In vier Konzerten an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin erklang im vergangenen Dezember - ganz konzentriert - ausschließlich Musik von György Kurtág. Eines davon hören Sie heute Abend um 20:05 im Deutschlandradio Kultur.
Ein Meister der musikalischen Wahrhaftigkeit
Neben György Ligeti gilt er als der bedeutendste ungarische Komponist nach 1945. Jetzt wird György Kurtág 90. Zur Geburtstagsfeier gehörte auch ein Meisterkurs des Kammermusikprofessors Eberhard Feltz, den Julia Kaiser in Berlin besucht hat.
Ans Eingemachte geht es im Meisterkurs des Kammermusikprofessors Eberhard Feltz. Die drei katalanischen Musikstudenten Lluis Castán Cochs, Miquel Jordà Saún und Jesús Miralles Roger sitzen auf der Bühne des Konzertsaals in der Hochschule für Musik in Berlin, sind glänzend auf das Streichtrio "Signs, Games and Messages" vorbereitet, wie ihnen Profressor Feltz versichert. Und doch fehlt die Poesie, die der Musik von György Kurtág innewohnt:
"Das kann nur ein, sagen wir, ein Dichter, der wie Dante alles kann. Kurtág nimmt dies und das. Und eigentlich zeigt er uns damit ein Zentrum von dem, was unser Tonvorrat eigentlich ist! (Akkord) Jetzt kommt der nächste (Akkord) und noch einen (Akkord) Ah! Und so stark müsst ihr empfinden!"
Die Tür zur Welt Kurtàgs öffnet sich ein wenig
Für die drei Streicher und die anderen Studentenensembles, die den Geburtstagskonzertreigen für György Kurtág mit gestalten, aber auch für das Meisterkurspublikum öffnet sich die Tür zur Welt des Komponisten an diesem Abend ein winziges Stückchen. Kostbar sei, Kurtág einen Freund nennen zu dürfen, sagt Eberhard Feltz:
"Kurtág ist ein ganz besonderer Mensch. Ich kenne keinen anderen Komponisten, der Musik so schreibt, dass die Gesten der Musik die Menschen wirklich erreichen. Es gibt auch keinen zweiten Komponisten, der so gestisch komponiert. Voraussetzung ist natürlich, dass diese Gesten wahrhaftig sind, ganz echt. Zeichen sind, kann man sagen. Und Voraussetzung ist, dass er selbst mit den Tönen so vertraut ist. Das ist die große, große, große Leistung von ihm.
Gucken wir ein bisschen in den Walzer?"
1926 geboren, studierte Kurtág unter anderem bei Sandór Veréss und Léo Weiner. 1967 wurde er Professor für Klavier und später Kammermusik an der Franz-Liszt-Universität in Budapest. Der Durchbruch im Westen kam viel später. In der Kammermusikwelt der 1980er-Jahre fiel der ungarische Komponist mit der Spiritualität seiner Musik auf.
Eberhard Feltz: "Seine Altersgenossen waren schon bekannter in der Welt, die hatten alle schon ihre Handschrift gefestigt. Und dann kommt er plötzlich, schon in der Mitte der Lebensjahre, und überrascht durch eine solche Wahrhaftigkeit. Wir haben damals gesagt, er geht mit Tönen um wie mit klarem Wasser. Er erreicht eigentlich jeden Menschen. Das ist etwas ganz Besonderes."
Eine lebensverändernde musikalische Begegnung
Eberhard Feltz hat Kurtág 1990 persönlich kennengelernt. Ab diesem Zeitpunkt habe sich seine Welt verändert, schmunzelt der 79-Jährige:
"Die Wahrhaftigkeit, die dieser Mensch hat, die Ehrlichkeit, wo es immer um das Werk geht, das fasziniert mich über Jahre. Man kann auch sagen, er ist für mich der Komponist, der am meisten nicht nur Schaffensprozess kennt, am Schreibtisch, am Klavier, am Notenpapier, sondern unbedingt gehört bei ihm die Probe dazu und die Aufführung.
(Streicherakkord) Hm. (spielt am Klavier nach) Mehr Melodie. Du musst länger halten."
Wenn er nach dem Konzert eines Kammermusikensembles, das mit ihm Kurtágs Musik erarbeitet habe, mit dem Komponisten telefoniere, erzählt Feltz dem Publikum des Meisterkurses, dann wolle Kurtág selten wissen, wie die Aufführung war, sondern ihn interessiere mehr der Probenprozess.
Mit Professor Feltz György Kurtágs Musik zu durchleuchten, sei eine großartige Erfahrung, sagt der katalanische Cellist Jesús Miralles:
"Wir besprechen für jede Note, auf welcher Saite sie klingen soll, mit welchem Gestus. Das ist essentiell. Aber dazu müssen wir selbst in jedem Moment fühlen, wie das Publikum uns gerade hört. Ein Augenblick ist schnell verflogen, nicht mehr nachträglich zu retten, deshalb dürfen wir uns nie ausruhen und müssen alles ganz stark im Moment empfinden. Was wir spielen, ist nicht nur, was wir erarbeitet haben, sondern wir erleben es mit den Zuhörern zusammen, als ob es für uns alle etwas absolut Neues ist."
(Streicherakkord) "Nein, Entschuldigung, Ihr spielt wirklich so." (klatscht den Takt) – "Der Ton ist weg! Nicht abschneiden den Ton, nicht Baa-p, sondern Bammm. Er muss mehr Resonanz haben." (Streicherakkord) "Noch zu kurz. Die Töne sprechen noch nicht genug. Kurtàg sagt: Du musst mit den Tönen umgehen wie mit Deinem Lieblingshund. Kooomm, na koooomm!" (Publikum lacht)