Gut funktionierendes Puzzlespiel
Er begann seinen Arbeitstag mit zwei Stunden cholerischem Geschrei und war für Psychoterror gegenüber Schauspielern bekannt. Trotzdem war Kurt Hübner, Intendant von 1962 bis 1973, in Bremen ein Theater-Mythos. Mit vielen verschiedenen Versatzstücken zeichnet Regisseur Gernot Grünewald ein Porträt - und das funktioniert.
Wie in einem vergessenen Fundus steht auf der leeren Bühne des Bremer Theaters ein Haufen Stühle übereinander gestapelt. Dahinter liegt ein Berg ziemlich alter Kostüme, die, wenn sie wie Marionetten nach oben gezogen werden, eine die Bilder verzerrende Leinwand abgeben, so verzerrend wie die menschliche Erinnerung, die beständig baut, ergänzt und sortiert und nach über 50 Jahren meistens nur noch schwammige Bilder des einst erlebten wiedergeben kann.
Deshalb beschränkt sich Grünewald auch nicht auf 30 Zeitzeugen als Quelle für den Mythos der Hübner-Jahre, sondern lässt auch historische Texte von Hübner und Zeitgenossen, Journalisten, Kritikern und Publikumsbriefe, auch empörte Abonnenten, zu Wort kommen. Es sind diese Primärquellen, die das vielleicht realistischste Bild der Hübner-Zeit erzählen.
Doch auch die anekdotenreichen Erinnerungen der heute noch lebenden Zeitzeugen verfehlen ihre theatrale Wirkung nicht, wie Hübner seinen Arbeitstag mit zwei Stunden cholerischen Geschrei begonnen habe, wie er aus dem ersten Rang gebrüllt habe, wenn ihm wahlweise das Geschehen auf der Bühne oder im Publikumsraum nicht gefiel oder wie er die emotionale Schwäche einer jungen Schauspielerin angeblich so sehr ausgenutzt habe, dass es an Psychoterror grenzte.
So gut funktioniert das Puzzlespiel, dass Grünewald aus unterschiedlichen Quellen mit unterschiedlichen Medien zusammensetzt, dass tatsächlich der Schatten einer anderen Zeit entsteht, man sich als Zuschauer reingesogen fühlt in diese Geisterbeschwörung und kurz zusammenzuckt, als im ersten Rang tatsächlich jemand brüllt: "Was für eine Scheiße ist das hier?". Es war nur ein Schauspieler, kein wandelndes Intendantengespenst.
Etwas war anders in der Hübner-Ära, das wird jenseits der schönen Kantinengeschichten deutlich, wenn Grünewalds fünf Schauspieler wahlweise die Ergebnisse ihrer Recherche fast privat nacherzählen oder dann doch die Begegnungen nachspielen oder einfach den mp3-Player einschalten.
Was Hübner auszeichnete war wohl am ehesten der unbeugsamer Wille, seine künstlerischen Ziele ohne faule Kompromisse mit lokalen Autoritäten, und im Zweifel auch gegen die Wünsche einer Mehrheit des Publikums durchzusetzen, auch auf Kosten der Auslastung des Hauses, wie man erfährt, teilweise nur 200 Leute hätten in den Vorstellungen im ,Theater am Goetheplatz' gesessen.
Michael Börgerding knüpft seit Beginn seiner Intendanz 2012 ganz bewusst an die Hübner-Ära an, inszeniert sich selbst und sein Haus mit reaktiviertem Logo und streng versachlichtem Design als legitimer Nachfolger des Theater-Mythos. Und setzt inhaltlich nicht auf die bekannten Namen, die landauf, landab die Häuser immer verwechselbarer machen, sondern gibt jungen Hausregisseuren eine Chance, auch wenn dieser Weg nicht sofort steigende Zuschauerzahlen verspricht.
Eine Haltung, die Respekt abnötigt, auch wenn wir erst in einigen Jahren sehen werden, ob diese Talentförderung im Rückblick so erfolgreich war, dass zukünftige Theatergenerationen fragen werden: "War da was? Die Börgerding-Jahre".
Deshalb beschränkt sich Grünewald auch nicht auf 30 Zeitzeugen als Quelle für den Mythos der Hübner-Jahre, sondern lässt auch historische Texte von Hübner und Zeitgenossen, Journalisten, Kritikern und Publikumsbriefe, auch empörte Abonnenten, zu Wort kommen. Es sind diese Primärquellen, die das vielleicht realistischste Bild der Hübner-Zeit erzählen.
Doch auch die anekdotenreichen Erinnerungen der heute noch lebenden Zeitzeugen verfehlen ihre theatrale Wirkung nicht, wie Hübner seinen Arbeitstag mit zwei Stunden cholerischen Geschrei begonnen habe, wie er aus dem ersten Rang gebrüllt habe, wenn ihm wahlweise das Geschehen auf der Bühne oder im Publikumsraum nicht gefiel oder wie er die emotionale Schwäche einer jungen Schauspielerin angeblich so sehr ausgenutzt habe, dass es an Psychoterror grenzte.
So gut funktioniert das Puzzlespiel, dass Grünewald aus unterschiedlichen Quellen mit unterschiedlichen Medien zusammensetzt, dass tatsächlich der Schatten einer anderen Zeit entsteht, man sich als Zuschauer reingesogen fühlt in diese Geisterbeschwörung und kurz zusammenzuckt, als im ersten Rang tatsächlich jemand brüllt: "Was für eine Scheiße ist das hier?". Es war nur ein Schauspieler, kein wandelndes Intendantengespenst.
Etwas war anders in der Hübner-Ära, das wird jenseits der schönen Kantinengeschichten deutlich, wenn Grünewalds fünf Schauspieler wahlweise die Ergebnisse ihrer Recherche fast privat nacherzählen oder dann doch die Begegnungen nachspielen oder einfach den mp3-Player einschalten.
Was Hübner auszeichnete war wohl am ehesten der unbeugsamer Wille, seine künstlerischen Ziele ohne faule Kompromisse mit lokalen Autoritäten, und im Zweifel auch gegen die Wünsche einer Mehrheit des Publikums durchzusetzen, auch auf Kosten der Auslastung des Hauses, wie man erfährt, teilweise nur 200 Leute hätten in den Vorstellungen im ,Theater am Goetheplatz' gesessen.
Michael Börgerding knüpft seit Beginn seiner Intendanz 2012 ganz bewusst an die Hübner-Ära an, inszeniert sich selbst und sein Haus mit reaktiviertem Logo und streng versachlichtem Design als legitimer Nachfolger des Theater-Mythos. Und setzt inhaltlich nicht auf die bekannten Namen, die landauf, landab die Häuser immer verwechselbarer machen, sondern gibt jungen Hausregisseuren eine Chance, auch wenn dieser Weg nicht sofort steigende Zuschauerzahlen verspricht.
Eine Haltung, die Respekt abnötigt, auch wenn wir erst in einigen Jahren sehen werden, ob diese Talentförderung im Rückblick so erfolgreich war, dass zukünftige Theatergenerationen fragen werden: "War da was? Die Börgerding-Jahre".