"Ein Geschichtsdokument ersten Ranges"
Viele Ausstellungsmacher sträuben sich, Objekte aus der NS-Zeit zu zeigen, weil sie fürchten, das könne als Verherrlichung des Nationalsozialismus verstanden werden. Im Bayerischen Nationalmuseum in München ist nun das Fallbeil wiedergefunden worden, mit dem die Widerstandskämpfer der Weißen Rose ermordet wurden. Was soll damit geschehen? Ein Historiker und ein Angehöriger nehmen Stellung.
Als ich das Fallbeil aus dem Gefängnis München-Stadelheim zum ersten Mal im Depot des Münchner Nationalmuseums gesehen habe, ist mir natürlich ein Schauer den Rücken runtergelaufen! Sich vorzustellen, dass die jungen Menschen von der Weißen Rose auf dieses Mordwerkzeug gezerrt worden sind und dass dann tatsächlich ein Henker das Messer hat herabfallen lassen, um sie zu enthaupten, das ist schon eine unglaubliche Vorstellung.
Und auch wenn ich die Geschichte des Widerstandskreises um die Geschwister Scholl seit meiner Kindheit kenne, war es doch noch mal etwas anderes, es nicht nur als Geschichte zu hören oder in einem Buch zu lesen, sondern wirklich diese Guillotine zu sehen. Da ist mir nochmal klar geworden, dass das nicht im finsteren Mittelalter passiert ist, sondern in dem Jahrhundert, in dem ich geboren bin.
Ausstellungsstücke zur NS-Zeit werden immer wichtiger
So, denke ich, kann es auch vielen Menschen gehen, die dieses Fallbeil irgendwann vielleicht einmal in einer Ausstellung zu sehen bekommen. Dieser Meinung ist auch der Historiker Axel Drecoll vom Institut für Zeitgeschichte in München. Als Leiter des NS-Dokumentationszentrums am Obersalzberg weiß er, dass Ausstellungsstücke zur NS-Zeit immer wichtiger werden.
"Die Leute gehen ja ins Museum wegen diesem Authentizitätsversprechen von Originalobjekten. So schwierig das ist, dass da ein Mordinstrument ausgestellt wird, trotzdem bürgt es für das Schicksal der Angehörigen der Widerstandsgruppe. Und es ist deshalb meines Erachtens ein sehr, sehr wichtiges Exponat. Weil die Geschwister Scholl sind nationale Symbole geworden für ein anderes Deutschland, Leitfiguren für Widerstand. Insofern hallte ich dieses Objekt für ganz besonders zentral."
Allerdings sträuben sich viele Ausstellungsmacher und Museumspädagogen immer noch, mit dreidimensionalen Objekten an die NS-Zeit zu erinnern. Sie wollen keine SS-Dolche und SA-Uniformen zeigen, weil sie befürchten, dass von solchen Objekten eine heroisierende Aura ausgeht, die als Verherrlichung des Nationalsozialismus verstanden werden könnte, rechtsgesinntes Publikum anzieht oder ganz einfach von den historischen Fakten ablenkt.
Visuell und emotional langweilige Ausstellungen
Diese Ausstellungsmacher wollen die Besucher nicht faszinieren, sondern nur ihren Intellekt ansprechen. Das Ergebnis sind oft visuell und emotional langweilige Ausstellungen, die man sich auch als Katalog anschauen könnte. Axel Drecoll vom Institut für Zeitgeschichte dagegen hält es für notwendig, die Besucher erst einmal mit authentischen Gegenständen aus der NS-Zeit reinzuziehen in eine Ausstellung.
"Ich meine auch, das ist erlaubt. Sie können in jedem Auktionshaus Uniformen kaufen. Warum soll man solche Exponate nicht auch verwenden, um klar zu machen, wofür sie stehen, nachdem sie eh schon in der Welt sind. Es geht darum, die Suggestivkraft zu nutzen und zu erklären, was es damit auf sich hat."
Wichtig ist natürlich dabei, die Gefühle der Angehörigen der Weißen Rose nicht zu verletzen. Einer der Hinterbliebenen ist Wolfgang Huber. Sein Vater Professor Kurt Huber war eines der Mitglieder der Weißen Rose und ist mit diesem Fallbeil hingerichtet worden:
"Wenn Sie jetzt sagen das Fallbeil ist neu entdeckt worden, möchte ich es mir nicht anschauen, ich glaube, das würde mir nicht gut tun. Nachdem ich das gestern erfahren habe, habe ich schlecht geschlafen. Es belastet einen schon. Aber dass es der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte, denke ich. Es ist ein Geschichtsdokument ersten Ranges, man kann das nicht einfach wegwerfen, man muss schon etwas damit unternehmen."
Ausstellen ja, aber in einem angemessenen Rahmen
Wolfgang Huber hätte also nichts dagegen, wenn das Fallbeil ausgestellt würde. Er möchte nur nicht, dass die Guillotine zu einem Gruselkabinett wird, und dass die Ideen der Weißen Rose dabei untergehen. Auch die Weiße-Rose-Stiftung findet es richtig und sinnvoll, die aufgefundene Guillotine der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Allerding hält sie es für notwendig, den historischen Kontext zu zeigen.
Als Ausstellungsort kommt in Frage vor allem das NS-Dokumentationszentrum München, das noch in diesem Jahr eröffnet wird. Zu überlegen wäre aber auch, ob man nicht einen eigenen Dokumentationsort am Gefängnis München-Stadelheim einrichtet: Denn schließlich sind nicht nur die Mitglieder der Weißen Rose mit dieser Guillotine hingerichtet worden. Insgesamt sind es mehr als 1000 Opfer.