Datenjournalismus auf wackeligem Boden
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Ein Gerichtsverfahren in den USA bedroht die Rechtsgrundlage des Datenjournalismus. Aber auch in der EU ist die juristische Lage kompliziert, was einen wichtigen Zweig medialer Berichterstattung erschwert.
Vor dem höchsten Gericht der USA, dem Supreme Court, wird ein Fall verhandelt, der Datenjournalistinnen und -journalisten das Leben schwermachen könnte. Eigentlich geht es in dem Prozess um einen Polizisten, der gegen ein sogenanntes Hackergesetz verstoßen haben soll, weil er für private Zwecke auf eine Datenbank zugriff, zu der er dienstlich eine Zugangsberechtigung hatte.
Doch ein Urteil könnte sich auch auf mediale Berichterstattung auswirken. Denn sehr oft greifen auch Journalistinnen und Journalisten auf Daten zu, die zwar frei verfügbar sind, aber für die keine explizite Nutzungsfreigabe erteilt wurde. Sollte der Polizist also verurteilt werden, könnte sich das auch auf die ohnehin schon komplizierte Arbeit der Medien auswirken.
Die Situation lässt sich gut am Beispiel von Lam Thuy Vo beschreiben. Die New Yorker Journalistin von "Buzzfeed News" analysiert vor allem Posts in Sozialen Medien und hat ihre Methoden auch in einem Buch veröffentlicht. Doch darüber schreiben, wie sie arbeitet, hat enge Grenzen. Auch wenn sie Studentinnen und Studenten unterrichtet, muss sie vorsichtig sein. Und auch Interviews über ihre Arbeit sind ein Drahtseilakt.
"Ist es das Risiko wert?"
Der Weg, auf dem sie ihre Informationen beschafft, verläuft durch eine rechtliche Grauzone. Sie nutzt Web Scraping. Sie schreibt sich also Programme, die Websites aufrufen, eine Kopie speichern und Informationen extrahieren. Doch die Nutzungsbedingungen vieler Websites verbieten Scraping:
"Wenn ich eine Story recherchiere, überlege ich mir: Ist es das Risiko wert? Wenn Scraping gegen die Nutzungsbedingungen verstößt, dann könnte das eine Straftat sein, je nachdem wer der Richter ist, je nachdem wie man es angeht und jetzt je nachdem wie der Supreme Court entscheidet."
Lam Thuy Vos Sorgen sind berechtigt. Die frühere Anwältin Nabiha Syed sagt, sie habe mehrere scharf formulierte Briefe gesehen, in denen Journalistinnen und Journalisten von Webseitenbetreibern gedroht wurde. Bislang konnten diese zwar immer abgewendet werdem, trotzdem hat sie am Supreme Court eine schriftliche Stellungnahme eingereicht, die dafür plädiert, das Hackergesetz nicht auf journalistische Arbeit anzuwenden. Der Ausgang des Verfahrens ist noch offen.
Europa Urheberrecht, DSGVO und Datenbankrichtlichnien
Doch wie sieht die rechtliche Situation außerhalb der USA aus? So etwas wie ein Hackerparagraf spielt hierzulande keine Rolle. Probleme ergeben sich eher aus dem Urheberrecht oder auch der Datenschutzgrundverordnung, die regulieren, was im Internet möglich ist. Darüber haben wir mit Stefanie Fuchsloch, Medienwissenschaftlerin am Institut für Journalistik der TU Dortmund gesprochen.
Sie sagt, dass gleich mehrere Faktoren relevant sind. Bei Inhalten wie Texten und Bildern greife das Urheberrecht, bei personenbezogenen Daten die erwähnte DSGVO. Wichtig sei zudem das Vertragsrecht, da viele Webseiten in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen Scraping untersagen.
Gesetze von 1996
"Das heißt, wir haben hier so ein mehr oder weniger größeren Pool an verschiedenen Rechtsgebieten, der zum Tragen kommt. Der führt bei den jeweiligen Usern eben auch zu einer gewissen Rechtsunsicherheit", so Fuchsloch.
Beim Scraping von Sozialen Medien käme hinzu, dass die Datenbankrichtlinie der EU zwei verschiedene Arten der Datenbanken kenne. Wenn in diese eine wesentliche Investition der Unternehmen darstellten, könnten diese durchaus geschützt sein.
Die EU will die Lage verbessern
Das Problem sei, so Fuchsloch, dass die Richtlinie von 1996 und das Internet sich seitdem stark verändert haben, was zu starker Unsicherheit führe. Deshalb werde sie auch gerade reformiert.
Bis dahin stünden Journalistinnen und Journalisten allerdings vor einer enormen Herausforderung, die für die Berichterstattung ein Hindernis sei. Deswegen müssten neue Möglichkeiten geschaffen werden:
"Wenn wir an zunehmende Datenberge denken und auch die digitale Lebenswelt, dann ist das auch die Aufgabe des Journalismus, hier Nachrichten, Information, Muster und so weiter zu erkennen und diese auch zu kontextualisieren. Damit diese Aufgabe wahrgenommen werden kann, müssen auch die entsprechenden journalistischen Handwerktools und die rechtlichen Möglichkeiten einhergehen."
Doch Fuchsloch hat Hoffnung auf Besserung. So schaffe die EU gerade die nötigen Voraussetzungen. Beispielsweise beim Urheberrecht sei schon ein Fortschritt zu sehen.
(hte)