Wie martialisch sind Bräuche in Deutschland?
Ich wollt, ich wäre ein Hahn? Dann müsste man sich töten, rupfen und den Kopf abreißen lassen. So will es die Tradition des Hahnrupfens der Sorben. Ein Fall für den Tierschutz? Der Volkskundler Wolfgang Kaschuba erklärt, was es mit dem Ritual auf sich hat.
Manche mögen's martialisch: Das traditionelle Hahnrupfen oder Hahnschlagen der Sorben klingt jedenfalls so. Pünktlich zur Erntezeit treiben die Teilnehmer den Fruchtbarkeitsgeist des alten Jahres durch die symbolische Tötung oder durch das anschließende Rupfen eines Hahnes aus.
Dabei hängt der Hahn an einem Tor oder von einem geschmückten Geländer hinab. "Und die Geschicklichkeit der jungen Männer, die da auf Pferden rittlings meistens drunter durchreiten, soll darin bestehen, dass sie sich ein Stückchen von dem Hahn rupfen", sagt der Volkskundler Wolfgang Kaschuba, emeritierter Professor an der Berliner Humboldt-Universität.
"Sie machen es nicht mehr so schlimm wie früher. Sie haben tote Hähne, die aufgehängt werden", so Kaschuba. Früher hingegen seien angeblich lebende Hähne verwendet worden. "Wir sehen eben daran, dass frühere Gesellschaft oft nicht so sensibel waren wie wir heute."
Kritik an vermeintlicher Brutalität
Dennoch solle man nicht auf solche vergangenen Bräuche herabsehen, mahnt der Volkskundler: "Wenn wir gerade in diesem Bereich Umgang mit Tieren unsere eigenen Sitten in der gehobenen Esskultur: die lebenden Hummer, die dann in siedendes Wasser geworfen werden, denen geht es dann auch nicht besser als den Hähnen."
Die Sorben sind ein westslawisches Volk, dessen Angehörige vor allem in Sachsen und Brandenburg leben. Während zum Beispiel die Osterei-Traditionen der Sorben und ihre Trachten für weitgehendes Verzücken sorgen, stehen die Tier-Rituale immer wieder in der Kritik.