Gunda Windmüller: Weiblich, ledig, glücklich - sucht nicht. Eine Streitschrift
Rowohlt Taschenbuch, Hamburg 2019
288 Seiten, 14,99 Euro
Single-Frauen sind keine Mängelwesen
06:12 Minuten
Gunda Windmüller hat genug: Von dem Fantasiebild der romantischen Liebe und dem Zwang, sich als Frau ab Mitte 30 ständig fürs glückliche Single-Dasein rechtfertigen zu müssen. Ihr Buch ist eine lesenswerte Kampfansage.
Nur die Liebe zählt! Sie alleine gibt unserem Leben einen Sinn und macht uns zu ganzen Menschen!
Ach ja, tatsächlich? In ihrer Streitschrift unterzieht die Journalistin und Literaturwissenschaftlerin Gunda Windmüller diese Vorstellung der romantischen Liebe einem Faktencheck. Gestützt auf Statistiken, historische und soziologische Exkurse, eigene Erfahrungen und Interviews mit Single-Frauen zwischen 30 und 60 kommt sie zu einem ganz anderen Ergebnis. Ihr Fazit leitet sie eindrücklich her, dennoch schlägt es ein wie eine Bombe: "Liebe lohnt sich nicht". Vor allem nicht für Frauen. Warum?
In deutschen Hauptstädten wie Hamburg lebt heute jede/r Dritte allein. Die Scheidungsquote in Deutschland liegt bei rund 40 Prozent. Fast jede fünfte Familie mit minderjährigen Kindern wird von Alleinerziehenden großgezogen, davon 90 Prozent von Frauen. Rein pragmatisch betrachtet mag es verwundern, dass sich trotz dieser Zahlen das Ideal der lebenslangen Liebe so hartnäckig hält. Obwohl sich heute jeder und jede mit One-Night-Stands oder polyamourösen Abenteuern bis ins hohe Alter sexuell ausleben kann, ist für Frauen ab Mitte 30 die gesellschaftliche Toleranzgrenze erreicht: Mit abnehmender Gebärfähigkeit gilt es die Kurve zu kratzen und eine bürgerliche Kleinfamilie zu gründen.
Ab Mitte 30 beginnt die gesellschaftliche Ächtung
Das beschreibt Gunda Windmüller unverblümt offen in ihrem Buch, das sich immer wieder auch aus ihren eigenen Erfahrungen speist. Obwohl es in Deutschland mehr Single-Männer als Frauen gibt, werde vor allem kinderlosen Single-Frauen schlicht in Abrede gestellt, alleine glücklich sein zu können. Ab Mitte 30 beginne die gesellschaftliche Ächtung weiblicher Lebensentwürfe, die ohne Partner auskommen.
In den drei Teilen ihres Buchs, die sich erst der Liebe, dann den Frauen und schließlich der Freiheit widmen, schlägt die Autorin wiederholt einen Bogen in die Geschichte: Wie die Erfindung der romantischen Liebe mit der Entwicklung der Industriegesellschaft korreliert. Wie dabei die Erfordernisse der Lohnarbeit die Sphäre der Arbeit von der Privatsphäre der Familie trennte und Frauen ihren Platz im Privaten zuwiesen.
Unterhaltsame und anekdotische Streitschrift
Wie heute, wo die Arbeitsteilung der Geschlechter weitgehend aufgehoben ist und Sexualität und Reproduktion getrennt voneinander möglich sind, Frauen immer noch als Mängelwesen angesehen werden, wenn sie ab einem bestimmten Alter keine Familie vorweisen können. Weiblich, single, kinderlos: Das ist in Deutschland ab Mitte 30 ein erklärungsbedürftiger Lebensstatus.
Gunda Windmüller schreibt unterhaltsam und anekdotisch. Ein paar mantra-ähnliche Wiederholungen ließen sich kürzen, und nur der Verlag wird wissen, warum diese Streitschrift ausgerechnet in einem genderkonformen zartrosa Einband daherkommen muss. Dennoch: Chapeau für diese Kampfansage gegen gesellschaftliches Single-Shaming. Daumen hoch für den Mut, als Frau Mitte 30 mit eigenen Entscheidungen zu provozieren.