Was tun gegen Schläge in der Partnerschaft?
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Gewalt unter Partnern bleibt ein großes gesellschaftliches Problem. Immer mehr Taten werden angezeigt. Die Formen sind so unterschiedlich wie die Gründe. Frauenrechtlerin Ursula Schele fordert mehr Hilfe für Opfer und frühe Prävention.
Fast 142.000-mal wurden im Jahr 2019 Menschen in Deutschland Opfer von häuslicher Gewalt, die meisten von ihnen Frauen. Die Zahlen steigen seit Jahren an, was nicht heißt, dass es mehr Fälle gibt, sondern dass sich mehr Opfer trauen, Anzeige zu erstatten. Das Dunkelfeld sei immer noch groß, wie Holger Münch, Chef des Bundeskriminalamts am Dienstag bei der Vorstellung der Statistik zur Partnerschaftsgewalt sagte. Etwa drei Viertel der Taten werden Schätzungen zufolge nicht angezeigt.
"Das Problem ist alarmierend groß", sagt Ursula Schele, Vorsitzende des Petze-Instituts für Prävention gegen sexualisierte Gewalt und sexuellen Missbrauch sowie Vorsitzende des Bundesverbands Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe. Es handle sich um Fälle, in denen Frauen systematisch deklassiert und isoliert werden, um psychische und sexuelle Gewalt sowie Stalking. "Die meisten Fälle passieren, wenn die Frau sich überlegt, die Beziehung zu beenden", sagt Schele. Die Gründe seien sehr unterschiedlich und hingen von beiden Partnern ab.
Kreislauf der Gewalt
In 19 Prozent der Fälle werden zwar auch Männer Opfer, aber: "In den allermeisten Fällen sind das keine isolierte Gewalttaten von Frauen an Männern, sondern das sind gewaltförmige Beziehungsstrukturen, in denen Männer und Frauen ‚gleichberechtigt‘ zu Gewalt neigen und auch unter Gewalt leiden", sagt Schele. "Darunter leiden auch die Kinder mit." Männern falle es noch schwerer, ihren Opferstatus zu sehen und anzuzeigen.
Aus verschiedenen Gründen falle es Opfern schwer, sich Hilfe zu suchen, weil es von der Verliebtheit zur gewaltförmigen Beziehung ein langer Prozess sei und es sich um einen Kreislauf handle, in der sich der Täter auch entschuldige und Besserung gelobe. "Es ist ein ständiges Ringen darum, das festzuhalten, was einfach mal gut war", so Schele. Auch finanzielle und familiäre Abhängigkeiten spielen eine Rolle. Und je höher das Einkommen und der Bildungsgrad, desto seltener werde Gewalt angezeigt, weil die Scham größer sei, das gesellschaftliche Renommee zu gefährden.
Mehr Hilfe und Prävention nötig
Schele zufolge braucht es dringend neue Forschungsansätze und zuverlässige Zahlen, um verlässliche Aussagen machen zu können, allerdings hätten schon die bisherigen Zahlen dazu führen müssen, dass die Politik aktiver wird, um Hilfesysteme aufzubauen. Daher fordert sie mehr Beratungsangebote, ein besseres Hilfesystem und eine frühere Prävention. "Der Staat ist verpflichtet zur Prävention - vom Kindergarten an."
(leg)