Was im Coronasommer erlaubt ist und was nicht
06:54 Minuten
„Sind Sie eigentlich schon geimpft?“ Für den Benimmexperten Clemens Graf von Hoyos ist diese beiläufige Frage keine harmlose. Auch beim Verkünden eigener Urlaubspläne sei Vorsicht angebracht, findet der Vorsitzende der Knigge-Gesellschaft.
Endlich wieder Freunde und Bekannte treffen, endlich wieder im Café sitzen: Nach dem langen Coronawinter strömen die Menschen derzeit nach draußen und genießen die Lockerungen der strengen Pandemiemaßnahmen. Doch im Umgang miteinander einfach nahtlos an die Zeit vor Corona anzuknüpfen, das wird nicht funktionieren, meint Clemens Graf von Hoyos, der Vorsitzende der Deutschen-Knigge-Gesellschaft.
Neue Regeln des Smalltalks
"Mit Sicherheit ist da etwas auf der Strecke geblieben, beziehungsweise hat sich da etwas verändert", sagt der Experte für gutes Benehmen. "Ich merke an mir selber, dass ich dünnhäutiger geworden bin." In der Zeit des Social Distancing habe das soziale Regulativ gefehlt.
"Es heißt ja in der Psychologie: Ohne Du kein Ich. Dadurch, dass wir so eingeschränkt gelebt haben, wenig Begegnungen mit anderen Menschen hatten, kann es schon passieren, dass man irgendwelche Spleens und Eigenheiten entwickelt hat, die nicht klassisch unter das gute Benehmen fallen."
Der Benimmexperte sieht durch die Pandemie auch Neuerungen, was die Regeln des Smalltalks betrifft. So könne zum Beispiel das Thema "Impfen" durchaus heikel sein, da es gleich mehrere Tabus berühre, wie der Benimmexperte erklärt: Politik, Religion, Krankheit und Tod.
Er rät, das Thema "Impfung" besser nicht anzusprechen, sondern das Thema gegebenenfalls "auf sich zukommen zu lassen – und dann natürlich auch mit einer hohen Ambiguitätstoleranz".
Auch vom eigenen geplanten Urlaub zu sprechen, habe die Unschuld verloren. Von Hoyos rät hier jedenfalls zur Zurückhaltung: "Wir wollen ja ein unbefangenes Gespräch führen. Wenn ich von meinen Urlaubsplänen spreche – wir sind hier in Deutschland leider eher von einer Kultur des Neides als von einer Kultur des Gönnens geprägt – dann kann das schon zu Befangenheit bei meinem Gegenüber führen."
Wie man Verschwörungsgläubigen gegenübertritt
Und was macht man mit der eigenen Befangenheit im Umgang mit Menschen, die sich beharrlich weigern eine Maske zu tragen oder die andere Coronaregeln ablehnen?
"Da gibt es tatsächlich von Adolf Freiherr Knigge selbst einen Ausspruch, wie man mit Verschwörungsmystikern oder -theoretikern umgehen könnte", sagt der Vorsitzende der Knigge-Gesellschaft.
Knigge habe dazu geraten, sich zunächst davon nicht verrückt machen zu lassen, sondern sachlich zu bleiben. "'Wenn man aber weiter versucht, sich an mir zu reiben' – das sind seine Worte – sollte man den Leuten in eindeutigen Worten entgegentreten, dann wirklich mit klarer Kante sagen, dieses und jenes ist mir persönlich wichtig, deswegen lassen Sie uns doch bitte hier Vernunft walten, ganz gleich, wie man zu den einzelnen Maßnahmen steht."
(uko)