Härtefallkommission für Asylanträge

Jeden Einzelfall individuell prüfen

07:45 Minuten
Sebastian von Ammon, Justizstaatssekretär von Thüringen, mit OP-Maske. Er wartet im Sitzungssaal des Thüringer Verfassungsgerichtshofs auf den Verhandlungsbeginn: Das Landesverfassungsgericht verhandelt über eine Klage der Thüringer AfD gegen die Härtefallkommission des Landes.
Der Vorsitzende Sebastian von Ammon ist froh, dass es nun Rechtssicherheit für die Arbeit der Härtefallkommission gibt. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Martin Schutt
Sebastian von Ammon im Gespräch mit Axel Rahmlow |
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Eine Härtefallkommission kann empfehlen, dass ein abgelehnter Asylbewerber in Deutschland bleiben sollte. In Thüringen hat die AfD erfolglos dagegen geklagt. Der Vorsitzende der Kommission erklärt, wie diese schwierigen Entscheidungen getroffen werden.
Jedes Jahr werden in Deutschland die Asylanträge von Zehntausenden Menschen abgelehnt. In allen Bundesländern gibt es für die erfolglosen Bewerberinnen und Bewerber die Möglichkeit, eine Härtefallkommission um Hilfe zu bitten. Diese Kommission kann dann, trotz abgelehntem Antrag, eine Aufenthaltsgenehmigung vorschlagen, zum Beispiel aus humanitären Gründen.
Das ist auch in Ordnung so, urteilte an diesem Mittwoch der Thüringer Verfassungsgerichtshof nach einer Klage der AfD-Landtagsfraktion: Die Partei hatte die Zusammensetzung und die Entscheidungsbefugnisse der Kommission infrage gestellt. Doch da die Härtefallkommission nur eine Empfehlung ausspricht, das Ministerium für Migration und Justiz aber die Entscheidung trifft, sah das Gericht hier keinen Verstoß gegen die Verfassung.

Rechtssicherheit für die Kommission

Sebastian von Ammon, Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und gleichzeitig Vorsitzender der Thüringer Härtefallkommission, sagt, er freue sich über die Rechtssicherheit, für die das Urteil sorge. "So kann die Härtefallkommission ihre sehr wichtige Aufgabe fortführen."
Seine Doppelrolle in Kommission und Ministerium sieht er als ausreichend gut geregelt, sagt von Ammon: "Als Vorsitzender der Härtefallkommission bin ich nicht stimmberechtigt." Er leite nur die Sitzung und bereite sie vor. An der Abstimmung, welche Empfehlung die Kommission ausspreche, sei er nicht beteiligt.

Acht Mitglieder prüfen 130 Fälle pro Jahr

Die Thüringer Härtefallkommission hat acht Mitglieder, unter anderem von Kommunen, Kirchen und der Landesärztekammer. Knapp 130 Fälle pro Jahr prüft sie nach Angaben des Justiz- und Migrationsministeriums. Betroffene müssten sich zunächst an ein Mitglied der Härtefallkommission wenden, beschreibt von Ammon den Ablauf des Verfahrens. Zunächst prüfe dieses Mitglied, ob ein Härtefallantrag Aussicht auf Erfolg habe. Dann prüfe die Geschäftsstelle der Kommission, ob der Fall formal zulässig ist oder Ausschlussgründe vorliegen.
Einmal im Monat treffe sich die Härtefallkommission, um über die möglichen Härtefälle zu diskutieren. Anhand von Unterlagen und eines mündlichen Vortrags komme die Kommission dann zu ihrer Empfehlung.

Intensive Diskussionen über Stunden

"Das sind sehr schwierige Entscheidungen", sagt von Ammon über die Arbeit der Härtefallkommission: "Wir haben hier Menschen vor uns, die sich in Notlagen befinden, die krank sind, die manchmal auch behindert sind, die seit vielen Jahren bei uns leben, deren Kinder deutsche Schulen besuchen. Über diese Schicksale müssen wir entscheiden." Man diskutiere sehr intensiv, mitunter über Stunden.
"Klare Kriterien, was ein Härtefall ist, kann man nicht nennen", so von Ammon. "Dann bräuchte es ja keine Härtefallkommission. Dann hätte es ja der Gesetzgeber entscheiden können. Wir müssen immer jeden Einzelfall ganz individuell anschauen und prüfen."

Recht durchsetzen, Milde zeigen

Gerade im Ausländer- und Aufenthaltsrecht sei es wichtig, dass es Härtefallkommissionen gebe, findet Sebastian von Ammon:
"Der Rechtsstaat lebt sicher davon, dass er das Recht konsequent anwendet und dass es klare Regelungen gibt. Der Rechtsstaat lebt aber auch davon, dass er um seine Grenzen weiß."
Eine solche Grenze sei, dass es immer wieder Einzelfälle gebe, die der Gesetzgeber so nicht im Blick hatte. Der Rechtsstaat müsse daher auch in Einzelfällen Milde zeigen können.
(jfr)
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