Millionendefizit und weniger verkaufte Tickets
Defizit von vier Millionen Euro und zurückgehende Ticketerlöse: Bei den Bühnen Halle stand sogar bereits das Wort Insolvenz im Raum. Ein Grund könnte der neue Opern-Intendant Florian Lutz sein: Seine Schocktherapie scheint das Publikum zu verschrecken.
Fiasko, Desaster, Theater-Scheitern, es hallte gar schon der Ruf der Insolvenz durchs Land. Klar ist: Es muss etwas passieren. Aber das wird kompliziert. Das kann man schon an dem Konstrukt der Bühnen Halle ablesen. Denn hier gibt es keinen General-Intendanten, der über alle vier Sparten hinweg wirkt. Sondern hier ist jede Sparte, wie es so schön heißt, künstlerisch autonom. Der über die Zahlen wacht, ist der Geschäftsführer der Theater, Oper und Orchester GmbH. Und heißt Stefan Rosinski, seit August 2016 ist er im Amt. Und muss in Halle retten, was zu retten ist.
Aber, als ob die schlechte Nachricht des Millionen-Defizits von vier Millionen Euro nicht ausreichen würde, ist in Halle eine weitere Hiobs-Botschaft wie ein Blitz eingeschlagen: Seit August gehen die Ticketerlöse der Bühnen Halle deutlich zurück. Im besonderen Fokus steht die Oper Halle. Konkrete Zahlen will keiner nennen: Aber es sieht so aus, dass viele der 500 Abonnenten ihr Abo nicht verlängern wollen.
Weißes Rössel statt experimenteller Zugänge
Der Grund könnte der neue Opern-Intendant Florian Lutz sein. Er hat junge Theater-Enthusiasten um sich gescharrt, um den zuvor verschnarchten Hallenser Opern-Apparat – in einer Art Donnerschlag – schockartig zu wecken. Der 1979 in Köln geborene Theater-Mann schert sich nicht um Konventionen. Und so war der Start von Florian Lutz in Halle auch gewaltig. Denn auf einmal saß das Publikum mitten auf der Bühne. Sie konnten sich wie in einem Film-Set – Zimmer, Séparées und Betten mieten, Cocktails schlürfen – und zeitgenössische Musik hören. Der AfD-Ruf – Ihr seid doch alles Eliten – der lief ins Leere. Lutz geht es um experimentelle Zugänge. Schwellen-Angst vor der Oper: Sie soll zertrümmert werden.
Aber genau das ist das Problem. Denn damit können Abonnenten eines Stadttheaters wenig bis nichts anfangen. Sie wollen die klassische Fidelio-Inszenierung, das Weiße Rössl, einen bunten Mix aus Bekanntem. Um da etwas in den Köpfen zu verändern, muss man langsam ran. Mit dem Zertrümmern klappt es vielleicht in Großstädten, aber nicht in Münster, Flensburg oder eben Halle. Denn sind die Besucher erstmal weg, kommen sie so schnell nicht wieder.
Das Riesen-Finanzloch und die sinkenden Ticket-Einnahmen: ein großes Problem für Halle. Insbesondere vor dem Hintergrund der angeknacksten Kulturlandschaft. Zur Erinnerung: 2014 hatte die damals in Sachsen-Anhalt regierende Große Koalition unter Führung der CDU angekündigt, bis zum Jahr 2020 schuldenfrei zu sein. Weshalb man bei der Kultur massiv kürzte.
Lösung: Einsparungen?
Das Vier-Millionen-Euro-Defizit der Bühnen Halle: Es ist der Schatten von Dorgerloh. Sozialdemokrat Stephan Dorgerloh war es, der als Kultusminister die Kürzungen durchgepeitscht hat. Im Lande hatte er sich einen Ruf als Feudalherr gemacht, der einfach mal so über das Wohl und Wehe der Kultureinrichtungen befand. Vom Totengräber SPD ist gar die Rede. Weshalb es jetzt heißt, das Land müsse Halle unter die Arme greifen. Andernfalls müsse man eine Sparte schließen. An Kabinettsmitglied Rainer Robra – CDU-Kulturminister in der schwarz-rot-grünen Kenia-Koalition – prallen die Drohungen bisher ab.
Um das Defizit abzubauen, wollen die Bühnen Halle bei Gäste-Honoraren kürzen, will man ein neues Orchester-Konzept auf die Beine stellen, zu deutsch: 19 Musiker einsparen. Und: Die Mitarbeiter sollen – so die Überlegung – auf fünf Prozent Lohn verzichten. Das kommt natürlich überhaupt nicht gut an. Zumal Sachsen-Anhalt mit kräftigen Steuer-Mehreinnahmen rechnen kann, allein dieses Jahr ist von einem Plus von 84 Millionen Euro die Rede. Das weckt Begehrlichkeiten. Nicht nur bei den Bühnen in Halle, die gerade unter einem mächtigen Defizit ächzen, sondern auch an den anderen Häusern in Sachsen-Anhalt.