"Gute Pässe Schlechte Pässe"

Tanzend gegen die Ausgrenzung

Die Regisseurin und Choreographin Helena Waldmann
Die Regisseurin und Choreographin Helena Waldmann © picture alliance / dpa / Claudia Esch-Kenkel
Helena Waldmann im Gespräch mit Ute Welty |
Welchen Wert besitzt ein Reisepass? Das ist das Thema des neuen Tanztheaterstückes "Gute Pässe Schlechte Pässe" der Choreographin Helena Waldmann. In ihrer Inszenierung kontrastiert sie zeitgenössischen Tanz mit Zirkus-Akrobatik – ein politisches Statement gegen Ausgrenzung.
Der Wert eines Reisepasses ist auf der Welt höchst unterschiedlich verteilt. Deutsche beispielsweise können ohne Visum oder mit einem Visum on arrival in 178 Länder einreisen. Afghanen dagegen wird nur in 25 Ländern vorbehaltlos die Einreise gewährt.
Das Politikum "Reisepass" und die damit verbundenen Grenzerfahrungen hat die Regisseurin und Choreographin Helena Waldmann zum Thema ihres neuen Tanztheaterstückes gemacht: "Gute Pässe Schlechte Pässe" hat heute Abend in Ludwigshafen Premiere.
Waldmann beschrieb im Deutschlandradio Kultur ihren künstlerischen Ansatz: Sie habe sich die Frage gestellt, wie man Reisefreiheit und Reisebeschränkungen in verschiedenen Kulturen auf der Bühne darstellen könne – in einem Medium, das fast ohne Sprache auskomme. Sie habe sich dann für eine Kontrastierung des zeitgenössischen Tanzes mit dem zeitgenössischen Zirkus entschieden:
"Und das geht sehr auf. Ich habe Akrobaten bekommen, die aus ihrem System auch gerne herauswollen. Denen das zu eng ist, die sagen: Wir würden uns gerne öffnen und einfach mehr auf die Seite des Tanzes gehen und gucken, was dort los ist."

Experimente mit künstlerischen Grenzerfahrungen

Die Arbeit mit Zirkus-Akrobaten war auch eine künstlerische Grenzerfahrung. Sie schätze solche Experimente, sagt die Choreographin:
"Ich langweile mich ein bisschen, wenn ich immer nur mit zeitgenössischen Tänzerinnen und Tänzern unterwegs sein muss. Mein letztes Stück etwa habe ich in Bangladesch gemacht. Und dort habe ich mich auf totales Glatteis begeben, weil ich dort mit Kathak-Tänzern gearbeitet habe. Und Kathak ist eine mir absolut fremde Sprache, in die ich mich auch erst einmal hineinwühlen musste, um das zu verstehen. Ja, ich glaube, ich liebe Glatteis."

Türkische Tanzszene beklagt fehlenden Austausch

Waldmann hat kürzlich die Türkei besucht und berichtete auch von Gesprächen mit Mitgliedern der dortigen Tanzszene. Sie beklagten, dass sie aus ihrem Land nicht mehr ausreisen könnten und kaum noch ein internationaler Austausch stattfinden könne. Diese Begegnungen hätten ihr noch einmal die politischen Dimensionen ihrer Arbeit deutlich gemacht:
"Als Choreographin habe ich natürlich mit Bewegung zu tun. Und wenn ich feststelle, dass diese Welt immer bewegungsloser wird, weil man uns einsperrt, dann wird es mir ganz schlecht. Und ich würde gerne alles sofort ändern."
Wie kann die Kunst auf die zunehmende Betonung des Nationalen in vielen Ländern reagieren? Waldmanns Anspruch lautet:
"Ich glaube, man hat nur die Chance, immer wieder Statements zu behaupten, ein Statement nach dem anderen. Ich weiß, dass es nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein kann. Sich stark zu machen gegen das, was hier gerade passiert, ist für jeden von uns ganz wichtig: Um zu zeigen, dass wir damit überhaupt nicht einverstanden sind."
(ue)
Mehr zum Thema