Belgien als Basislager für islamistische Terroristen
Die Anschläge in Paris waren offenbar zentral geplant, koordiniert und finanziert. Die Spuren deuten in mehrere Richtungen – eine sehr deutliche führt nach Belgien. Das Land ist inzwischen einer der am stärksten durch Terrorismus gefährdeten Staaten Europas.
Das kleine Belgien scheint so etwas wie ein europäisches Basislager für islamistische Terroristen zu sein. Allein von den geschätzt 3000 Europäern, die in Syrien und im Irak auf Seiten des sogenannten Islamischen Staates kämpfen, sollen fast 500 aus Belgien kommen.
Das hat verschiedene Gründe. Belgien hat traditionell einen sehr hohen Anteil an Muslimen. Vor allem viele Marokkaner und Algerier, die eigentlich nach Frankreich wollten, sind gleich weitergezogen nach Belgien. Sei es, weil sie in Frankreich keine Arbeit gefunden haben, sei es, weil sie sich in Frankreich nicht willkommen fühlten.
Belgien gilt als offener, als liberaler als seine Nachbarstaaten. Man lässt sich in Ruhe, man kümmert sich nicht so um seine Nachbarn. Man schaut nicht über den Zaun. Vor allem in Brüssel ist eine große Toleranz gegenüber allen Fremden zu spüren. Eine Toleranz, aber auch eine Gleichgültigkeit, was diese Fremden machen.
Als der belgische König Baudouin vor fast 50 Jahren mitten in Brüssel den Bau einer der größten Moscheen in Europa erlaubte, wurde das als besonderer Ausdruck der Offenheit empfunden. Der erzkatholische König gibt dem Islam ein eigenes Gotteshaus.
Das Geld für die Moschee kam aus Saudi-Arabien, und die Saudis kümmerten sich auch gleich um die geistliche Ausstattung der Moschee. Sie gründeten das Centre islamique et culturel de Belgique, gründeten Kindergärten und Büchereien, und ließen auch sonst nichts aus, um die saudische Version des Islam unters Volk zu bringen.
Eine der Brutstätten des Salafismus in Europa
Heute geht man davon aus, dass dieses Zentrum für Islam und Kultur eine der Brutstätten des Salafismus in Europa ist, einem Islam, der sich an den Salaf orientiert, an den Vorfahren, einem Islam also, der die Rückkehr in die Zeiten von Mohammed betreibt.
Seit die belgischen Geheimdienste die große Moschee konsequent kontrollieren, seitdem entstehen immer neue halboffizielle Organisationen, die sich die Förderung und Verbreitung des Salafismus auf die Fahnen schreiben. Diese Organisationen bekommen zwar Unterstützung vom Zentrum für Islam und Kultur, bewegen sich aber zunehmend unabhängig.
Eine Reihe führender Islamisten sitzt inzwischen in belgischen Gefängnissen. Doch die Szene wird dadurch nicht kleiner. Vor allem im Einwandererviertel Molenbeek, wo die Arbeitslosigkeit hoch und die Frustration unter den Jugendlichen groß ist, finden die Wortführer immer neue Anhänger. 22 Moscheen hat das kleine Molenbeek, manche in Hinterhöfen, manche finanziert mit saudischem Geld und infiziert mit salafistischen Ideen.
Die belgischen Geheimdienste wie auch die Polizei gelten als effizient, aber äußerst ruppig im Umgang mit Verdächtigen, was oft neuen Hass schürt. Vor allem aber leiden Geheimdienste und Polizei unter der komplizierten Staatsstruktur. Noch vor zwanzig Jahren gab es so gut wie keine Zusammenarbeit zwischen französisch- und niederländisch-sprachigen Polizisten. Verdächtige, die von Flandern nach Wallonien oder nach Brüssel fuhren, verschwanden oft vollständig vom Radar der Polizei.
In diesem Punkt ist in Belgien in den letzten Jahren vieles besser geworden. Die Zusammenarbeit scheint inzwischen gut zu funktionieren. Doch die Reibereien zwischen Wallonen und Flamen sind nach wie vor hinderlich. Das Kernproblem aber ist, dass sich die Islamisten über viele Jahre in Belgien einrichten konnten. Sie haben Untergrund-Strukturen aufgebaut, die inzwischen auch von französischen Terroristen als Rückzugsraum genutzt werden. Von Paris nach Brüssel sind es mit dem Zug gerade einem eineinhalb Stunden.