Emran Feroz ist freier Journalist mit afghanischen Wurzeln und österrischem Pass. Er berichtet regelmäßig über die politische Lage im Nahen Osten und Zentralasien. Feroz recherchierte unter anderem die dramatischen Folgen der amerikanischen Drohnen-Angriffe in Afghanistan und veröffentlichte dazu das Buch: "Tod per Knopfdruck: Das wahre Ausmaß des US-Drohnen-Terrors oder Wie Mord zum Alltag werden konnte."
Die Macht eines Stück Papiers
Reisepässe öffnen Grenzen – oder eben auch nicht. Je nachdem, welches Land sie ausgestellt hat. Der austro-afghanische Publizist Emran Feroz kennt beide Seiten aus eigener Erfahrung. Er berichtet, wie sich Racial Profiling anfühlt.
Im Laufe meines bisherigen Lebens kam ich in den Besitz von zwei verschiedenen Pässen. Als ich auf die Welt kam, wurde mir automatisch die afghanische Staatsbürgerschaft zuteil. Da meine Eltern zum damaligen Zeitpunkt noch keinen österreichischen Pass – meine Geburtsstadt ist Innsbruck – hatten, wurde ich per se nur zum Afghanen erklärt. Mein Name wurde einfach in den afghanischen Reisepass meines Vaters hinzugefügt.
Der nutzloseste Pass der Welt
Damit hatte ich einen der nutzlosesten Pässe der Welt. Besitzer des afghanischen Passes haben nämlich vor allem eines: Probleme. Man kann kaum in ein Land einreisen, ohne auf umständliche Art und Weise ein Visum zu beantragen. Hinzu kommen zahlreiche bürokratische Probleme und ein Misstrauen, das mit dem afghanischen Staatsapparat zu tun hat. Allein in den letzten dreißig Jahren gab es in Kabul vier verschiedene Regierungen – von Kommunisten über die Mudschaheddin und Taliban bis hin zur jetzigen Regierung. Jede von ihnen hatte eigene Regeln, führte neue Pässe ein und erklärte die der vorherigen Machthaber für unrechtmäßig.
Was gar keine Rolle spielt ist Lebenswirklichkeit vieler Afghanen, die in viele Länder ausgewandert sind. Dort gilt nämlich weiterhin: Wer kein Staatsbürger ist, ist kein vollwertiger, gleichberechtigter Bürger.
Beim Reisen als etwas Gefährliches beäugt
Bei mir änderte sich das bereits im Kindheitsalter. Der Innsbrucker Bürgermeister überreichte meiner Familie in einem kleinen, feierlichen Akt den österreichischen Pass. Er gratulierte uns – und wir waren glücklich. Wir gehörten nicht nur zu den ersten Afghanen in Innsbruck, denen diese Ehre zuteil wurde. Nein, wir waren auch davon überzeugt, dass sich unser Alltag nun ändern wird.
Unsere Erwartungen hielten sich allerdings in Grenzen. Natürlich waren wir nun offizielle Austro-Afghanen und ein fester Teil des Sozialsystems. Wir hatten die Rechte eines österreichischen Bürgers. Vor Alltagsrassismus und institutioneller Diskriminierung schützt ein Pass allerdings trotzdem nicht. Sei es nun bei der Arbeits- und Wohnungssuche oder in der Schule. Auch beim Reisen werden wir weiterhin in erster Linie nicht als Österreicher oder Europäer wahrgenommen, sondern als etwas Fremdes, Exotisches und womöglich Gefährliches. Stets wird man skeptisch nach dem Pass gefragt, der dann genauestens beäugt wird.
Nur Menschen, die ins Raster passen, werden kontrolliert
Wie stark alles von dem Stück Papier abhängt, merkt man besonders dann, wenn man die Behandlung von jenen Menschen sieht, die einem ähneln. Dies geschieht etwa, wenn man von Österreich nach Deutschland reist und an der Grenze kontrolliert wird. Oftmals werden hier nur jene Menschen kontrolliert, die "ins Raster passen", sprich: schwarze und andersfarbige Menschen, die eben nicht wie Biodeutsche aussehen. Das nennt man "racial profiling". Sobald ich meinen österreichischen Pass zeige, werde ich oftmals zwar kritisch beäugt, allerdings auch schnell in Ruhe gelassen. Andere Menschen haben nicht so viel Glück. Ein Beispiel hierfür sind etwa afghanische Geflüchtete. Auch ich könnte einer von ihnen sein.
Ein Stück Papier bestimmt, wer wir sind
Jedes Jahr macht ein Ranking deutlich, welche Pässe Macht haben und welche nicht. Es ist kein Zufall, dass diese Liste stets von reichen Industrienationen geführt wird, während jene, die vom System nicht profitieren sondern davon erdrückt werden, schlecht abschneiden. Die absolute Mehrzahl der Afghanen trägt keine Schuld für die politische Situation in ihrer Heimat.
Zu den westlichen Mächten, die am Hindukusch stets mitgemischt haben, gehören auch die Briten und Amerikaner, die Ranking stets vorne liegen. Umgekehrt verhält es sich auch mit Palästinensern und Kurden, die stets hinten liegen. Diese haben gar keinen Staat und somit oft auch gar keinen Pass haben. Dennoch bestimmt ein Stück Papier, wer wir sind und setzt uns Grenzen, die es eigentlich gar nicht geben sollte. All diese Strukturen wurden von uns – von Menschen – geschaffen, und es ist höchste Zeit, sie aufzulösen.