Zwischen Al Green und James Brown lief da zum Beispiel der Gerd Michaelis Chor – und die Party ging trotzdem weiter. Das war ein Kuriosum.
Amiga-Compilation "Hallo 22"
Liedermacher Holger Biege (re) und Regine Dobberschütz bei einem Konzert in der DDR. © imago / Gueffroy
Soul und Funk aus der DDR
11:59 Minuten
„Einzigartige Musik, die so im Westen nicht stattgefunden hat“, schwärmt Hip-Hopper Dexter von den Tracks aus dem Amiga-Archiv. Zusammen mit Max Herre hat er Songs aus den 70er-Jahren des DDR-Kultlabels kompiliert und als Doppel-LP herausgebracht.
Manfred Krug ist drauf, Uschi Brüning, und Günther Fischer gleich mehrmals: Mit Max Herre und Dexter haben sich ausgerechnet zwei Schwaben den Katalog des DDR-Labels Amiga vorgenommen und daraus eine Doppel-LP zusammengestellt mit Soul- und Funk-Liedern aus den 1970er-Jahren.
Max Herre erinnert sich, wie er in den 1990er-Jahren im Stuttgarter Hi Club zum ersten Mal auf Soul- und Funk aus der DDR aufmerksam wurde.
Nachdem er in den Nullerjahren nach Berlin gezogen sei, habe er dort richtig Feuer gefangen. Die Flohmärkte seien voller Amiga-Schallplatten gewesen und er auf der Suche nach dem nächsten verwertbaren Sample.
Einzigartige Musik in Deutschland
"Für mich ist das einfach so eine einzigartige Musik, die so im Westen nicht stattgefunden hatte", sagt Dexter: "Das Vermögen von den ganzen Musikern, die ihre Instrumente so beherrscht haben, von Arrangement bis Aufnahme-Klangqualität – das hat einfach seinesgleichen gesucht."
Er habe Zeit gebraucht, das zu verstehen, fährt er fort, "aber irgendwann hat sich das einem erschlossen, dass es was ganz Besonderes war, was ich so in deutscher Sprache einfach sonst nicht gehört habe."
Max Herre hebt hervor, dass die Texte meist von Menschen stammten, die aus der Lyrik oder aus der Schriftstellerei kamen. "Das merkt man den Texten an." Zudem habe das Zensursystem dafür gesorgt, dass sich eine kryptischere, metaphorischere Sprache entwickelt habe.
Viele starke Frauenstimmen
Auffällig sei auch, dass die DDR in den 1970er-Jahren "unglaublich viele starke Frauenstimmen" hervorgebracht habe.
Max Herre nennt neben Veronika Fischer, die mit der Hymne "Schönhauser" auf die gleichnamige Straße im Prenzlauer Berg auf der Compilation ist, und Uschi Brüning ("Hochzeitsnacht" und "Wenn es so ist") auch Angelika Mann ("Kutte") und Christiane Ufholz.
Dementsprechend sei es nicht schwierig gewesen, die Platte paritätisch zu besetzen, "weil es, verglichen mit dem Westen, total viele gute, erfolgreiche Sängerinnen gab."
Der Stevie Wonder des Ostens
Für Herre ist Holger Biege "der Stevie Wonder des Ostens und eigentlich die größte männliche Soulstimme, die Deutschland bis jetzt hatte". Er ist mit "Septemberliebe" vertreten. Günther Fischer sei als Musiker, Komponist und Produzent eine Überfigur.
Dexter erzählt, er habe beim Auswählen nicht bei null anfangen müssen. Durch seine Sampling-Leidenschaft habe er die Sachen schon seit 20 Jahren gesammelt. "Von daher hat man immer schon so ein bisschen im Kopf gehabt: Was sind für mich die starken Tracks?", berichtet er. "Ich hatte schon so grobe Ideen, was da stattfinden kann."
Ein bisschen wie Tetris
Am Ende seien dann trotzdem 60 Songs in der Auswahl gewesen: "Und Max hat mir dann auch noch Sachen gezeigt, die ich nicht kannte und umgekehrt, sodass wir uns eigentlich auch ganz gut ergänzt haben."
Dann habe man reduzieren müssen, berichtet Dexter weiter: Die Soundqualität sollte stimmen, also am besten maximal 18 Minuten für eine Seite, Spannungsbögen, Reihenfolge."Es war ein bisschen wie Tetris", sagt Herre.
(mfu)