György Dragomán: Der Scheiterhaufen
Suhrkamp Verlag, Berlin 2015
494 Seiten, 24,95 Euro
Die Weisheit der Kinderstimmen
Im neuen Buch von György Dragomán wird eine 13-Jährige zur Chronistin des Regimewechsels in Rumänien nach dem Sturz des Diktators Ceausescu. Er habe große Geschichte in einer gefühlsmäßigen Innenansicht spiegeln wollen, sagt der aus Siebenbürgen stammende Autor.
Die frühen 90er-Jahre in Rumänien, kurz nach dem Sturz des Ceausescu-Regimes: Jene historische Schwelle bildet den Hintergrund für den gerade erschienenen Roman "Der Scheiterhaufen" von György Dragomán – ein radikales Buch über Gewalt in der Diktatur.
Im Deutschlandradio Kultur sprach der ungarische Schriftsteller auch über die Situation post-kommunistischer Staaten. Ihnen wird von westlichen Kritikern oft vorgeworfen, dass sie nichts aus ihrer Geschichte gelernt hätten. Dragomán hat folgende Beobachtung gemacht:
"Ich sehe, dass seit dem Sozialismus - oder was damals als Sozialismus bezeichnet wurde – Solidarität einfach nicht mehr den gleichen Wert hat. Und dass da etwas geschehen ist mit der Solidarität. Ich merke, dass auch die Machthaber heutzutage eine ganz andere Sprache sprechen. Und das empfinde ich als sehr schmerzvoll."
Die Intellektuellen und Viktor Orbán
György Dragomán wurde 1973 in Rumänien geboren, seine Familie gehörte dort, in Siebenbürgen, zur ungarischen Minderheit. 1988 emigrierte die Familie nach Budapest. Dragomán ging im Gespräch auch auf die heutige Situation in Ungarn ein. Können dort Intellektuelle überhaupt noch Stellung gegen die Politik Viktor Orbáns beziehen?
"Ich kann nur sagen, dass meine Freunde, meine Bekannten das genauso stark kritisieren wie ich. Und dass wir sehr wohl offen und auch öffentlich unsere Meinung äußern. Das ist absolut möglich. Andrerseits bin ich auch sehr erstaunt, wenn ich dann feststelle, dass in Meinungsumfragen anscheinend eine Mehrheit ganz anders denkt als wir."
Im neuen Buch "Der Scheiterhaufen" ist die 13-jährige Emma die Heldin des Buches. Schon im Vorgängerroman "Der weiße König" hatte der Autor ein älteres Kind als Hauptperson gewählt:
"Als ich 'Der weiße König' schrieb, hörte ich schon Emmas Stimme in meinem Kopf. Sie war eigentlich schon da. Und mir war auch klar, dass diese andere Stimme dann auch in dem neuen Buch vorkommen wird. Und es ist gewiss nicht das letzte Buch, das sich mit dieser Welt befasst. Es wird ein neues Buch dazu geben, darin wird auch wieder diese Kinderstimme zu hören sein."
Wahl einer kindlichen Erzählperspektive
Die Wahl der kindlichen Erzählperspektive habe einen ganz bestimmten Grund, sagte Dragomán:
"Ich fand in erster Linie interessant, wie man subjektiv, wie man praktisch aus einer Innenansicht heraus ganz gefühlsmäßig die große Geschichte betrachtet. Und mit welcher Erfahrung man das wahrnimmt. Zum Beispiel so etwas wie einen politischen Regimewechsel."