Paradies, zweiter Versuch
"Der erste Satz beginnt, als ob er nicht bis drei zählen kann, dann aber geht es gleich ins große Einmaleins", sagte Gustav Mahler über seine 4. Sinfonie, und spricht weiter von den "Milliarden Tropfen eines Regenbogens".
Den schlichten Beginn mit Schellengeklingel – das man seit Leopold Mozart mit Kindermusik gleichsetzt – nahmen ihm seine Zeitgenossen übel, den Humor und die Rätselhaftigkeit des scheinbar einfachen und gegenüber Mahlers ersten drei Sinfonien auch kleiner besetzten Werkes überhörten sie. Bei der Uraufführung war es ein völliger Misserfolg, heute ist die Vierte wohl die meist aufgeführte aller Mahler-Sinfonien.
Die 4. Sinfonie, uraufgeführt 1901, ist Mahlers hellste, seine eingängigste und lichteste. All das ist wahr – und nichts davon stimmt. Mahlers Vierte bleibt rätselhaft, sie sucht nach der Idylle, dem Traum vom Paradies, und zugleich zieht der Komponist einen doppelten Boden ein, der diese Sehnsucht wieder untergräbt. Denn bei Mahler gibt es keine Idylle ohne Riss. "Ein Als-ob von der ersten bis zur letzten Note", meinte Adorno über diese Sinfonie. Das Werk ist vom Finalsatz aus gedacht, der lange vor den anderen Sätzen komponiert wurde, ein Liedfinale, geschrieben auf das Gedicht "Das himmlische Leben" aus Des Knaben Wunderhorn. "Das Kind erzählt im letzte Satz, wie alles gemeint ist", so Mahler, und tatsächlich erscheinen die drei vorangehenden im "Zurückhören" in anderem Licht.
Zu hören sind Interpreten wie Willem Mengelberg und Bruno Walter – die Mahler selbst noch kannten – ebenso wie Claudio Abbado, Leonard Bernstein, Riccardo Chailly, Michael Gielen, Philippe Herreweghe, Herbert von Karajan, Yannick Nézet-Seguin und Simon Rattle .