Händels Oratorium "Jephta"

"Die Grenze des Zumutbaren"

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Die szenische Umsetzung von Händels "Jephta" (auf dem Bild: Ana Alàs i Jové). © Hessisches Staatstheater Wiesbaden, Foto: Karl & Monika Forster
Von Dieter David Scholz |
Im Hessischen Staatstheater in Wiesbaden hat Achim Freyer Händels Oratorium "Jephta" szenisch auf die Bühne gebracht. Die Inszenierung und die Leistungen der Sänger überzeugen unseren Kritiker allerdings nicht - es sei ein "statisches Bildertheater, das das Sitzfleisch strapaziert".
Händel hat mehr als vierzig Opern geschrieben, und es besteht eigentlich keine dringende Notwendigkeit, auf seine Oratorien auszuweichen auf der Opernbühne. Aber natürlich hat man das seit Langem immer wieder getan, zumal Händels Oratorien oft ausgesprochen opernhaft sind, und schon zu seinen Lebzeiten im Theater - wenn auch nicht szenisch - aufgeführt wurden. Das betrifft auch und ganz besonders "Jephta".
Nicht weil es besonders opernhaft wäre. Aber es ist sein letztes großes Werk, gewissermaßen sein "Weltabschiedswerk" mit einigen sehr persönlichen Bekenntnissen: Beispielsweise den Chor der Israeliten "How dark, O Lord, are thy decrees!" Das hört sich sehr nach Schicksalsergebenheit an. Und der Satz, "What ever is, is right!" - Was immer geschieht, ist richtig - auch er klingt nach Hoffnungslosigkeit und Weltabschied.

Das Ende: glücklich, wenn auch etwas aufgesetzt

Was die Handlung angeht, so greifen Händel und sein Textdichter Thomas Morell in "Jephta" auf die Geschichte des jüdischen Helden Jephta, wie sie im 11. Kapitel des Buches der Richter im Alten Testament beschrieben wird, zurück: Jephta gelobt, dass er, wenn er die Ammoniter besiegt, das erste Lebewesen, das ihm bei seiner Rückkehr zu Hause begegnet, Gott opfern werde.
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Szene aus "Jephta".© Karl Monika Forster
Als er siegreich zurückkehrt, begegnet ihm als Erstes seine eigene Tochter. Dann folgt aber kurz vor deren Hinrichtung eine glückliche Wendung: Ein Engel tritt wie ein Deus ex machina auf der Opernbühne auf und verhindert das Opfer. Jephtas Tochter bleibt am Leben. Ein "lieto fine". Ein glückliches, wenn auch etwas aufgesetzt wirkendes Ende.

Freyers typisch-antiillusionistische Spielräume

Achim Freyer ist einer der großen, alten Zauberer des Musiktheaters, hat wieder einen seiner typischen anti-illusionistischen Spielräume geschaffen, bei denen man an Vorbilder von de Chirico, Dali, Magritte , aber auch Kandinsky denkt.
Er verweigert wieder einmal die naturgetreue Abbildung von Realität, schafft eine eigene Kunstwelt voller Zeichen und Bilder, Rätsel und Symbole, mit der er den permanenten Krieg anprangern will, über alle Zeiten hinweg. Verkohlte Holzstämme haben ihn wohl inspiriert zu expressiven, schwarzen Schreien auf weißer Leinwand, die die Bühne beherrschen.
Das hat etwas Visionäres, ohne Frage, seine Beleuchtungskunst ist Magie. Nach wie vor. Aber das strenge, extrem ritualisierte Bühnengeschehen, das zwischen antikem Drama und "höherem Karneval" rangiert, um es salopp zu sagen, erreicht in dieser Aufführung Grenzen des Zumutbaren.

Anstrengendes Bildtheater

Das strenge, ritualisierte Bühnengeschehen, in der die Handlung nicht erzählt wird, läuft in Zeitlupe ab, es ist ein Theater der grell verzerrten Masken. Nur Puppen mit aufgerissenen Augen und überschminkten Mündern werden vorgeführt, weder Typen noch Charaktere. Tableaus, Gesten und Pathos verdichten sich zu statischem Bildertheater, das das Sitzfleisch strapaziert, zumal das Vokabular der Freyerschen Bühnensprache sich seit Jahren wiederholt.
Es ist Theater des Stillstands, und gegen Ende hin wird es zu Theater des Unsichtbaren, denn es verwischen sich die Konturen. Immer neue weiße Schleier lassen auf der Bühne nichts mehr erkennen. Ein Ritual des Verschwindens aller Hoffnungen im Stück, das glückliche Ende wird verweigert, es ist aber auch ein Ritual des Verschwindens von Theater.

Händel wird immer leiser

Konrad Junghänel, Lautenist und ausgewiesener Kenner der Alten Musik, versteht es immer wieder fabelhaft, konventionelle Opernorchester auf Alten Musik Klang zu trimmen. Das gelingt ihm auch in Wiesbaden, wobei das Orchester ganz klein besetzt ist, was aber kein Nachteil ist.
Er präsentiert einen überwiegend vitalen, frischen Händel, gegen Ende hin wird er allerdings immer langsamer und leiser, sodass auch musikalisch das Stück quasi verschwindet im Unhörbaren, so wie es im Szenischen im Unsichtbaren versinkt. Sängerisch ist die Aufführung kein Sängerfest. Die fünf Solisten boten keine erwähnenswerten überdurchschnittlichen Leistungen, der Chor des Hessischen Staatstheaters überzeugte durch Präzision und subtile Gestaltung.

Weitere Aufführungen von "Jephta" am Hessischen Staatstheater am 7., 10., 13., 16. und 22. Februar. Weitere Termine im März und Apri finden Sie hier.

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