des Bürgermeisters Blick fällt hinüber nach Polen, auf die andere Seite der Neiße. Auf der Insel in der Mitte des Flusses stand einmal ein Jugendstiltheater, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Mehr als 60 Jahre danach liegen immer noch Teile der Säulen und Kapitelle achtlos im Gras herum.

"Wir wollten den Teil, den Sie jetzt sehen, auch gleich mit gestalten, wir wollten die Säulen stellen. Das war letztes Jahr, da wurde uns gesagt, das machen wir selbst. Sie sehen, die liegen heute noch da, das ist ein dreiviertel Jahr her."

Klaus-Dieter Hübner schüttelt mit dem Kopf. Aus den Worten des Gubener Bürgermeisters hört man sein Unverständnis heraus über die Nachbarn, über die polnische Mentalität. Klaus Pocher hat eine Erklärung dafür.

"Die Deutschen kommen meist mit fertigen Konzepten, wie sie so sind. Die Polen sind spontan, vielleicht ein wenig unstrukturiert, aber dafür sehr kreativ, die sind dann überrascht über die fertigen Konzepte und sehen sich vor die Wahl gestellt. Aha, können wir jetzt bei Euch mitmachen oder eben nicht."

Klaus Pocher kennt die unterschiedlichen Mentalitäten, er lebt in Guben mit einer Polin zusammen, in Kürze erwartet die Familie ihr zweites Kind. Der Kulturwissenschaftler und Übersetzer sitzt auf der idyllischen Neißeinsel, blinzelt in die untergehende Sonne, die Pappeln rauschen im Wind. Als ich Kind war, sah es hier ganz anders aus, sagt der 39-Jährige.

"Dass die Städte mit dem Rücken zueinander standen, und auch die Sicht gar nicht bestand, weil hier alles bebaut war. Hier entlang der Grenze, der Neiße, war sozusagen kein Blick nach Polen gegeben, sondern alles Fabrikgelände, Gubener Wolle."

Die Gubener Wolle ist pleite, wie fast alle früheren DDR-Unternehmen in der Stadt. Die Kommune schrumpft dramatisch: von ursprünglich 36.000 Einwohnern sind nur noch 20.000 übrig, jeder Fünfte ist arbeitslos. Die Leichenschauwerkstatt des Gunther von Hagens ist einer der größeren Arbeitgeber der Stadt. Viele Gubener sehen sich als Verlierer der Einheit, ihre Randlage in Deutschland begreifen sie als zusätzlichen Nachteil.

"Viele sehen das so als Schicksal, mit dem sie sich abfinden müssen, besonders auf deutscher Seite. Aber ich denke, man kann das ganz gezielt nutzen, weil es eben viele Vorteile hat und Leute anlockt, und so einen Austausch ermöglicht, und das kann man hier vor Ort üben und dadurch Pionierarbeit leisten, die für die Zusammenarbeit beider Länder wichtig ist."

Klaus Pocher hat mit deutschen und polnischen Freunden den Verein "Gubi-en" gegründet, eine vorweggenommene, virtuelle Vereinigung der beiden Städte Guben und Gubin. Nimiecki-polska – deutsch-polnische Leitkultur – steht auf seinem T-Shirt. Die Gubi-ener sind schon ein bisschen weiter als die Europaschule – statt Deutschland gegen Polen spielen zu lassen, treten bei ihrer Olympiade zwei deutsch-polnische Mannschaften gegeneinander an.

"Die Idee, die dahintersteht, dass nicht Nationen gegeneinander kämpfen, sondern eine Mannschaft sich aus zwei Nationen zusammensetzt, unsere Stadt Gubi-en, das mentale Gubien mit ihrer Mannschaft kämpft gegen eine zweite deutsch-polnische Mannschaft, nämlich Slubfurt, bestehend aus Frankfurt an der Oder und Slubice."

"Sehr geehrte painstwo Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass wir Sie alle begrüßen dürfen, zuerst möchte ich den Bürgermeister, meinen langjährigen Freund Wladislaw Müller begrüßen."

Grinsen auf allen Gesichtern, als sich die selbsternannten Bürgermeister von Gubi-en und Slubfurt begrüßen. Eine Kanufahrt auf der Neiße, eine Tandemtour durch Guben und Gubin sowie ein Fußballspiel stehen auf dem Programm der Olympiade.

"Seien Sie alle herzlich eingeladen, bardzo za praszam, die Olympiada ist eröffnet. Forza Gubi-en, forza Slubfurt."

Die Mannschaften überqueren die neue Fußgängerbrücke über die Neiße, eilen zu ihren Kanus.

Beim Fußballspiel am Nachmittag ist auch Jakub Bartzak dabei, der jüngere Bruder des Gubiner Bürgermeisters. Auch er hat in der Gubener Europaschule sein Abitur gemacht und an der Viadrina in Frankfurt/Oder studiert. Ihm gehört das Verdienst, den wohl ersten polnischen Fanklub für eine deutsche Bundesliga-Mannschaft gegründet zu haben, für Energie Cottbus.

"Wir fahren zu den Spielen nach Cottbus, das Interesse für die Bundesliga ist sehr groß in Polen, aber natürlich haben die polnisches Zuschauer etwas Angst, weil sie nicht wussten wie man Karten erwerben kann, wie man da hinfährt, ob man da sicher ist oder nicht."

Und da Jakub Bartczak deutsch spricht, hat er sich um alles gekümmert. Ein deutscher Fanclub für eine polnische Mannschaft scheint unvorstellbar, ein polnischer Fanclub für eine deutsche Mannschaft ist zumindest ungewöhnlich. Der 27-jährige Jurist sieht das pragmatisch. Die Farben von Energie Cottbus sind schließlich rot-weiß, sagt er, genau wie die polnische Flagge. Außerdem:

"Wenn wir aus Gubin die erste polnische Liga sehen wollten, dann müsste man 150 Kilometer weit fahren, und das ist natürlich weit. Deswegen sind die 40 Kilometer nach Cottbus, das ist ganz wenig."

Mit Jakub Bartczak unterwegs durch Gubin. An der Neiße springen die Veränderungen seit dem Wegfall der Grenzkontrollen sofort ins Auge. Während auf deutscher Seite noch die grauen Abfertigungshäuschen der Bundespolizei stehen, sind sie auf polnischer Seite bereits zurückgebaut worden.

"Hier wo ich stehe, da waren Kabinen von den Zöllnern, deutsche und polnische Zöllner. Ich sehe das zum ersten Mal, dass der Zaun abgebaut wurde, und ich freue mich, dass das endlich weg ist, und man kann hier ruhig gehen und spazieren."

Auf der Neißebrücke kreuzt Waldemar Pawlikowski seinen Weg. Der Leiter der kommunalen Kunstgalerie hat es eilig, am Abend will er eine neue Ausstellung eröffnen.

"Das ist ein deutsch-polnischer Fotowettbewerb, Brandenburg – Lebuser Land. Das Thema heißt: "Gold der Natur". Wir haben dafür Geld von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit bekommen. Die Ausstellung wird in der Rathausgalerie eröffnet."

Das Rathaus auf polnischer Seite ist ein imposanter Renaissance-Bau, im Zweiten Weltkrieg zerstört, im sozialistischen Polen wieder aufgebaut. Die von der SS in Brand gesteckte evangelische Kirche direkt nebenan wurde einfach liegen gelassen. Mehr als 60 Jahre lang verschandelte die Ruine das Zentrum der polnischen Stadt. Günter Quiel rüttelt an der Eingangstür, öffnet das Schloss.

Der Deutsche Günter Quiel und der Pole Jakub Bartczak setzen sich nun gemeinsam für den Wiederaufbau der früheren Gubener Haupt- und Stadtkirche ein. Nicht als Kirche, sondern als deutsch-polnisches Begegnungszentrum. Eine große Aufgabe - bot doch das imposante Bauwerk aus dem 16. Jahrhundert einmal Platz für mehr als 1700 Gläubige. "Die spinnen," haben sie in Guben und Gubin gesagt, als Günter Quiel vor zwei Jahren mit diesen Plänen an die Öffentlichkeit ging.

"Das will ich auch gar nicht verhehlen, weil das so eine gewaltige Aufgabe ist, die kann nur ein Verrückter vornehmen, da ist kein anderer geeignet."

Der kugelrunde 65-Jährige war vor seiner Pensionierung Finanzchef der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Er kennt sich also aus mit dem deutsch-polnischen Verhältnis und den Fallstricken einer nicht immer stabilen Freundschaft, speziell zwischen Guben und Gubin.

"Das sind beides Problemstädte, die liegen mitten in Europa und trotzdem in einem toten Winkel. Und wenn die nicht verstehen und wenn die nicht langsam lernen, aufeinander zuzugehen, aber alle, dann haben sie keine Chance, das muss man rüberbringen."

Günter Quiel winkt hinüber zum Gastwirt der benachbarten Rathausschenke. Der grüßt zurück und ruft auf Deutsch: "Wohnen Sie jetzt hier?" Quiel bricht in schallendes Gelächter aus.

"Wohnen Sie hier? Ob ich schon hier wohne, sehr schön, wa. Fragt mich ein Pole, ob ich hier schon wohne."

Günter Quiel setzt den blauen Blauhelm auf und wirft einen prüfenden Blick in das ausgeräumte Kirchenschiff. Nur die Außenwände und die Säulen stehen noch, von oben grüßt der blaue Junihimmel. 60 Jahre lang durfte hier die Natur schalten und walten wie sie wollte. Entstanden ist ein Wald, gewachsen auf 2000 Tonnen Schutt und Geröll. Den Wald haben deutsche und polnische Helfer in den letzten Jahren gerodet, den Schutt aus dem Kirchenschiff geräumt. Am Nachmittag – anlässlich des Gubener Frühlingsfestes – wird Quiel die Türen der Kirchenruine für Besucher öffnen.

"Dzin dobre, guten Tag. Ist es zu zeitig? Sie verstehen Deutsch? Ach so. Ab 14.00 Uhr ist auf und morgen auch und wir freuen uns, wenn Sie kommen. Okay, wir kommen später. Tschüs, dobre zenya."

Günter Quiel träumt davon, im Sommer den Fußboden zu begradigen, die Löcher auszufüllen und im Winter die Türen zum ersten gemeinsamen Weihnachtsmarkt zu öffnen. Und dann müssen noch die Tauben beseitigt werden – auch so ein heikles deutsch-polnisches Thema.

"Bei den Deutschen, da rennt man offene Türen ein. Fliegende Ratten sind das, ganz klar. Das müssen Sie mal einem Polen erzählen. Wenn Sie da oberflächlich rangehen, für die Polen sind die Tauben Friedenstauben. Jetzt würden wir kommen und würden die alle vernichten. Da können Sie sich vorstellen, was da für ein Zeitungsleitartikel draus würde."

Wenn alles gut geht, werden Jakub Bartzcak und Günter Quiel Ende August die Außenminister Polens und Deutschlands zu Gast haben. Die beiden Politiker haben die Schirmherrschaft über den Wiederaufbau der Stadtkirche übernommen. Vielleicht hat es die deutsche Seite ja bis dahin geschafft, die Grenzanlagen zurückzubauen und auf der großen Neißebrücke ein Willkommensschild für polnische Besucher aufzubauen. Das wäre ein weiterer Schritt hin zu einer gemeinsamen Stadt in zwei Ländern, ein halbes Jahr nach Abschaffung der Grenzkontrollen.

"Es braucht noch etwas Zeit, bis es Gewohnheit ist, bis die Leute keine Angst mehr im Kopf haben."
"Das ist für mich der absolute Höhepunkt, dass ich jetzt fahren kann wann ich will."
"Es ist mental eine Mauer dadurch durchbrochen worden, dass man eben auch die andere Seite für sich mit in Anspruch nehmen kann. Natürlich nicht als Besitz, sondern das als seine Stadt mit zu betrachten, und das höre ich von vielen, die das so machen."
"Das ist eine Stadt, weil die Neiße an dieser Stelle so klein ist, da empfinden Sie das gar nicht, hier ist eine Stadt, da können Sie machen was Sie wollen."