Halleluja, auferstanden

Von Thomas Kroll |
Die Osterzeit dauert 50 Tage. Sieben Wochen lang ertönen Osterlieder - vom Ostersonntag bis Pfingsten. In der letzten Folge unserer Sendereihe zur Kultur- und Theologiegeschichte der Osterlieder stellen wir zwei Stücke aus der Barockzeit vor.
"Die ganze Welt, Herr Jesu Christ,
Halleluja, Halleluja,
in deiner Urständ fröhlich ist.
Halleluja, Halleluja."


Ein österliches Freudenlied aus dem frühen 17. Jahrhundert. Der Text stammt vom Jesuitenpater Friedrich Spee. Die beschwingte Melodie geht auf einen älteren Volksgesang zurück. In der Barockzeit übernimmt man alte Kirchentonarten in das sich anfanghaft etablierende Dur-Moll-Schema. Daher wirkt das ehemals Feierlich-Erhabene des alten Klanggefüges nunmehr verschleiert, ja ein wenig traurig.

"Des Himmels Heer im Himmel singt,
Halleluja, Halleluja,
die Christenheit auf Erden klingt.
Halleluja, Halleluja."


Vom Singen und Klingen ist die Rede in der zweiten Strophe. Das Osterthema klingt nur entfernt an im freudigen Halleluja. Ähnlich verhält es sich mit den Folgestrophen – zumindest auf den ersten Blick. Der Barockdichter betrachtet Bäume und Vögel ebenso wie den Sonnenschein. Auf den zweiten Blick entdeckt man: Die Natur hat in Spees Osterlied "vor allem symbolische Bedeutung."

"Jetzt grünet, was nur grünen kann,
die Bäum zu blühen fangen an.
Es singen jetzt die Vögel all,
jetzt singt und klingt die Nachtigall.
Der Sonnenschein jetzt kommt herein,
und gibt der Welt ein’ neuen Schein."


Im Frühling "erfreut sich die Natur des neu erwachenden Lebens durch die aufsteigende Sonne, durch Licht und Wärme. Ins Geistliche transponiert versinnbildlicht das Sonnen- und Lichtmotiv Christus. Winter, Frost und Kälte bedeutet hingegen durch das Absterben, das sie bewirken, Sünde und Tod. In gleicher Weise wie nun der Frühling den Winter vertreibt und neues Leben in der Natur zum Erblühen bringt, überwindet Christus durch sein Leiden und Auferstehen Sünde und Tod und bringt neues, ja ewiges Leben."

Die Kirchenmusikexpertin Johanna Schell in ihrem Kommentar zu Spees Osterlied "Die ganze Welt, Herr Jesu Christ". Man möchte ergänzen: Die ganze Welt wird in Spees Augen zum Sinnbild der Osterbotschaft. Spees Lied entsteht 1623 im Zuge der Gegenreformation mitten im Dreißigjährigen Krieg. Kurz vor dessen Ende dichtet Paul Gerhardt 1647 sein anfangs neunstrophiges Osterlied "Auf, auf, mein Herz, mit Freuden". Dessen Melodie komponiert Gerhardts Freund, der Berliner Kantor Johann Crüger.

"Auf, auf, mein Herz, mit Freuden,
nimm wahr, was heut geschicht;
wie kommt nach großem Leiden
nun ein so großes Licht!"


Die Einleitungsstrophe beginnt mit einem Weckruf. Der richtet sich an das eigene Herz. Dann wird mit einem Bild auf den Punkt gebracht, was Ostern bedeutet: "Das Leiden nimmt ein Ende durch das Kommen eines großen Lichtes." Der zweite Teil der ersten Strophe konzentriert sich auf die Schicksalsgemeinschaft Christi mit dem Sänger im Tod.

"Mein Heiland war gelegt
da, wo man uns hinträgt,
wenn von uns unser Geist
gen Himmel ist gereist."


Die zweite Strophe führt die eigentliche Auferstehungsszene vor Augen:

"Er war ins Grab gesenket,
der Feind trieb groß Geschrei;
eh er’s vermeint und denket,
ist Christus wieder frei … "


Paul Gerhardts Liedaufbau erinnert an das alte Predigtschema "Explicatio – Applicatio". Hier: Zunächst die Vergegenwärtigung des österlichen Geschehens, dann dessen Deutung und Anwendung auf den Sänger. Die beginnt mit der dritten Strophe. Christi siegreiche Befreiung vor Augen sieht sich der Sänger selbst befreit und singt:

"Nun soll mir nicht mehr grauen, vor allem, was mir will ... "

Paul Gerhardt ist überzeugt: Christi Auferstehung verändert das Leben im Hier und Jetzt. Persönliche Sorgen und Ängste verlieren ihre bedrohliche Kraft ebenso wie die Mächte der Welt. Davon künden die Strophen vier und fünf. Unglück wird zu Glück, die Nacht wird zum Sonnenblick. Die drei Schlussstrophen unterstreichen nochmals die intensive Christusfrömmigkeit des Dichters.

Bei Paul Gerhardt wird das reformatorische Bekenntnislied zum Andachtslied. Statt "Christ ist erstanden" heißt es nun zu Ostern "Auf, auf, mein Herz". Dann dreht sich fast alles im Dreierrhythmus um das singende Subjekt und um die Folgen der persönlichen Begegnung mit dem Auferstandenen.