Den Drecksäcken nicht mehr die Hand schütteln
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Wegen Ansteckungsgefahr ist derzeit kein Handschlag und kein Bussi Bussi erlaubt - richtig so, findet Günter Wallraff. Er plädiert für neue Begrüßungsrituale. Bei einigen Zeitgenossen wäre er ohnehin auch schon vor Corona lieber auf Distanz geblieben.
Manche Dinge ändern sich schnell. Innerhalb eines Monats haben sich die meisten Menschen daran gewöhnt, dass Händeschütteln bis auf weiteres tabu ist. Auch Küsschen rechts, Küsschen links ist aus epidemiologischer Sicht verboten. Wie also begrüßen in Zeiten des Virus?
Ellenbogencheck und Ghettofaust: nein danke!
Er sei noch nie ein Freund der Bussi-Gesellschaft gewesen, sagt der investigative Reporter und Autor Günter Wallraff ("Der Aufmacher", "Ganz unten"): "Das habe ich immer abgelehnt." Auch habe er oft jemandem aus Höflichkeit die Hand gegeben und hätte sie sich hinterher gerne gewaschen: "Nicht weil jemand eine schmutzige Hand hat, sondern weil es ein Drecksack im übertragenen Sinne ist."
Auch der Ellenbogen-Check findet bei Wallraff keine Gnade: "Wir leben ohnehin in der Ellenbogengesellschaft." Das müsse man nicht auch noch symbolisch verstärken. Und die Ghettofaust erinnere an das Faustrecht, gibt Wallraff zu bedenken.
Heißt das, wir sollen uns gar nicht mehr begrüßen? Keineswegs. Wallraff schlägt vor, sich an asiatischen Gepflogenheiten zu orientieren: "Wir können uns dem Gegenüber mit geöffneten Händen entgegenstellen."
Die Umarmung bleibt auf jeden Fall
Für Wallraff ist es an der Zeit, umzudenken. Ist das bedenkenlose Händeschütteln überhaupt nötig? Muss der Untergebene dem Chef die Hand reichen?
Eines lasse er sich allerdings auch durch alle Virologen der Welt nicht verbieten, betont der 77-Jährige: "eine starke, ernst gemeinte, herzliche, liebevolle Umarmung".
Die müsse es auf jeden Fall weiter geben.
(beb)