Ein Film mit viel Emotionen
"Härte" – so heißt der neue Film des Regisseurs Rosa von Praunheim, der auf der Berlinale Premiere feiert. Darin geht es um den ehemaligen Zuhälter und Kampfsportler Andreas Marquardt, der über Jahre von seiner Mutter missbraucht wurde.
Der Berliner Andreas Marquardt wurde sieben Jahre von seiner Mutter missbraucht. Als Erwachsener war er Zuhälter und quälte Frauen. Später kam er für mehrere Jahre in Haft, wo er sich einem Therapeuten anvertraute.
Im Interview mit Deutschlandradio Kultur sagte der Filmemacher Rosa von Praunheim, ihn habe die Offenheit von Andreas Marquardt an der Geschichte gereizt:
"Darüber so offen zu sprechen, über sein Leben, das ja sehr viele dunkle Seiten hat. Er war acht Jahre im Knast, hat da eine Therapie gemacht und eben seinen Missbrauch – hat er aufgearbeitet. Und das hat ihm die Chance gegeben, wieder ein bürgerliches Leben zu führen. Er hatte auch das Glück, dass seine Frau, seine Partnerin, die er mit 17 auf den Strich geschickt hat, die dann sein Sportstudio weitergeleitet hat, während er im Knast war, dass sie immer noch an seiner Seite ist. Aber dieser Missbrauch ist für ihn immer noch eine sehr sehr schwere Sache."
Es gibt Videoszenen, in denen Andreas Marquardt einen Baseballschläger zertrümmert. Diese Sequenzen erscheinen hart, ja fast martialisch. Rosa von Praunheim beschreibt ihn jedoch als charmanten, witzigen Mann.
"Er ist richtiger Neuköllner, dort aufgewachsen im proletarischen Milieu. Ich habe ihn nur nett erlebt. Und mir vorzustellen, wie hart er gewesen sein muss. Und das ist ja nun mal belegt, dass er das war, das ist sehr sehr schwer. Es gab nur eine Szene, das war ganz witzig, als wir das Drehbuch schrieben. Da hatten wir ihn als jungen Mann, der seine erste Freundin trifft, geschrieben, dass er gegeltes Haar hat. Und da ist er ausgeflippt und hat gesagt, gegeltes Haar – nie und nimmer! Da merkte sich so für ein paar Sekunden, wie er vielleicht war. Aber sonst habe ich das nie bemerkt. Er war sehr kooperativ. Er ist auch in gewisser Weise eitel, dass er sich sehr gerne selbst darstellt. Und das kam natürlich alles dem Film zu Gute, diese Offenheit."
Für "Härte" hat Rosa von Praunheim auch zum ersten Mal mit professionellen Schauspielern zusammengearbeitet. Das gibt dem Film eine unbekannte formale Strenge, die man von seinen bisherigen Arbeiten nicht kannte. Er habe sonst eher Typen und Charaktere genommen. Ihm sei nicht so sehr die Schauspielerei wichtig gewesen, sondern mehr die Fantasie. Dieses Mal hat er sich nun für gestandene Profis entschieden:
"Dass die so gut sein würden, weil sie eben auch viel selber eingebracht haben, nicht nur irgendwie gelernt haben, Worte aufzusagen, sondern diese Timing, wie die eine Szene auflösen. Das erstaunt mich immer immer wieder, wenn ich den Film sehe."
Inzwischen habe er einen sehr großen Respekt vor sehr guten Schauspielern. Und das sei eben das Neue an diesem Film:
"Deswegen kommt die Emotionalität auch sehr stark durch."
Sonst gäbe es ja bei seinen Filmen oft auch eine gewisse Distanz. Dieses Mal würde man durch das Drama in den Film mit reingezogen, sagte Rosa von Praunheim.
Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Heute Abend werden die 65. Berliner Filmfestspiele eröffnet, und während der Berlinale werden Sie bei uns ganz viel hören über die Filme, über ihre Macher und manchmal auch so ein bisschen über die Hintergründe und das Lustige auf diesem Festival. Jeden Morgen, schon um diese frühe Stunde schon um diese frühe Stunde wird Sie dann mein Kollege Holger Hettinger erwarten. Ich bin dann schon auch da, aber er wird zu mir kommen und Geschichten erzählen vom Morgen – zumindest hat er versprochen, dann schon wieder wach zu sein. Aber auch jetzt schon ist Holger Hettinger unterwegs gewesen, er hat nämlich den Filmemacher Rosa von Praunheim in seiner Wohnung besucht. Von Praunheim ist ein Mann, der seit Langem immer wieder bei den Filmfestspielen und in dessen Filmen es fast immer im Kern um den Kampf um Selbstbehauptung geht, und darum geht es auch bei dem Film, den er diesmal auf der Berlinale zeigt – "Härte" nämlich.
Ein Leben mit dunklen Seiten
Holger Hettinger: "Härte" – Premiere hat dieser Film von Ihnen am Freitag. Es ist die Geschichte von Andreas Marquardt, einem Karate-Champion, der sich fast schon rührend um benachteiligte Kinder kümmert, der aber eine furchtbare Vorgeschichte hat, der sieben Jahre lang von seiner eigenen Mutter missbraucht wurde, der Zuhälter war, brutal war gegenüber seiner Umwelt, gegenüber seinen Frauen. Welcher Aspekt dieser Geschichte hat Sie denn besonders gereizt?
Rosa von Praunheim: Ich glaube, mehr seine Offenheit. Ich meine, darüber so offen zu sprechen, über sein Leben, das ja sehr viele dunkle Seiten hat. Er war acht Jahre im Knast, hat da eine Therapie gemacht und eben seinen Missbrauch hat er aufgearbeitet. Und das hat ihm die Chance gegeben, wieder ins bürgerliche Leben zu führen. Er hatte auch das Glück, dass seine Frau, seine Partnerin, die er mit 17 auf den Strich geschickt hat, die dann sein Sportstudio weiter geleitet hat, während er im Knast war, dass die immer noch an seiner Seite ist. Aber dieser Missbrauch ist für ihn immer noch eine sehr, sehr schwere Sache.
Hettinger: Wenn man sich so ein bisschen schlau macht, über diese Person, über Andreas Marquardt, da stößt man auf schier unfassbare Fotos und Videosequenzen, also wie er Baseballschläger zertrümmert, wie er in sehr, sehr harten, fast schon martialischen Kampfszenen zu sehen ist, und man denkt, woah, ist das ein harter Hund! Wie war Ihr Eindruck, als Sie zum ersten Mal Kontakt zu ihm hatten in der realen Welt?
von Praunheim: Ganz das Gegenteil. Ein sehr charmanter, witziger Berliner. Er ist richtiger Neuköllner, dort aufgewachsen im proletarischen Milieu. Ich hab ihn nur nett erlebt, und mir vorzustellen, wie hart er gewesen sein muss – und das ist ja nun mal belegt, dass er das war –, das ist sehr, sehr schwer. Es gab nur eine Szene, das war ganz witzig, als wir das Drehbuch schrieben, da hatten wir ihn als jungen Mann, der seine erste Freundin trifft, geschrieben, dass er gegeltes Haar hat. Und da ist er ausgeflippt und hat gesagt, gegeltes Haar, nie und nimmer und so. Da merkte ich so für ein paar Sekunden, wie er vielleicht war. Aber sonst habe ich das nie bemerkt. Er war sehr kooperativ. Er ist auch in gewisser Weise eitel, dass er sich sehr gerne selbst darstellt. Und das kam natürlich alles dem Film zugute, diese Offenheit.
Neue formale Strenge in der Bildsprache
Hettinger: Als ich den Film mir angeschaut hab, hab ich irgendwann auf meinem Zettel notiert "zen-artig", also so eine meditative Komponente hatte das. Und das fand ich so ganz anders als so diese sprudelnd-assoziative Bildsprache, die Sie sonst in Ihren Filmen haben. Hab ich mich geirrt, oder ist da tatsächlich eine neue Formalität, eine neue Strenge in diesem Film von Ihnen zu finden?
von Praunheim: Ja, es ist ja nicht nur diese formale Strenge, sondern es ist vor allen Dingen die Arbeit mit professionellen Schauspielern, die ich so noch nie gemacht hatte. Ich hab ja eher Typen, Charaktere genommen, manchmal auch gute Schauspieler dabei, aber da war mir nicht das Schauspielerische wichtig, sondern mehr die Fantasie. Und hier waren es wirklich gestandene Profis. Dass die so gut sein würden, weil sie eben auch viel selber eingebracht haben, nicht nur irgendwie gelernt haben, Worte aufzusagen, sondern dieses Timing, wie die eine Szene auflösen, das erstaunt mich immer, immer wieder, wenn ich den Film sehe, und ich sehe ihn ja sehr oft, dann, dann – wie haben die das nur gemacht? Und inzwischen hab ich da einen großen, großen Respekt wirklich vor sehr guten Schauspielern. Und das ist wirklich das Neue, und deswegen kommt die Emotionalität auch sehr stark durch. Oft ist ja bei meinen Filmen durch die – eine gewisse Distanz durch die Gags. Und hier fehlt die ganz, und du wirst wirklich reingezogen in das Drama.
Hettinger: Über die Schauspieler habe ich mich auf eine positive Weise gewundert, also, dass Hanno Koffler ein großartiger Schauspieler ist, hat er ja schon mehrfach gezeigt. Er stellt hier den Andreas Marquardt dar. Einerseits so eine richtige Kante, auf der anderen Seite auch dieses Zerbrechlich-Hintergründige. Am meisten habe ich mich aber gewundert über Katy Karrenbauer, die die Mutter des Andreas Marquardt hier darstellt, einerseits dieses Monströs-Dämonische hat, aber auf der anderen Seite spürt man auch diese andere Ebene, das der liebenden Mutter. Also, da war ich ziemlich baff, als man das so gemerkt hat, wie facettenreich, wie vielschichtig dieser Charakter ist. Und dann denkt man, wie vielschichtig dieser Charakter ist. Und dann denkt man, hey, Katy Karrenbauer, Frauenknast und solche Sachen, hätte man so in der Form gar nicht erwartet. Wie haben Sie das als Regisseur erlebt, so diese Facetten anzulegen und durchzukomponieren?
von Praunheim: Ja, Katy liebe ich deshalb, weil sie eben beides ist. Sie ist nicht nur eine ungeheuer gute Schauspielerin, sondern sie ist auch unheimlich humorvoll, fantasievoll, verrückt. Das passt eigentlich eher so in meine Filmfamilie. Und ich glaube, es ist ihre beste Rolle. Ich kenne nun nicht alle Rollen, aber die, die man kennt, durch die sie berühmt geworden ist, diese Fernsehsoap oder so, das sind ja andere Maßstäbe. Und dass sie wirklich so eine gute Charakterdarstellerin ist und vor allen Dingen so mutig – ich meine, sie ist ja eine fünfzigjährige Frau, die nackt spielen muss, die diesen Missbrauch – wir haben ja das Kind ausgespart, das ist eine subjektive Kamera, also sie muss sozusagen diesen Missbrauch, der ja schrecklich ist, in allen Facetten spielen. Und das ist sehr, sehr mutig. Also, dass sie das gemacht hat, und dass sie da auch keine Bedenken hatte, das rechne ich ihr hoch an.
Wandel auf der Berlinale:
Hettinger: Ihr Film hat morgen Premiere, bei der 65. Berlinale. Irgendwie, gefühlt waren Sie bei 64 Berlinalen dabei, sind also doch ein Stammgast bei diesem Filmfestival. Wie ist Ihre Wahrnehmung? Hat sich die Öffentlichkeit, die öffentliche Wahrnehmung für die Themen, die Ihnen am Herzen liegen, gewandelt über die Jahrzehnte?
von Praunheim: Nee, das kann ich nicht sagen. Ich meine, Berlinale ist ja ein Filmfestival für künstlerisch wertvolle Filme, jedenfalls im größten Teil. Und da ist natürlich die Offenheit der Besucher, das heißt der Filmkritiker, derer, die Filme einkaufen und so weiter, sind ja gewohnt, was sie da sehen, ist eben nicht Trash oder so, sondern sind Filme, die künstlerisch eingestuft werden. Und heutzutage ist es ja sehr schwer, künstlerische Filme ins Kino ans große Publikum zu verkaufen, weil die Kommerzialität überhand nimmt und die Leute einfach gar nicht mehr gewohnt sind, besondere Filme zu sehen.
Hettinger: Wir sind hier in Ihrer Charlottenburger Wohnung. Ich muss ganz ehrlich sagen, eine Wohnung eines Filmemachers hätte ich mir ein bisschen anders vorgestellt, eher, ja, filmisch – in meiner dörflichen Naivität dachte ich mir das so. Jetzt sind wir umgeben von Bildern. Was hat es damit auf sich?
von Praunheim: Ja. Ich bin ja ausgebildet als Maler, war in der HdK hier in Berlin, in der Kunsthochschule, und habe immer wieder gemalt. Schreibe auch sehr viel – ich habe ja verschiedene Gedichtbände herausgebracht. Und das ist jetzt eine neue Serie von poetischen Bildern in einem kleineren Format, was ungeheuer Spaß macht. Also wenn du so in dem Stress des Filmemachers bist und dann dich hinsetzen kannst und malen kannst, dann ist das sehr meditativ und es lenkt halt sehr ab. Und man hat auch das Gefühl, dass man was Wertvolles tut. Also, das Leben bekommt wieder einen Sinn, anstatt dass man einfach nur durch die Kneipen irrt oder so. Insofern ist das die Freude meines Alters.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.