Tempo, Tricks und tolle Dribblings
23:52 Minuten
Futsal ist die einzige Hallensportvariante des Fußballs, die der Weltfußballverband FIFA international anerkennt. Und das schon seit 1989. Hierzulande ist Futsal ein Nischensport – bislang. Jetzt startet die Männerbundesliga in ihre Gründungssaison.
"Arriba. Y Goooooooooooooooooooooooooooooooooolazo."
Futsal-Länderspiel Brasilien gegen Argentinien 2020. Der brasilianische Stürmer Pito steht mit dem Rücken zum gegnerischen Tor, bekommt den Ball flach zugespielt, lupft ihn in die Höhe und trifft – per Fallrückzieher.
"Im … pres … sio … nante!"
Gerade wegen solcher Kunstschüsse ist Futsal eine der beliebtesten Hallensportarten der Welt. Gespielt wird Futsal vor allem in Lateinamerika, Asien, Süd- und Osteuropa. In Deutschland hingegen hat diese Variante des Hallenfußballs eine übersichtliche Fangemeinde. Noch. Denn viele Argumente sprechen für Futsal.
"Der eine Sport, das ist der Sport 'Hoch' und 'Weit', das ist halt der traditionelle Fußball, ja? Und die Futsal-Fraktion, das ist die Fraktion 'Kurz', 'Präzise' und 'Genau'", sagt einer.
"Man hat viel mehr Ballkontakte, man kann viel schneller spielen, der Ball springt auch gar nicht so durch die Halle wie ein normaler Fußball", sagt ein anderer. "Der Ball ist sprungreduziert, damit er eben nicht so hochspringt in der Halle und dadurch viel besser kontrollierbar wird", ergänzt ein weiterer.
Tempo, Tricks und tolle Dribblings - das verspricht Futsal, die einzige vom Weltfußballverband FIFA anerkannte Variante des Hallenfußballs. Der Name leitet sich ab vom portugiesischen "futebol de salão" und dem spanischen "fútbol sala" – ganz einfach: "Hallenfußball". In Deutschland dürften jetzt mehr Menschen auf den Sport aufmerksam werden. Denn unter dem Dach des Deutschen Fußballbundes startet am kommenden Wochenende die Futsalbundesliga der Männer in ihre erste Saison.
1894 Berlin ist Gründungsmitglied der neuen Futsalbundesliga, Jean-Michel "Johnny" Göde, 1,80 groß und stämmig, Mannschaftskapitän. Er räumt gleich mal mit einem Vorurteil auf. Futsal, das sei Hacke, Spitze, eins, zwei, drei, reine Schönspielerei? Von wegen, Futsal, das sei dynamisch und intensiv, sagt er:
"Wenn man Feldspieler ist, dann rennt man die ganze Zeit rauf und runter, du hast drei, vier Minuten, wo du am Stück Vollgas gibst, dann kommst du halt wieder raus, aber so viele Abschnitte, wo du Vollgas gibst, wenn man das dann so zwei, drei Tage hintereinander macht, dann schlaucht das am vierten Tag ganz schön, und daher ist es schon wichtig, dass man auch irgendwo seine Regeneration hat."
Eine Woche vor dem Bundesliga-Start ist Sich-Erholen allerdings kein Thema. Die Spieler hängen sich rein, allen voran Johnny Göde. Mit sieben begann er zu kicken, träumte von der großen Fußballkarriere. Mit zwanzig, als klar war, dass es damit nichts würde, begann er, Futsal zu spielen. Als Torwart.
Torleute dürfen keine Angst vorm Ball haben
"Beim Fußball war ich jetzt auch nicht der technisch versierte Typ, sondern ich habe immer mit meinem Körper und meiner Wucht gearbeitet, wahrscheinlich kommt es eher daher, dass ich mich reinschmeißen kann, dass ich es liebe, irgendwie zu blockieren und den Gegner auch zu ärgern, und jetzt beim Futsal – ich habe auch mal Fußball-Torwart gemacht – ist es einfach unglaublich intensiv. Du hast halt jederzeit die Gefahr, einen Torschuss auf dich zu bekommen, denn: Der Gegner agiert ja nur zehn Meter von deinem Tor aus."
Die Torleute trainieren solche Situationen. Aus einer Entfernung von acht Metern lässt sich Johnny vom Mitspieler quasi abschießen, wehrt Bälle mit Oberkörper und Schulter ab, denn er weiß: Als Futsal-Torwart bekommt er die Hände nicht immer rechtzeitig hoch.
"Wahrscheinlich kriegst du in einem ganzen Spiel so viele Torschüsse ab wie manch ein Bundesligatorwart beim Feldfußball in der ganzen Halbserie nicht. Und das ist ein großer Reiz am Futsal."
Genauso wichtig: der Spagat. Wie ein Eishockeygoalie grätscht er in die Ecke seines Tores und wehrt die scharfen Flachschüsse mit Bein oder Fuß ab.
Zehn Mannschaften in der neu gegründeten Bundesliga
Johnny Göde arbeitet als Erzieher am östlichen Stadtrand Berlins. Vier Mal die Woche fährt er zum Training in den Westteil der Stadt. Für die Strapazen bekommt er vom Verein eine Aufwandsentschädigung in Höhe von ein paar Hundert Euro. Geld verdienen tut er mit seiner Leidenschaft, dem Futsal, nicht. Ist ihm auch egal – vier Länderspiele stehen auf seinem Konto. Seit 2019 ist er Nationalspieler.
"Die letzten Jahre haben natürlich mir auch ein bisschen den Push gegeben, dass halt das, was ich mache, einfach auch gut ist und vielleicht auch gewissermaßen auf einem sehr hohen Niveau - jetzt in Deutschland gesehen -, und das können nicht viele gerade machen. Das macht mich natürlich stolz, pusht mich auch gleichzeitig, noch mehr zu wollen, dafür nimmt man auch eine Stunde Autofahrt fürs Training gern in Kauf, ich meine, es gibt nur 1894 in der Bundesliga, und wenn man das will, dann macht man das."
Zehn Mannschaften spielen in der neu gegründeten Futsalbundesliga. Sie kommen aus Großstädten wie Stuttgart, Düsseldorf, Hamburg und Berlin, und vom Land, beispielsweise aus dem bayerischen Penzberg oder dem sächsischen Hohenstein-Ernstthal. Seit 2006 ermittelt der DFB einen deutschen Futsalmeister, aber erst 2019 beschloss er die Gründung der Bundesliga. Ein langer, ein mühsamer Weg, räumt Leon Ries ein, Abteilungsleiter Basisberatung und -entwicklung im Deutschen Fußballbund (DFB).
"Ich will auch nicht verhehlen, dass auch von unserer Seite, dem DFB, der eine oder andere Fehler bei der Implementierung dieser Fußballvariante gemacht wurde. Das war am Anfang so ein bisschen der Ansatz: Wir machen es so wie im Fußball, und jeder soll in Deutschland die Möglichkeit haben, Futsal zu spielen, das wurde ja teilweise per Dekret verordnet, dass jeder Hallenwettbewerb mit einem Futsal gespielt wird und nach Futsal-Richtlinien, da hat man vielleicht ein bisschen das Kind mit dem Bade ausgeschüttet."
Futsal profitierte von der Fußball-EM-Bewerbung
Die frische, zart wachsende Futsalszene passte einfach nicht in die starren Strukturen vieler Fußballvereine und -verbände. Sie wollten Futsal nicht. Sie wollten weiter die deutsche Variante des Hallenfußballs mit Kunstrasen, Bande und Standardball. Ohne Anreize von oben waren die Widerstände in den Köpfen unten nicht zu überwinden. Mittlerweile habe der DFB dazugelernt, meint Leon Ries.
"Unsere Devise jetzt ist schon, ein bisschen mehr auf Hochburgen zu setzen, auf futsalbegeisterte Vereine, und wenn die begeistert sind, dann schwappt auch eine Begeisterung in andere Bereiche über. Aber es wird mit Sicherheit Regionen geben, die wir nicht für das Thema begeistern können, aber das ist auch absolut in Ordnung. Wir haben da nicht den Anspruch, jetzt deutschlandweit in jedem Verein eine Futsal-Abteilung zu gründen."
Das geht auch gar nicht. Bei geschätzt gerade mal gut 3000 Futsalspielerinnen und -spielern in Deutschland. Ziehe man diejenigen ab, die eine Doppelspiellizenz hätten, also auch noch Feldfußball spielten, komme man auf maximal 1000 Spielerinnen und Spieler. Das hat der Sportökonom Daniel Weimar errechnet, der mit zwei Freunden zusammen einen Futsal-Podcast betreibt. Er verweist darauf, dass das Interesse des DFB an Futsal eng zusammenhing mit dem Bewerbungsverfahren für die Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft 2024.
"Denn im UEFA-Kosmos müssen Ausrichter das komplette Portfolio an UEFA-Sportarten anbieten in ihren Ligen, und somit hat Futsal eben eine höhere Priorität bekommen, dadurch ist die Futsalnationalmannschaft ins Leben gerufen worden, und auch die Pläne zur Futsalbundesliga wurden nun konkreter."
Die Nationalmannschaft gibt es seit 2016, die Bundesliga startet am kommenden Wochenende in ihre erste Saison. Sichtbarkeit sei jetzt besonders wichtig, sagt Leon Ries vom DFB, deswegen sei bei jedem Spiel ein Kamerateam dabei.
Orientiert sich an den Regeln anderer Hallensportarten
"Highlight-Zusammenfassung von allen Spielen, ja, jedes Wochenende auf DFB-TV wird es zu finden sein, und wir werden, ich schätze, acht bis zwölf Live-Spiele haben. Das wird ein bisschen auch danach laufen, wie die Resonanz ist. Wir haben aktuell noch keinen TV-Vertrag für die Liga, wir hoffen aber auch, dass sich das in den nächsten Jahren ändert, im Moment geht es für uns darum, das Produkt Futsalbundesliga so schön wie möglich zu machen, es ins Schaufenster zu stellen, dass darauf Medienpartner anspringen und ihr Interesse zeigen."
Gut so, findet Daniel Weimar. Der Hobby-Podcaster ist auch Futsalfunktionär beim Bundesliga-Gründungsmitglied Fortuna Düsseldorf.
"Man muss aber auch dazu sagen: Das Wachstum ist ja auch stark limitiert von Hallenzeiten. Hallenzeiten sind in ganz Deutschland knapp, manche Städte verlangen auch Hunderte Euro für drei Stunden Futsalsport, es wird also spannend sein zu sehen: Einmal, steigt die Nachfrage? Leute möchten aufgrund der Futsalbundesliga Futsal spielen. Die zweite Frage, die sich stellt: Gibt es dafür überhaupt Kapazitäten?"
Futsal orientiert sich bei den Spielregeln an anderen Hallensportarten wie Handball, Basketball, Eishockey. Fünf Spieler pro Mannschaft, fliegende Wechsel sind möglich. Die Spieldauer beträgt zwei mal zwanzig Minuten – Nettospielzeit. Gespielt wird auf Handballtore, ohne Bande, geht der Ball ins Aus, wird er eingekickt. Ab dem sechsten Mannschaftsfoul gibt es einen Strafstoß für den Gegner.
Und wie denken Sportpolitikerinnen und -politiker aus dem Bundestag über Futsal? Antworten von Britta Dassler, FDP, Dagmar Freitag, SPD, und Fritz Güntzler, CDU.
"Futsal, das ist doch dieser Fußball, den man in der Halle spielt", sagt Britta Dassler. "Ich habe da mal sogar zugeschaut, also Sie erwischen mich jetzt nicht auf dem völlig falschen Fuß, es sah mir auch so aus, als ob es richtig was mit Sport zu tun hat und auch anstrengend ist", sagt Dagmar Freitag.
Und Fritz Güntzler gibt zu: "Ich habe den Zugang dazu nicht gefunden, muss ich Ihnen ganz offen sagen, und ein Ball, der nicht so richtig springt, das ist auch alles nichts für mich so, aber das ist vielleicht eine Generationsfrage, wenn ich mit Futsal aufgewachsen wäre, würde ich das vielleicht etwas anders sehen."
Eine Einladung nach Portugal änderte alles
Einer der Pioniere des Futsals in Deutschland, wenn nicht der Wegbereiter des Sports, ist Georg von Coelln. Bis heute, sagt er, sei es der im Vergleich zum Fußball etwas kleinere und sprungreduzierte Futsalball, der die Gemüter errege.
"Eigentlich ist der Ball ja ideal. Weil: Er ist für die Halle gemacht. Warum sollen wir mit einem Fußball, der für den Rasen gemacht ist, der Sprungeigenschaften für einen Rasen hat, warum sollen wir mit dem in der Halle spielen? Und die Größe? Die Größe bringt mit sich, dass man den Ball besser mit der Sohle behandeln kann, also, der Ball ist perfekt für die Halle. Habe ich in jahrelanger Missionarsarbeit mitbekommen, dass viele, die den Sport und den Ball nicht kennen, einfach doch dagegen sind."
Seine Leidenschaft für Futsal entbrannte 2002, vor 19 Jahren. Damals war er Spielertrainer der Fußballauswahl an der Universität Münster. Das Team erhielt eine Einladung zu einem Futsalturnier in Portugal.
"Die Einladung haben wir angenommen und dachten: Hallenfußball können wir, haben wir schon viele Turniere in Deutschland gewonnen, haben Regeln zugeschickt bekommen, FIFA-Hallenfußballregeln, hat sich keiner durchgelesen, denn wir konnten ja Hallenfußball spielen, aber die Verwunderung war groß, als wir in Portugal in der Halle standen und die Schiedsrichter immer nur gegen uns gepfiffen haben, war schon erschreckend für uns, dass wir eigentlich keinen Hallenfußball kennen. Der international überall auf der Welt vereinheitlicht nach FIFA-Futsalregeln gespielt wird."
Georg von Coelln beschloss: Futsal gehört nach Deutschland. Mit der Unterstützung des Hochschulsports an der Uni Münster gründete er den ersten Futsal-Verein Deutschlands, den Universitäts-Futsal-Club, kurz UFC, Münster, dessen Vorsitzender und Präsident er noch immer ist.
"Mir hat es jahrelang gestunken, dass sich Futsal von der Basis aus entwickeln sollte. Wie soll sich das von der Basis aus entwickeln, wenn diese Ein-Sparten-Vereine keine Lobby haben in den Städten, bei den Verbänden? Wenn die Futsalabteilungen Teil der Fußballabteilungen sind und die Fußballabteilungen kein Geld geben wollen? Das geht nicht von der Basis aus."
Die Futsal-Pioniere gehen zunächst leer aus
In den Anfangsjahren war der UFC erfolgreich: Zwei Mal deutscher Meister, mehrfacher Hochschulmeister, Studenten-Vizeweltmeister. Und jetzt, da es der DFB endlich geschafft hat, die Bundesliga an den Start zu bringen, jetzt ist der UFC nicht mehr erstklassig. Andere Vereine ziehen vorbei, präsentieren potente Geldgeber.
"Es tut dem Niveau der Liga ja gut, wenn es Geld für ausländische Spieler gibt und da eine Halle baut oder dafür sorgt, dass Spiele übertragen werden, andererseits möchte ich als UFC auch in so einer Liga mitmischen und werde niemals das Budget haben, was so ein etablierter Fußballverein dann vom Fußball querfinanzieren kann. Ja, da schlagen zwei Herzen in meiner Seele: die des Missionars und die des UFC-lers. Ja."
Sein größtes Problem: Die Uni Münster kann dem UFC keine Hallenzeiten mehr zur Verfügung stellen. Auch das eine Folge von Corona.
"Wir haben leider, was die Trainingszeiten angeht, erstmalig keine Planungssicherheit. Und das bei dem Niveau, auf dem wir spielen und spielen wollen. Für uns sind einzig und allein die fehlenden Hallenzeiten ein Problem. Klar, wünscht sich jeder einen Mäzen oder einen Oligarchen im Hintergrund als Geldgeber, aber das brauchen wir gar nicht, wir brauchen die Hallen."
Münster ist ein Pionier des Frauenfutsals
Die Ballsporthalle der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster WWU. Sie ist einer dieser Sehnsuchtsorte des Futsalpioniers. Jetzt trainieren hier zehn junge Frauen und schießen sich gegenseitig die Bälle zu.
"Ball mit der Sohle annehmen mit Rechts, mit dem anderen Fuß zurückpassen, genau, da gehen wir erst mal rein. Ja?"
Münster ist der erste Frauenfutsal-Stützpunkt Deutschlands. Offiziell eröffnet im August 2021, finanziert mit Geldern aus dem Masterplan des DFB für den Amateurfußball. 2022 ist geplant, eine Frauenfutsal-Nationalmannschaft ins Leben zu rufen. Vielleicht mit dabei: die Geschwister Jabbes.
Jasmin, 20 Jahre alt, studiert Sport und Biologie auf Lehramt an der WWU Münster und spielt seit 2020 auch Futsal. Sarah, die Zwillingsschwester von Jasmin, studiert das Gleiche, allerdings an der Deutschen Sporthochschule in Köln und der Uni Köln. Sie spielt seit 2021 Futsal.
Beide spielen seit vielen Jahren Fußball auf Leistungsniveau. Haben auch schon ein paar Länderspiele im Juniorinnenbereich absolviert, den Sprung nach ganz oben aber nicht geschafft. Fußball werden sie auch weiterhin spielen, denn im Futsal gibt es viel zu wenige Mannschaften, mit denen sie sich messen könnten. Doch ihre Nationalmannschaftskarriere hoffen sie, im Futsal fortsetzen zu können.
"Mir haben die Lehrgänge beim DFB vom Fußball immer sehr viel Spaß gemacht", sagt Sarah. "Ich möchte auf jeden Fall auf Leistungsniveau auch weiter Futsal gerne spielen, und für mich ist es auf jeden Fall erstrebenswert, auch in der Nationalmannschaft spielen zu wollen."
"Ich bin das durch den Fußball schon ein bisschen gewöhnt", ergänzt Jasmin. "Aber es war halt immer sehr schön, für das Land zu spielen und immer schön die Nationalhymne dann zu hören, da zu stehen, und durch den Futsal ist das auf jeden Fall auch noch mal eine Chance, das vor allem auch neben dem Studium sehr gut vereinbaren zu können, und ich bin da auch wirklich sehr dankbar für diese Möglichkeit, dass wir das hier an der WWU so machen können."
Die Initiative für den ersten Frauenfutsal-Stützpunkt Deutschlands ging aus von Marianne Finke-Holtz, Vizepräsidentin im Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen und Mitglied in der Futsal-Kommission des DFB.
"Genau, wir haben es bei uns jetzt so entschieden, dass wir die Elite fördern wollen, damit Mädchen auch feststellen: Das ist auch toll, in der Halle zu spielen, weil: Es gibt ne ganze Menge Fußballerinnen, die gern in der Halle spielen, die aber gar nicht wissen, dass es Futsal auch als Wettbewerb geben kann."
Mit Blick auf die mögliche Gründung einer Frauenfutsal-Nationalmannschaft sei Münster der ideale Stützpunkt, fügt Marianne Finke-Holtz hinzu. Hier gebe es ja schon das Frauen-Team des UFC.
"Für die Futsalerinnen, glaube ich, haben wir gute Chancen, weil die halt sehr gut ausgebildet sind. Unsere Spielerinnen sind schon auf sehr gutem Niveau, und deswegen glaube ich auch, wenn man es jetzt mal international sieht, dass wir ganz erfolgreich sein können, die Uni-Mannschaften, die sich ja schon im internationalen Bereich messen, zeigen das ja, und viele Spielerinnen sind halt auch identisch."
Die Bundesliga als Chance – und als Risiko
Bei den Männern ist Deutschland im aktuellen FIFA-Ranking ein Futsal-Zwerg. Platz 63 von 116 gelisteten Nationen. Vor Mosambik und hinter El Salvador.
DFB-Funktionär Leon Ries ist überzeugt: Die Einführung der Bundesliga macht den Futsal in Deutschland besser. Unter anderem, weil die Klubs auch mehr Spieler aus dem Ausland verpflichten.
"Das ist Fluch und Segen zugleich, wir haben einerseits die Chance dadurch, die Liga auf ein qualitatives Niveau zu heben, das wir sonst nicht hätten, also, ich nehme jetzt mal den aktuellen deutschen Meister Weilimdorf, da spielen sehr viele Spieler aus Kroatien beispielsweise mit, die bringen einfach eine unglaublich hohe Qualität mit, und unsere jungen deutschen Spieler, bis auf den Keeper, bekommen nur kurze Einsatzzeiten."
Ein Phänomen, das nicht nur die Fans des Stuttgarter Vorortklubs Weilimdorf kennen, sondern auch Fans vieler anderer Hallensportarten. Es ließe sich mit gezielter Nachwuchsarbeit gegensteuern. Lizenzen für die Bundesliga zum Beispiel an festgelegte Kontingente von Jugendmannschaften koppeln. Doch dazu waren weder der DFB noch die Gründungsmitglieder der Futsalbundesliga bereit. Und letztlich auch nicht in der Lage. Die Klubs setzen auf Überläufer aus dem Fußball. Etwa 170 Futsal-Teams in 140 Klubs nehmen in Deutschland am Spielbetrieb teil. Sportökonom und Hobby-Podcaster Daniel Weimar befürchtet: Die Einführung der Bundesliga wird dazu führen, dass es bald eher weniger denn mehr sein werden.
"Wir erwarten ein Klubsterben im Bereich 10 bis 20 Prozent. Denn der Zug von Spielern aus Regionalliga-Klubs in die Bundesligaklubs wird natürlich auch für einen Abzug der Landesliga in die Regionalliga sorgen. Am Ende könnten es die kleineren Vereine in der Landesliga sein, die am meisten abgeben an Spielern und keinen adäquaten Ersatz beschaffen können in kurzer Zeit. Plus Corona. Das macht sich dann natürlich auch bemerkbar."
Futsaltraining auf hohem Niveau ist anspruchsvoll
Zurück beim Training von 1894 Berlin. Während Johnny Göde und die anderen drei Torleute separat üben, passen die zehn Feldspieler schnell und scharf die Bälle hin und her: One-Touch-Futsal vom Feinsten. Oder sie stoppen die Kugel mit der Sohle und wechseln blitzartig die Spielrichtung.
"So, guck mal, pass auf, was wir machen!"
Seit zwei Jahren trainiert der Russe Petr Schatalin die Mannschaft. Auf einer kleinen Magnettafel erklärt er die Laufwege für die nächste Übung. In rasender Geschwindigkeit verschiebt er die bunten Steine auf der Tafel. Als er aufschaut, blickt er in fragende Gesichter.
"Ich brauche das Umschaltspiel, ganz einfach, okay? Gut."
Futsaltraining auf hohem Niveau ist anspruchsvoll. Bei diesem Trainer erst recht. Den Konkurrenten VfL 05 Hohenstein-Ernstthal führte er 2018 zur deutschen Futsalmeisterschaft. Bei 1894 Berlin hat er den Auftrag, die Mannschaft zu entwickeln. Vor allem den deutschen Spielern Einsatzzeiten zu geben.
"Ich lasse mich selbst überraschen", sagt er lachend. "Man muss nicht vergessen: Wenn man versucht, eine Profimannschaft zu machen, man muss drei Säulen haben: Zuerst die Finanzen, zu zweit die Bedingungen außen rum, sagen wir Organisation, und dann die Mannschaft selbst. Und wenn alle drei Säulen stimmen, kann man viel erreichen."
Der Traum der Spieler
Die Mannschaft stimmt, sagt Petr Schatalin. Aber auch er weiß: Ohne Verstärkung aus dem Ausland geht es nicht. Deshalb die Nachfrage: Stimmen die anderen beiden Säulen?
"Das ist eine Provokation, die Frage", lacht er. "Ja, es ist nicht so, wie wir wollen. Klar, es gibt die Mannschaften, wo es vielleicht besser läuft als bei uns mit Sponsoren, Organisation. Das, was wir haben, damit arbeiten wir."
Gerade in der Sponsorenfrage ist es in einer Großstadt wie Berlin mit seinen zahlreichen Sport- und Unterhaltungsangeboten schwer für den Klub. Allein im Futsal ist die Konkurrenz groß. Eine Klasse tiefer, in der Regionalliga Nordost, spielen fünf weitere Teams aus Berlin. 1894-Mannschaftskapitän Johnny Göde hat da eine Idee. Oder ist es eher eine Träumerei?
"Wenn sich mal alle Berliner Mannschaften irgendwie zusammentun würden, dann hätten wir ein sehr, sehr krass gutes Team. Wir hoffen einfach, dass wir jetzt langsam der Verein sind, wo wir sagen können: ‚Okay, ihr wollt jetzt Bundesliga spielen, ihr wollt gutes Niveau haben, wenn du was Großes machen willst mit Futsal, dann komm einfach zu uns‘."
Futsal gilt als eine der beliebtesten Hallensportarten weltweit. In Deutschland haben das bisher nur wenige mitbekommen. Was schade ist, denn ein Spitzenspiel ist ähnlich intensiv, rasant und aufregend wie ein Hallenhandballspiel. Mit dem Start der Bundesliga will der Sport sein Nischendasein aufgeben. Die Futsal-Community ist gespannt. Und formuliert kleine, aber feine Ziele. Zum Beispiel Heiko Fröhlich, Teammanager und Vereinspräsident von HOT 05 Futsal, wie sich der Klub aus Hohenstein-Ernstthal nennt, und Jean-Michel, genannt Johnny Göde, Torwart von 1894 Berlin.
"Und dann wollen wir noch wir das Halbfinale bei den Playoffs erreichen, und wenn dann noch eine Zuschauerzahl von im Schnitt 300 erreicht wird, dann ist es ein perfektes Premierenjahr in der Futsalbundesliga für uns als HOT 05 Futsal."
"Es ist immer schön, wenn man nicht nur vor zwei, drei Zuschauern spielt, sondern am Ende vielleicht vor ein paar Hundert, das wäre das Optimum, und ja, das wäre schon mein persönlicher Wunsch, einmal vor einer vollen Kulisse zu spielen."