Flaubert-Übersetzerin über "Lehrjahre der Männlichkeit"

"Manches muss rätselhaft und schwierig bleiben"

12:51 Minuten
Elisabeth Edl sitzt an einem Tisch vor einer kahlen Wand und hält ein Buch in der Hand.
Elisabeth Edl wurde für ihre Übersetzungen aus dem Französischen mit dem Orden „Chevalier de l’Ordre des Art et des Lettre“ ausgezeichnet. © imago / Gerhard Leber
Elisabeth Edl im Gespräch mit Joachim Scholl · 10.12.2021
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Auch am 200. Geburtstag von Gustave Flaubert sind seine Romane immer noch zeitgemäß, sagt die Übersetzerin Elisabeth Edl. Sie erzählt, dass Flaubert akribisch gearbeitet und seine Formulierungen auf skurrile Weise getestet hat.
Der französische Schriftsteller Gustave Flaubert soll seine Sätze zum Fenster herausgebrüllt haben, um zu probieren, ob sie richtig klingen. Für Ausflugsdampfer auf der Seine sei das eine Attraktion gewesen, erzählt Elisabeth Edl, die Flauberts Bücher übersetzt hat. „Das ist eine tolle Anekdote, die auch stimmt, denn sie wurde von verschiedenen anderen Leuten auch beschrieben.“
Als Flauberts Übersetzerin brüllt Edl die Sätze zwar nicht heraus, aber sie spricht sie sich auch laut vor, um ihre Wirkung zu erspüren. Flaubert sei für Übersetzer eine der ganz großen Herausforderungen, sagt sie, weil die Schwierigkeit sehr hoch ist und weil sie wisse, wie Flaubert gearbeitet hat.

Möglichst dicht an Flauberts Original

Daher hat es acht Jahre gedauert, bis sie die deutsche Übersetzung von Flauberts „L‘Éducation sentimentale“ fertiggestellt hatte. Im Deutschen hat das Buch den neuen Titel „Lehrjahre der Männlichkeit“. Auch wenn sie nicht ununterbrochen daran gearbeitet hat, habe es schon lange gedauert.
Der französische Schriftsteller Gustave Flaubert auf einer zeitgenössischen Fotografie.
Akribischer Schriftsteller: Gustave Flaubert begeistert noch heute. © picture alliance / Mary Evans Picture Library
Flauberts Sprache ist komplex. „Seine Sätze enden immer auf ein wichtiges, betontes Wort.“ Und so müsse die Satzkonstruktion dann auch im Deutschen sein, erklärt Edl. Dabei gehe es ihr nicht darum, ein Buch neu zu übersetzen, sondern so zu arbeiten, dass der Text möglichst dicht an Flauberts Original ist.

Ich modernisiere nichts. Was das Vokabular oder Formulierungen angeht, verwende ich nichts, was man nicht auch schon Mitte des 19. Jahrhunderts hätte verwenden können.

Das bedeutet auch, dass manches so rätselhaft und schwierig bleiben müsse, wie es ist. „Französische Leser verstehen bei Flaubert auch nicht alles“, sagt Edl. Das liege am fehlenden historischen Hintergrundwissen. „Was ich sehr gerne mache ist, dass ich alles in einem Nachwort oder in Anmerkungen erkläre.“

Ein zeitloser Roman

Auch heute sei Flauberts Roman „Lehrjahre der Männlichkeit“ noch zeitgemäß. Die Hauptfigur Frédéric Moreau ist zu Beginn des Romans 18 Jahre alt. „Dieser junge Mann ist sehr orientierungslos. Er hat viele Talente, er hat Ambitionen, er hat Flausen. Aber es wird nichts daraus. Und diese Orientierungslosigkeit ist etwas sehr Zeitloses, was man in verschiedenen Epochen immer wieder findet“, sagt Edl.

Gustave Flaubert: "Lehrjahre der Männlichkeit"
Übersetzt aus dem Französischen von Elisabeth Edl
Hanser Verlag, München 2020
800 Seiten, 42 Euro

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