Halloween und Reformationstag

Von Jacqueline Boysen, Deutschlandradio |
So plastikorange die künstlichen Kürbisfratzen in den Kaufhäusern auch leuchten mögen: Heute ist nicht nur Halloween, sondern vor allem der Reformationstag – und leider ehren nicht einmal alle mehrheitlich als protestantisch geltenden Bundesländer Martin Luther und den Anschlag seiner Thesen mit einem wirklichen, einem arbeitsfreien Feiertag. Seien wir ehrlich: Der Einfluss der Evangelischen Kirchen ist gering.
Schrill aber ist heute der Kirchen Gezeter gegen den vermeintlich heidnischen Brauch, an Halloween gruslige Verkleidung anzulegen, Schabernack zu treiben und um Süßigkeiten zu betteln. Natürlich, der den Kommerz anfeuernde herbstliche Spuk kommt aus den USA, dorthin aber brachten ihn die bekannt erzkatholischen Iren.

Warum ereifert sich die Kirche so gegen ein mehr oder minder witziges, vielleicht neues, vielleicht inhaltsloses, aber eben doch Begeisterung weckendes Fest? Warum lassen die Kirchen zugleich ihre eigenen Riten oft kläglich verkümmern.

Der angeblichen Karnevalisierung der konsumorientierten Gesellschaft könnten sich die Kirchen entgegenstellen. Wie wär´s, wenn sie mal wieder ihre eigenen Feste anpriesen!? Das ist kein Populismus, sondern das berechtigte Verlangen vieler Kirchensteuerzahler in den Gemeinden! Sie wollen ihre Kirche als zeitgemäße Institution, als offen, wagemutig, lebendig und diskussionsstark wahrnehmen. Was ist mit den regional so unterschiedlichen Sitten rund um den Martinstag, der die christliche Botschaft so schön und plastisch erzählt?!

Zudem empfiehlt bereits das Alte Testament ausdrücklich zu Herbstbeginn das Fest der Ernte und kurz vor den kargen Wintertagen das Fest der Lese. Knapp 64 Prozent der Bevölkerung in Deutschland sind nominell Mitglied einer christlichen Kirche. Doch füllen sich die Gotteshäuser auch zum Erntedankfest nur spärlich. Böte nicht gerade ein solches Fest einen nachvollziehbaren, irdischen Grund, opulent und öffentlichkeitswirksam Gottesdienst zu feiern – sichtbar, meinetwegen auch außerhalb der Kirchen zu danken für das tägliche Brot!

Es gehörte einst zu den guten Sitten, die Gaben, die den Altar schmückten, an Bedürftige und Obdachlose zu verteilen. Heute nötiger denn je, möchte man sagen und daran den dringenden Appell knüpfen, derlei - um Gottes Willen - nicht allein der persönlichen Initiative einzelner zu überlassen, sondern im großen Stil, gemeindeübergreifend zu betreiben.

Ja, auch der Reformationstag ist gerade in Deutschland kein Grund, sich zu verstecken und sauertöpfisch als Apostel einer spaßfernen Moral daherzukommen. Eine selbstbewusste Kirche hat Larmoyanz nicht nötig! Sie sollte ihre eigenen Losungen kennen: Kirche im Aufbruch, heißt es mit Beginn der Lutherdekade.