Guido Tonelli: "Genesis. Die Geschichte des Universums in sieben Tagen"

Was es bedeutet, über den Ursprung nachzudenken

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Guido Tonelli: "Genesis. Die Geschichte des Universums in sieben Tagen"
Guido Tonelli: „Genesis. Die Geschichte des Universums in sieben Tagen“ © Deutschlandradio / C. H. Beck
Von Gerrit Stratmann |
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Der Physiker Guido Tonelli erzählt in "Genesis" eine moderne Variante der Schöpfungsgeschichte. Obwohl er den Blick dabei in die fernste Vergangenheit richtet, handelt das Buch doch auch immer von uns Menschen heute.
"Alles rührt von einer einfachen Frage her", schreibt Guido Tonelli. "Woher kommt das alles?" Quer durch die menschliche Geschichte hindurch hat jede Kultur eine Antwort auf diese Frage gesucht und gegeben. Anknüpfend an die biblische Erzählung von der Erschaffung der Welt, unterteilt auch Guido Tonelli sein kompaktes Buch in sieben Schöpfungstage.

Sieben Schöpfungstage

Wobei seine "Tage" von sehr unterschiedlicher Dauer sind: von einem kaum messbaren Sekundenbruchteil, den es brauchte, damit aus dem brodelnden Nichts des Vakuums die Blase einer unscheinbaren Quantenfluktuation entstand und durch einen unerklärlichen Zufall auf die Größe eines Fußballs anschwoll, bis zu den Milliarden Jahren, die es dauerte, bis sich die Sterne zu Galaxien zusammenballten, um in ein Zeitalter stabiler Verhältnisse einzutreten, das komplexere Systeme und lebensfreundliche Bedingungen ermöglichte.
In dieser physikalischen Geschichte der Schöpfung unseres Universums ist Gott durch den Zufall ersetzt – unsere Welt könnte ebenso gut nicht existieren. Das hat gewiss nichts Tröstliches. Aber Guido Tonellis Metier ist auch nicht das Warum, als vielmehr das detaillierte Wie.

Über den Ursprung nachdenken

Was seine "Genesis" dabei aber trotzdem von anderen Physikbüchern unterscheidet, ist die Auseinandersetzung mit der Frage, was es für uns Menschen eigentlich bedeutet, über den Ursprung nachzudenken.
Vermutlich, schreibt er, haben sich schon unsere Vorfahren vor über 100.000 Jahren Gedanken über den Anfang dieser Welt gemacht. Gerade in dieser Fähigkeit, Geschichten und Zusammenhänge zu erfinden und zu kommunizieren - mit anderen Worten: Kunst, Kultur, Philosophie und Wissenschaft zu betreiben - genau darin sieht Tonelli die mächtigste Fähigkeit für unser Überleben. Auch in seinem Buch greift er immer wieder Sagen, Mythen, Kunstwerke und Filme auf und erinnert damit an diverse kollektive Vorstellungswelten.

Kein klassisches Physikbuch

Tonelli, das wird klar, schreibt nicht nur als Physiker, sondern auch als Philanthrop. Sein hoffnungsvoller Blick auf die Menschheit erzählt uns einiges über unsere Existenz in diesem Kosmos: So verloren wir darin auch sein mögen, so sehr hatte das Nachdenken über den Ursprung der Welt vermutlich schon immer etwas Gemeinschaftsstiftendes.
Deshalb legt man – auch wenn die wissenschaftliche Geschichte der Genesis dank einiger ungelöster Fragen noch immer nicht zu Ende erzählt ist – dieses kompakte, anregende Buch mit einem wohligen Gefühl aus der Hand.

Guido Tonelli: "Genesis. Die Geschichte des Universums in sieben Tagen"
C.H. Beck, München 2020
219 Seiten, 22,00 Euro

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