Guttenberg-Biograf: Schein wichtiger als Sein
Eine ganze Reihe charakterlicher Defizite des Ex-Verteidigungsministers konnten die beiden FAZ-Journalisten Markus Wehner und Eckart Lohse bei Karl-Theodor zu Guttenberg feststellen: Er sei beratungsresistent, kein Teamplayer und es fehle ihm an Beharrlichkeit und Substanz.
Matthias Hanselmann: Einige der Themen, die uns in diesem Jahr besonders beschäftigt haben, lassen wir in geraffter Form in diesen Tagen noch einmal Revue passieren, so auch heute morgen das Thema Karl-Theodor zu Guttenberg, über das wir mit verschiedenen Kennern der Materie gesprochen haben. Schon vor dem Bekanntwerden der Plagiatsaffäre erschien eine fundierte Guttenberg-Biografie, geschrieben von zwei FAZ-Journalisten, nämlich Eckart Lohse und Markus Wehner. Mit Markus Wehner habe ich vor der Sendung gesprochen, auch über die neuesten Entwicklungen im Fall Guttenberg, aber zunächst wollte ich mal wissen, ob er eigentlich überrascht gewesen sei, als unmittelbar nach dem Erscheinen des Buches der Plagiatsfall bekannt wurde.
Markus Wehner: Na, das war natürlich schon eine Überraschung für uns, weil wir haben es ja nicht gewusst, und haben dann auch, als das rauskam, ein bisschen geschwitzt, weil wir gedacht haben: Gott, was passiert jetzt, und was passiert mit unserem Buch? Das hat uns ein bisschen weniger überrascht, würde ich sagen, als andere, weil es eigentlich in das Persönlichkeitsbild, was wir in dem Buch entworfen haben, letztlich doch ganz sich harmonisch eingefügt hat.
Hanselmann: Was genauer kritisieren Sie denn an zu Guttenberg?
Wehner: Herr Guttenberg hat natürlich neben positiven Eigenschaften eine ganze Reihe von - ich würde sagen, charakterlichen Defiziten. Das ist zum einen, dass er sich schwer beraten lässt, dass er kein Teamplayer ist, dass er jemand ist, der sehr spontan handelt, und vor allen Dingen, dass er jemand ist, dem es auch an Beharrlichkeit und Substanz in der Sache fehlt, und das hat sich natürlich in vielen Dingen gezeigt. Vielleicht ein entscheidendes Defizit ist, dass der eben immer so großartig sein wollte, dass er eben dann den Schein auch wichtiger als das Sein genommen hat, und die Plagiatsaffäre war dann eben auch sozusagen der ultimative Beweis dafür.
Hanselmann: Von diesen negativen Charaktereigenschaften, die Sie genannt haben, wie viel ist ihm denn davon sozusagen in die Wiege gelegt worden, also in die adlige Wiege?
Wehner: Na, was dem sicherlich in die Wiege gelegt worden ist, ist diese Anspruch der Familie: Wir sind Elite, wir sind etwas besonderes. Und diesen Anspruch hat er natürlich immer gespürt. Das heißt, er musste immer in seiner Selbstsicht, musste er immer großartig sein, musste er immer besser sein. Das konnte er oft nicht, weil er dafür sozusagen gar nicht die Möglichkeiten hatte von seiner Persönlichkeit her. Und daraus ergibt sich dann eben diese Kluft zwischen dem, was er darstellen wollte und dem, was er konnte.
Hanselmann: Demnach müsste dieser Mann doch eigentlich unter einem gigantischen psychischen Druck stehen. Tagtäglich.
Wehner: Das glaube ich auch, dass er unter dem steht, und ich glaube auch, seine Unfähigkeit, würde ich jetzt mal sagen, zu sagen, in dieser Affäre habe ich Mist gemacht und Punkt und Ende und keine Entschuldigungen mehr zu finden, keine Ausreden mehr zu finden, ist ein Teil dieses Drucks, dass er eigentlich nicht dann sagen kann: Das war jetzt einfach nur schlecht und Punkt, sondern er muss sozusagen immer noch eine Rechtfertigung finden, um dieses großartige Selbstbild von sich aufrecht erhalten zu können.
Hanselmann: Dieses Bild, das sicherlich auch in seiner Kindheit und Jugend ständig bestätigt wurde aus seiner Umgebung. Du bist schön, du bist intelligent ...
Wehner: Ja, natürlich. Wenn man als Baron in einem Schloss aufwächst, mit einer entsprechenden Umgebung, einer Dienerschaft, dann wächst man natürlich anders auf als die meisten Menschen in diesem Land. Guttenberg hatte ja auch eine schwierige Kindheit, die Mutter hat die Familie eben früh verlassen - ich bin kein Psychologe, deswegen will ich da auch nicht zu weit reichende Schlüsse ziehen, aber es ist wirklich etwas gewesen, wo er dann auch etwas kompensieren musste, dem er dann die Anspruche, die die Familie und der Vater an ihn gestellt hat, versucht hat, in besonderer Weise zu erfüllen.
Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit einem der Autoren der Biografie "Guttenberg", nämlich Marcus Wehner. Herr Wehner, wir haben - jetzt kommt dann schon die nächste Überraschung - vor kurzer Zeit diesen Comeback-Versuch erlebt, das Erscheinen seines Buches "Vorerst gescheitert", das hervorging aus dem großen "Zeit"-Interview, das Giovanni di Lorenzo mit Guttenberg geführt hat. Was denken Sie denn über Ihren Kollegen di Lorenzo und dieses Interview?
Wehner: Ja, ich habe mit Herrn Di Lorenzo nicht darüber gesprochen, deswegen kann ich nur das sagen, was ich mir selber so dazu denke: Also ganz sicherlich war das ein Versuch, mit Guttenberg jemanden zu präsentieren, der sehr populär war und der sich seit seinem Abtauchen nicht mehr geäußert hat. Das ist natürlich schon mal eine reizvolle Sache gewesen, mit der man sozusagen auch einen publizistischen Erfolg machen kann.
Was ich persönlich daran kritisieren würde, ist die Art, wie dann mit Guttenberg umgegangen wurde in diesem Interview. Man hatte doch sehr stark den Eindruck, dass die Regie von Guttenberg geführt wurde, und nicht von dem Herrn di Lorenzo. Also wenn Guttenberg über 30 Seiten noch mal dasselbe über seine Dissertation ausbreiten kann, was wir alle schon damals gehört haben und was uns damals schon sehr unglaubwürdig erschien, dann hat mich das doch sehr gewundert, dass man ihm diesem Raum gegeben hat, ohne dann noch mal schärfer nachzufragen.
Hanselmann: Was ja eigentlich durchaus sonst ab und zu auch die Art von Giovanni di Lorenzo auch ist, also das Nachfragen meine ich jetzt. "Vorerst gescheitert" heißt das Buch. Hätte das "vorerst" gestrichen werden müssen?
Wehner: Gut, wir müssen sehen, dass Guttenberg doch einmal noch bei einem guten Teil der Bevölkerung beliebt ist. Ich glaube auch, er ist in der CSU zumindest an der Basis immer noch sehr beliebt, und wir wissen nicht genau, was er in Zukunft tun wird. Was wir aber wissen, ist, dass er offensichtlich einen Weg zurück sucht, sonst hätte er sich nicht in dieser Weise zurückgemeldet, wie er das nun genau machen will, wissen wir nicht. Es gibt ja alle möglichen Spekulationen, aber das Buch und dieses Interview waren doch ein Zeichen, dass er sich in irgendeiner Weise zurücksehnt, zumindest dass er nicht gesagt hat: ich bin jetzt einfach mal zwei Jahre ruhig und dann schauen wir mal weiter, sondern dass es ihn umtreibt, zurückzukommen.
Hanselmann: Wir haben die Rolle der Medien angesprochen im Bezug auf dieses Zeit-Interview. Erst wird so ein Mann hochgekocht, dann stürzen sich alle auf ihn, die verschiedenen Fraktionen kochen sozusagen ihre eigenes Süppchen mit ihm. Wie wollen Sie eigentlich als Biograf vermeiden, dass sie nicht in das allgemeine Guttenberg-Bashing einfach nur so einstimmen?
Wehner: Ich glaube, dass der Wert oder ein besonderer Wert unserer Biografie ist, dass wir sie zu einer Zeit geschrieben haben, als Guttenberg allgemein noch sehr positiv beschrieben wurde, um nicht zu sagen, hochgejubelt wurde. Wir haben eigentlich auch in dieser Biografie versucht, seine Stärken und seine Schwächen zu beschreiben, und wir hatten nicht von Anfang an die Idee, wir würden jetzt Guttenberg schlecht beschreiben wollen, sondern wir haben gesagt, wir wollen uns den mal genauer anschauen, so etwas hat es doch in Deutschland noch nie gegeben, dass jemand, der kaum in der Politik in einem höheren Amt gelandet ist, eine dermaßen unglaubliche Popularität hat, dass man ihn als Prominenten auf den Hochglanzfotos der bunten Presse ebenso sieht, wie in den seriösen, runden, und dass er sogar als Kanzler gehandelt wird.
Insofern haben wir immer einen gewissen Vorsprung gehabt gegenüber Anderen, und ich glaube, dass wir jetzt eigentlich nicht es nötig haben, in dieses Bashing einzusteigen. Ich hätte mir bei der ganzen Sache jetzt gewünscht, dass man vielleicht ein bisschen weniger einfach berichtet hätte, denn es war eigentlich so ein bisschen widersprüchlich. Auf der einen Seite hat man gesagt: Das taugt jetzt alles nicht, was er macht. Auf der anderen Seite hat man aber doch sehr, sehr breit darüber berichtet.
Hanselmann: Herr Wehner, Sie haben viel von spontanen Entscheidungen zu Guttenbergs gesprochen, die auch hin und her gingen. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt: Wie gut und von wem wird Guttenberg eigentlich beraten?
Wehner: Das haben wir uns auch gefragt, als wir über ihn geforscht haben. Wir sind eigentlich zu dem Schluss gekommen, dass er sich nur sehr schwer beraten lässt, das zeigen eben diese Beispiele wie die Entscheidung in der Kundusaffäre, da den Herrn Schneiderhans und Herrn Wichert innerhalb von wenigen Minuten Knall auf Fall zu entlassen, das zeigt auch die Entscheidung in der Gorch-Fogg-Affäre, man könnte noch andere Beispiele finden.
Guttenberg ist weitgehend beratungsresistent. Wenn ihn jemand berät, ist es, glaube ich, seine Frau, aber sie hat, glaube ich, ihn doch in der ganzen Sache oft nicht so beraten, dass er sozusagen mal den Fuß vom Gas nehmen sollte, sondern vielleicht eher in die andere Richtung - und das mag dann auch dazu beigetragen haben, dass viele Dinge dann so gelaufen sind, wie sie gelaufen sind
Hanselmann: Und jetzt ist ja auch die Frage, ob sie überhaupt eine kompetente Beraterin sein kann.
Wehner: In den Sachfragen ist es sicherlich eine berechtigte Frage. Guttenberg braucht natürlich auch jemanden, der ihn erdet, der ihm sagt, jetzt überleg mal, jetzt mach mal langsam, jetzt mach mal nicht, jetzt setz nicht noch einen drauf medial - wenn wir dran denken, er hat sie ja nach Afghanistan mitgenommen, zusammen mit Johannes B. Kerner - das war sicherlich eine Sache, wo auch medial etwas gekippt ist. Und da hätte sie ihn eher bremsen können, ja.
Hanselmann: Sie haben gerade die Formulierung mehr Schein als Sein verwendet. Ist Guttenberg da ein Einzelphänomen oder würden Sie sagen, man kann es vielleicht sogar hochrechnen auf die Gesellschaft und sagen, wir befinden uns nun mal in einer Mehr-Schein-als-Sein-Gesellschaft?
Wehner: Da ist sicherlich was dran. Das Auftreten, das schnelle reagieren, die schnelle Schlagzeile, das hat alles sicherlich eine größere Bedeutung bekommen als früher, es ist sicherlich auch mehr Tempo auch in unserer Medienwelt, und Guttenberg war natürlich in ganz entscheidendem Maße ein Medienprodukt. Ich würde aber trotzdem sagen, dass er in diesem Missverhältnis zwischen Schein und Sein doch jemand ist, der da heraussticht. Wir haben ja am Anfang eine ganze Reihe von Politikern, die uns vielleicht etwas langweilig erscheinen, die dann aber in der Substanz vielleicht doch mehr zu bieten haben.
Hanselmann: Was trauen Sie zu Guttenberg noch zu?
Wehner: Ich bin skeptisch, dass sich - das war ja ein großer Medienhype, das hat man jetzt schon gesehen, dass der sich so nicht wiederholen lässt, zumindest nicht mit den gleichen Vorzeichen, denn die waren ja jetzt eindeutig negativ. Auf der anderen Seite, ich habe es schon gesagt, er ist immer noch sehr beliebt, und in der CSU, denke ich, ist man der Meinung, es wäre doch besser, ihn zu haben, als ihn nicht zu haben. Das heißt, wenn er irgendwann zurückkommen sollte, könnte es möglicherweise über die CSU und über Bayern gehen.
Hanselmann: Wir bedanken uns bei Marcus Wehner, er ist einer der Autoren der Biografie mit dem schlichten Titel "Guttenberg", erschienen bei Dröhmer.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Markus Wehner: Na, das war natürlich schon eine Überraschung für uns, weil wir haben es ja nicht gewusst, und haben dann auch, als das rauskam, ein bisschen geschwitzt, weil wir gedacht haben: Gott, was passiert jetzt, und was passiert mit unserem Buch? Das hat uns ein bisschen weniger überrascht, würde ich sagen, als andere, weil es eigentlich in das Persönlichkeitsbild, was wir in dem Buch entworfen haben, letztlich doch ganz sich harmonisch eingefügt hat.
Hanselmann: Was genauer kritisieren Sie denn an zu Guttenberg?
Wehner: Herr Guttenberg hat natürlich neben positiven Eigenschaften eine ganze Reihe von - ich würde sagen, charakterlichen Defiziten. Das ist zum einen, dass er sich schwer beraten lässt, dass er kein Teamplayer ist, dass er jemand ist, der sehr spontan handelt, und vor allen Dingen, dass er jemand ist, dem es auch an Beharrlichkeit und Substanz in der Sache fehlt, und das hat sich natürlich in vielen Dingen gezeigt. Vielleicht ein entscheidendes Defizit ist, dass der eben immer so großartig sein wollte, dass er eben dann den Schein auch wichtiger als das Sein genommen hat, und die Plagiatsaffäre war dann eben auch sozusagen der ultimative Beweis dafür.
Hanselmann: Von diesen negativen Charaktereigenschaften, die Sie genannt haben, wie viel ist ihm denn davon sozusagen in die Wiege gelegt worden, also in die adlige Wiege?
Wehner: Na, was dem sicherlich in die Wiege gelegt worden ist, ist diese Anspruch der Familie: Wir sind Elite, wir sind etwas besonderes. Und diesen Anspruch hat er natürlich immer gespürt. Das heißt, er musste immer in seiner Selbstsicht, musste er immer großartig sein, musste er immer besser sein. Das konnte er oft nicht, weil er dafür sozusagen gar nicht die Möglichkeiten hatte von seiner Persönlichkeit her. Und daraus ergibt sich dann eben diese Kluft zwischen dem, was er darstellen wollte und dem, was er konnte.
Hanselmann: Demnach müsste dieser Mann doch eigentlich unter einem gigantischen psychischen Druck stehen. Tagtäglich.
Wehner: Das glaube ich auch, dass er unter dem steht, und ich glaube auch, seine Unfähigkeit, würde ich jetzt mal sagen, zu sagen, in dieser Affäre habe ich Mist gemacht und Punkt und Ende und keine Entschuldigungen mehr zu finden, keine Ausreden mehr zu finden, ist ein Teil dieses Drucks, dass er eigentlich nicht dann sagen kann: Das war jetzt einfach nur schlecht und Punkt, sondern er muss sozusagen immer noch eine Rechtfertigung finden, um dieses großartige Selbstbild von sich aufrecht erhalten zu können.
Hanselmann: Dieses Bild, das sicherlich auch in seiner Kindheit und Jugend ständig bestätigt wurde aus seiner Umgebung. Du bist schön, du bist intelligent ...
Wehner: Ja, natürlich. Wenn man als Baron in einem Schloss aufwächst, mit einer entsprechenden Umgebung, einer Dienerschaft, dann wächst man natürlich anders auf als die meisten Menschen in diesem Land. Guttenberg hatte ja auch eine schwierige Kindheit, die Mutter hat die Familie eben früh verlassen - ich bin kein Psychologe, deswegen will ich da auch nicht zu weit reichende Schlüsse ziehen, aber es ist wirklich etwas gewesen, wo er dann auch etwas kompensieren musste, dem er dann die Anspruche, die die Familie und der Vater an ihn gestellt hat, versucht hat, in besonderer Weise zu erfüllen.
Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit einem der Autoren der Biografie "Guttenberg", nämlich Marcus Wehner. Herr Wehner, wir haben - jetzt kommt dann schon die nächste Überraschung - vor kurzer Zeit diesen Comeback-Versuch erlebt, das Erscheinen seines Buches "Vorerst gescheitert", das hervorging aus dem großen "Zeit"-Interview, das Giovanni di Lorenzo mit Guttenberg geführt hat. Was denken Sie denn über Ihren Kollegen di Lorenzo und dieses Interview?
Wehner: Ja, ich habe mit Herrn Di Lorenzo nicht darüber gesprochen, deswegen kann ich nur das sagen, was ich mir selber so dazu denke: Also ganz sicherlich war das ein Versuch, mit Guttenberg jemanden zu präsentieren, der sehr populär war und der sich seit seinem Abtauchen nicht mehr geäußert hat. Das ist natürlich schon mal eine reizvolle Sache gewesen, mit der man sozusagen auch einen publizistischen Erfolg machen kann.
Was ich persönlich daran kritisieren würde, ist die Art, wie dann mit Guttenberg umgegangen wurde in diesem Interview. Man hatte doch sehr stark den Eindruck, dass die Regie von Guttenberg geführt wurde, und nicht von dem Herrn di Lorenzo. Also wenn Guttenberg über 30 Seiten noch mal dasselbe über seine Dissertation ausbreiten kann, was wir alle schon damals gehört haben und was uns damals schon sehr unglaubwürdig erschien, dann hat mich das doch sehr gewundert, dass man ihm diesem Raum gegeben hat, ohne dann noch mal schärfer nachzufragen.
Hanselmann: Was ja eigentlich durchaus sonst ab und zu auch die Art von Giovanni di Lorenzo auch ist, also das Nachfragen meine ich jetzt. "Vorerst gescheitert" heißt das Buch. Hätte das "vorerst" gestrichen werden müssen?
Wehner: Gut, wir müssen sehen, dass Guttenberg doch einmal noch bei einem guten Teil der Bevölkerung beliebt ist. Ich glaube auch, er ist in der CSU zumindest an der Basis immer noch sehr beliebt, und wir wissen nicht genau, was er in Zukunft tun wird. Was wir aber wissen, ist, dass er offensichtlich einen Weg zurück sucht, sonst hätte er sich nicht in dieser Weise zurückgemeldet, wie er das nun genau machen will, wissen wir nicht. Es gibt ja alle möglichen Spekulationen, aber das Buch und dieses Interview waren doch ein Zeichen, dass er sich in irgendeiner Weise zurücksehnt, zumindest dass er nicht gesagt hat: ich bin jetzt einfach mal zwei Jahre ruhig und dann schauen wir mal weiter, sondern dass es ihn umtreibt, zurückzukommen.
Hanselmann: Wir haben die Rolle der Medien angesprochen im Bezug auf dieses Zeit-Interview. Erst wird so ein Mann hochgekocht, dann stürzen sich alle auf ihn, die verschiedenen Fraktionen kochen sozusagen ihre eigenes Süppchen mit ihm. Wie wollen Sie eigentlich als Biograf vermeiden, dass sie nicht in das allgemeine Guttenberg-Bashing einfach nur so einstimmen?
Wehner: Ich glaube, dass der Wert oder ein besonderer Wert unserer Biografie ist, dass wir sie zu einer Zeit geschrieben haben, als Guttenberg allgemein noch sehr positiv beschrieben wurde, um nicht zu sagen, hochgejubelt wurde. Wir haben eigentlich auch in dieser Biografie versucht, seine Stärken und seine Schwächen zu beschreiben, und wir hatten nicht von Anfang an die Idee, wir würden jetzt Guttenberg schlecht beschreiben wollen, sondern wir haben gesagt, wir wollen uns den mal genauer anschauen, so etwas hat es doch in Deutschland noch nie gegeben, dass jemand, der kaum in der Politik in einem höheren Amt gelandet ist, eine dermaßen unglaubliche Popularität hat, dass man ihn als Prominenten auf den Hochglanzfotos der bunten Presse ebenso sieht, wie in den seriösen, runden, und dass er sogar als Kanzler gehandelt wird.
Insofern haben wir immer einen gewissen Vorsprung gehabt gegenüber Anderen, und ich glaube, dass wir jetzt eigentlich nicht es nötig haben, in dieses Bashing einzusteigen. Ich hätte mir bei der ganzen Sache jetzt gewünscht, dass man vielleicht ein bisschen weniger einfach berichtet hätte, denn es war eigentlich so ein bisschen widersprüchlich. Auf der einen Seite hat man gesagt: Das taugt jetzt alles nicht, was er macht. Auf der anderen Seite hat man aber doch sehr, sehr breit darüber berichtet.
Hanselmann: Herr Wehner, Sie haben viel von spontanen Entscheidungen zu Guttenbergs gesprochen, die auch hin und her gingen. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt: Wie gut und von wem wird Guttenberg eigentlich beraten?
Wehner: Das haben wir uns auch gefragt, als wir über ihn geforscht haben. Wir sind eigentlich zu dem Schluss gekommen, dass er sich nur sehr schwer beraten lässt, das zeigen eben diese Beispiele wie die Entscheidung in der Kundusaffäre, da den Herrn Schneiderhans und Herrn Wichert innerhalb von wenigen Minuten Knall auf Fall zu entlassen, das zeigt auch die Entscheidung in der Gorch-Fogg-Affäre, man könnte noch andere Beispiele finden.
Guttenberg ist weitgehend beratungsresistent. Wenn ihn jemand berät, ist es, glaube ich, seine Frau, aber sie hat, glaube ich, ihn doch in der ganzen Sache oft nicht so beraten, dass er sozusagen mal den Fuß vom Gas nehmen sollte, sondern vielleicht eher in die andere Richtung - und das mag dann auch dazu beigetragen haben, dass viele Dinge dann so gelaufen sind, wie sie gelaufen sind
Hanselmann: Und jetzt ist ja auch die Frage, ob sie überhaupt eine kompetente Beraterin sein kann.
Wehner: In den Sachfragen ist es sicherlich eine berechtigte Frage. Guttenberg braucht natürlich auch jemanden, der ihn erdet, der ihm sagt, jetzt überleg mal, jetzt mach mal langsam, jetzt mach mal nicht, jetzt setz nicht noch einen drauf medial - wenn wir dran denken, er hat sie ja nach Afghanistan mitgenommen, zusammen mit Johannes B. Kerner - das war sicherlich eine Sache, wo auch medial etwas gekippt ist. Und da hätte sie ihn eher bremsen können, ja.
Hanselmann: Sie haben gerade die Formulierung mehr Schein als Sein verwendet. Ist Guttenberg da ein Einzelphänomen oder würden Sie sagen, man kann es vielleicht sogar hochrechnen auf die Gesellschaft und sagen, wir befinden uns nun mal in einer Mehr-Schein-als-Sein-Gesellschaft?
Wehner: Da ist sicherlich was dran. Das Auftreten, das schnelle reagieren, die schnelle Schlagzeile, das hat alles sicherlich eine größere Bedeutung bekommen als früher, es ist sicherlich auch mehr Tempo auch in unserer Medienwelt, und Guttenberg war natürlich in ganz entscheidendem Maße ein Medienprodukt. Ich würde aber trotzdem sagen, dass er in diesem Missverhältnis zwischen Schein und Sein doch jemand ist, der da heraussticht. Wir haben ja am Anfang eine ganze Reihe von Politikern, die uns vielleicht etwas langweilig erscheinen, die dann aber in der Substanz vielleicht doch mehr zu bieten haben.
Hanselmann: Was trauen Sie zu Guttenberg noch zu?
Wehner: Ich bin skeptisch, dass sich - das war ja ein großer Medienhype, das hat man jetzt schon gesehen, dass der sich so nicht wiederholen lässt, zumindest nicht mit den gleichen Vorzeichen, denn die waren ja jetzt eindeutig negativ. Auf der anderen Seite, ich habe es schon gesagt, er ist immer noch sehr beliebt, und in der CSU, denke ich, ist man der Meinung, es wäre doch besser, ihn zu haben, als ihn nicht zu haben. Das heißt, wenn er irgendwann zurückkommen sollte, könnte es möglicherweise über die CSU und über Bayern gehen.
Hanselmann: Wir bedanken uns bei Marcus Wehner, er ist einer der Autoren der Biografie mit dem schlichten Titel "Guttenberg", erschienen bei Dröhmer.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.