Gurlitt-Nachlass

Schwieriges Erbe

Das Kunstmuseum in Bern von außen.
Das Kunstmuseum Bern ist der neue Besitzer der Gurlitt-Sammlung © picture alliance / dpa - Gian Ehrenzeller
Von Claudia Wheeler |
Die Sammlung von Kunsthändler-Sohn Cornelius Gurlitt geht an das Kunstmuseum Bern - mit Ausnahme der Werke, die unter Raubkunst-Verdacht stehen. Sie werden weiterhin in Deutschland untersucht. Was aber passiert mit der "entarteten Kunst"?, fragt Claudia Wheeler.
Sicher, es gibt viel Gutes an der Vereinbarung, die heute getroffen wurde: Alle Werke aus der Sammlung Gurlitt, die unter dem Verdacht stehen NS-Raubkunst zu sein, bleiben in Deutschland und werden weiter von der „Taskforce" untersucht. Die soll nun ihre Forschungsergebnisse regelmäßig veröffentlichen. Der Druck wird also erhöht, denn dass aus dem Nachlass bisher nur die Herkunft von drei geraubten Bildern geklärt werden konnte, steht nicht gerade für eine schnelle und effiziente Arbeit.
Immerhin stehen seit heute die Geschäftsbücher von Vater Hildebrand Gurlitt im Internet auf der Datenbank „Lost Art" - das hatten Erbenvertreter lange gefordert. Deutschland trägt die Kosten für Provenienzrecherche und Restitution und übernimmt damit die finanzielle und moralische Verantwortung. Und auch die Schweiz wird sich nun stärker als bisher mit der eigenen Provenienzforschung beschäftigen müssen – so weit, so gut.
Aber was macht das Kunstmuseum Bern mit der sogenannten „entarteten Kunst", also mit den Kunstwerken, die 1937/38 aus den deutschen Museen entfernt wurden? Diese Frage wurde heute nicht beantwortet. Nur so viel: Die davon betroffenen deutschen Museen sollen bei Leihgaben bevorzugt behandelt werden. Das klingt sehr unverbindlich.
Dokument deutscher Geschichte
Aber selbst wenn man künftig in deutschen Museen vereinzelt Werke aus dem Schwabinger Kunstfund sehen könnte. Selbst wenn das Kunstmuseum Bern Teile ausstellen würde: Man würde eine Chance vergeben – die Chance, die Sammlung Gurlitt in ihrer Gesamtheit zu zeigen und damit einen Teil deutscher Geschichte zu dokumentieren. Denn der Namen Gurlitt steht für einen beispiellosen Kunstraub im Dritten Reich. Hildebrand Gurlitt war als einer der wichtigsten Kunsthändler Adolf Hitlers mit der Aufgabe betraut, sogenannte „entartete Kunst" ins Ausland zu verkaufen. Der Name Gurlitt steht aber auch für die jahrzehntelangen Versäumnisse, das Thema NS-Raubkunst konsequent anzugehen und geraubte Bilder zu restituieren.
Der Name Gurlitt steht aber auch für ein Umdenken in der Provenienzforschung. Der Fall hat viel Staub aufgewirbelt und den Stein so richtig ins Rollen gebracht. Wir haben es hier mit einem Teil deutscher Geschichte zu tun, die bis in die Gegenwart hineinwirkt und uns auch noch in der Zukunft beschäftigen wird. Das muss bewahrt, und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Gerade darum muss die Sammlung – bis auf die Werke, die restituiert werden können – zusammenbleiben. Entweder in einer ständigen, oder einer Wanderausstellung.
Nicht nur das Kunstmuseum Bern hat das schwierige Erbe angenommen, auch die Bunderepublik Deutschland. Beide müssen nun verantwortungsvoll mit diesem Erbe umgehen. Die Aufmerksamkeit, national wie international, wird groß sein. Vielleicht kann die Zusammenarbeit von Schweiz und Deutschland Maßstäbe setzten für die Zukunft, spätestens dann, wenn ein zweiter Fall Gurlitt auftaucht.
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