Orchesterwerke von György Ligeti

„Hinter der Musik gibt es noch eine Musik“

György Ligeti sitzt in einem grünen Mantel vor einer Palme und schaut in die Kamera.
György Ligeti, hier 1993, konnte mit seinen Orchesterwerken sogar Hollywood für sich begeistern © picture-alliance / akg-images / Marion Kalter
Moderation: Leonie Reineke, Gast: Manolis Vlitakis, Komponist |
Kunst lebt auch von Illusionen, und niemand hat Illusionen so fantasievoll zum Klingen gebracht wie György Ligeti. Eine diskographische Spurensuche zum 100. Geburtstag des Komponisten mit Manolis Vlitakis, der als Komponist dessen Werk auch wissenschaftlich erforscht hat.
Was hört man beim Hören von Musik? Ist auf die sinnliche Wahrnehmung des Klangs Verlass? Wie leicht lässt sich das Ohr täuschen? Wie viele Schichten muss eine Musik aufweisen, um als musikalisches Kunstwerk gelten zu können?
Diese Sendung legt ihren diskographischen Schwerpunkt auf „Atmosphères“ und „Lontano“ sowie auf das Klavier- und das Violinkonzert. Unser Studiogast Manolis Vlitakis ist Komponist, Musiktheoretiker und Professor an der Universität der Künste Berlin. In seiner Dissertation über Musik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat er auch zu Ligeti geforscht.

Biographischer Abriss

György Ligeti, vor einhundert Jahren, am 28. Mai 1923, geboren, war einer der vielseitigsten, einflussreichsten und streitbarsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Auf den Spuren von Béla Bartók und Zoltán Kodály zeigte er schon in jungen Jahren außerordentliche Begabung, wenngleich er gegen viele Widerstände kämpfen musste: Im Gegensatz zu seinem Vater und seinem Bruder hatte er zwar den Holocaust überlebt, wurde aber danach im zunehmend stalinistischen Ungarn unter Druck gesetzt.
Nach der Niederschlagung des Aufstands 1956 verließ er seine Heimat und lebte fortan überwiegend in Deutschland und Österreich.

Orchesterwerke als Filmmusiken

In der westlichen Welt der 1960er Jahre wurde er mit Klangflächenstücken wie „Atmosphères“ und „Lontano“ zum weithin berühmten Komponisten von Orchestermusik, der auch in Hollywood seine Fans hatte. Später setzte er sich intensiv mit der klassischen europäischen Musik sowie mit außereuropäischen Musikkulturen auseinander.
Mit Werken wie dem Klavier- und dem Violinkonzert gab er der Postmoderne in den 1980er und 1990er Jahren entscheidende Impulse.

Bei Publikum wie Solisten erfolgreich

Auch wenn man sich angesichts der überaus komplexen Partituren Ligetis seiner Hör-Eindrücke nie sicher sein kann – die sanften Klangflächen erweisen sich bei näherer Betrachtung als ineinander verhakte Kanons –, verschließt sich diese Musik nie ihrem Publikum.
Im Gegenteil: Die Orchesterwerke der 1960er Jahre sind zu Repertoireklassikern geworden, und Ligetis Solokonzerte werden inzwischen von einer dritten Virtuosen-Generation als Herausforderung angenommen.
Mehr zum Thema