"Habibi I Can Drive My Car"

Der Soundtrack saudischer Autofahrerinnen

Videostill von Leesa A., der ersten rappenden Autofahrerin im islamischen Königreich, sie sitzt am Steuer und lacht in die Kamera
Leesa A. ist die erste rappende Autofahrerin im islamischen Königreich. © Youtube / Screenshot
Von Cornelia Wegerhoff |
Erst seit kurzem dürfen Frauen in Saudi-Arabien Auto fahren. Viele posten Selfies oder Videos – und die Autofahrerin Leesa A. rappt dazu. Ihr Song ist nicht der einzige zum Thema. Auch wenn die Frauenrechte insgesamt noch eher im Klagelieder-Modus stecken.
Eine junge Frau sitzt im Auto, lehnt sich lässig über´s Lenkrad. Ein Taxi braucht sie jetzt nicht mehr, sagt sie und lacht frech in die Kamera. Dann gibt sie Gas.
Seit dem 24. Juni dürfen Saudi-Arabiens Frauen ans Steuer. Und Leesa A. ist die erste rappende Autofahrerin im islamischen Königreich. "Ich mach keine Witze. Ab heute fahr ich selbst", textet die Sängerin in Kopftuch und Abbaya, dem langen Gewand, das Saudi Arabiens strenge Sittenwächter den Frauen dort vorschreiben. Die Pflichtgarderobe hat Leesa A. allerdings lässig mit weißen Röhrenjeans und Sneakers kombiniert. Das ermöglicht ein paar coole Moves auf dem Asphalt neben dem Auto. Die saudische Sängerin präsentiert ihren ganz eigenen Mix aus Rapper-Style und gesellschaftskonformem Verhalten.
Rund zwei Millionen Mal wurde der Song inzwischen auf Youtube angeklickt, in der arabischen Welt ein Netzhit. Dabei war Leesa A. selbst ihren eigenen Landsleuten bis dato weitgehend unbekannt.
Rana: "Ich seh' sie zum ersten Mal."
Sarah: "Ja, ich auch… Aber ich bin so stolz auf sie!"
Rana und Sarah kommen ebenfalls aus Saudi-Arabien, aber leben inzwischen in Deutschland.
"Es ist echt gute Musik. Und sie tanzt…", schwärmt Sarah. "Das ist das erste Mal, dass ich eine saudische Frau rappen sehen!"
"Sie ist wirklich eine starke Frau, wenn sie so etwas tut," so Rana. "Denn obwohl Leesa Kopftuch und Abbaya trägt, gibt es auch Leute in Saudi-Arabien, die so einen Auftritt nicht akzeptieren. Eine Menge Mädchen und Frauen unterstützen sie und finden das Video gut. So wie wir", sagt Rana. "Aber da sind auch Radikale, die sie wirklich hassen und die üble Kommentare abgegeben haben."

Comedian mit Marley-Cover: "No woman, no drive"

Obwohl der saudische Kronprinz Mohammed Bin Salman persönlich die Aufhebung des Frauenfahrverbotes angeordnet hat, sind viele konservative Kräfte im islamischen Königreich immer noch dagegen, berichten Rana und Sarah. Sie selbst sind aus ihrer Heimat geflohen. Die beiden Frauen stammen aus streng religiösen Familien. Und dort würden die Väter, Onkel, Ehemänner, die in Saudi-Arabien grundsätzlich als Vormund über die Frauen bestimmen, auch jetzt nicht erlauben, dass Frauen Auto fahren.
Musikalisch ist das Frauenfahrverbot schon länger ein Thema. Der saudi-arabische Comedian Hisham Fageeh machte sich schon vor fünf Jahren mit einem Song darüber lustig. "No woman, no drive", so die Cover-Version des berühmten Reggaes von Bob Marley.
Hisham Fageeh reagierte damit auf saudische Geistliche, die damals behauptet hatten, Frauen würden am Steuer ihre Fruchtbarkeit riskieren. Auf dem Rücksitz seien Eierstöcke natürlich am sichersten untergebracht, sang Fageeh ironisch.
"Schwester, du wirst bald fahren", freute sich im vergangenen Herbst dann die saudische Band "One of us" aus Jeddah, als die Aufhebung des Frauenfahrverbotes bekannt gegeben wurde. Und jetzt im Juni entstand am Musik-College von Berklee in den USA die neue Version eines Beatles-Klassikers: "I can drive my car".
"Die Intention des Songs ist, sich mit den saudischen Frauen solidarisch zu zeigen", so die Sängerin Nano Raies, die selbst aus Syrien kommt. Zusammen mit anderen Studenten aus Berklee, die unter anderem aus Jordanien und Palästina stammen, wolle sie den frisch gebackenen Autofahrerinnen musikalisch gratulieren.

"Was ist sonst mit den Frauenrechten?"

"Einige typische Instrumente, wie zum Beispiel Riq und Tabla, Trommeln aus dem Nahen Osten, und das Zupfinstrument Qanun sollen dem Song einen orientalische Note verleihen", sagt Nano Raies. "Es war mir wirklich eine Ehre, Teil dieses Projektes zu sein."
"Die ganze Welt freut sich, dass die Frauen bei uns nun Auto fahren dürfen", so Sarah aus Saudi-Arabien gerührt. "Aber was kommt danach?", fragt Rana sie kritisch. "Was ist sonst mit den Frauenrechten?" Noch gebe es in Saudi-Arabien zu viele Klagelieder zu singen.
Mehr zum Thema